Das edle Metall als FLUCH

Werbung
Werbung
Werbung

Über Tantalos, den legendären König der griechischen Sagenwelt, sagt man, er sei ungeheuer reich gewesen. Zwölf Tagesreisen habe er gebraucht, seine fruchtbaren Ländereien zu durchmessen. Schlau sei er gewesen, so schlau dass er am Tisch der Götter speisen durfte. Doch er frevelte gegen sie und wurde in den Tartaros geworfen, wo er nun unendliche Qualen ausstehen muss: Über seinem Kopf hängt ein riesiger Felsblock und erfüllt ihn mit Todesangst. Das Wasser eines Teichs steht ihm bis zum Kinn doch wenn er trinken will zieht es sich zurück, so wie die Früchte eines Obstbaumes am Ufer, die zurückschnellen, wenn der Hungrige nach ihnen greift. So steht Tantalos in der Hölle und muss darben im Angesicht der Fülle und des Reichtums der Natur. Gewiss, wir trauen dem Aberglauben von vor mehr als 3000 Jahren nicht. Aber die Geschichte will es, dass man ausgerechnet die Qualen des Tantalos für hochlebendig halten könnte, wenn man nach Afrika schaut, in den Kongo.

Die Demokratische Republik Kongo und ihre 70 Millionen Einwohner wären gesegnet mit allem, was die Erde zu geben vermag: Laut Weltbank gäbe es dort 80 Millionen Hektar fruchtbares Ackerland, unendliche natürliche Ressourcen des subtropischen Regenwaldes, dazu noch Diamanten, Gold und über 1100 wertvolle Metalle.

Und genau darin liegt der Fluch, der den Menschen das Paradies verleidet: Eines der seltenen Metalle heißt Tantal, nach dem legendären König Tantalos. Tantal ist das seltenste stabile Element im Sonnensystem, ein Stoff der besonders hitze-und säurebeständig ist und in der Elektroindustrie für Elektrolyt-Kondensatoren verwendet wird. Das macht es zum wichtigen Rohstoff bei der Erzeugung von Notebooks, Tablet-Computern und Smartphones.

Der Preis je Kilogramm Tantal schwankt zwischen 150 und 400 US-Dollar. Das ist viel Geld für Korruption und den Kauf von Waffen. Und tatsächlich hat haben Tantal und die andern Metalle im Kongo sehr wenigen Menschen sehr viel Reichtum gebracht und sehr vielen Leid und Tod. Denn dort wo es abgebaut wird, im Osten des Landes, tobt seit Jahrzehnten ein nicht deklarierter Krieg - und das Tantal ist seine Währung.

Die Herrschaft der Milizen

Die Streitparteien sind Milizen, die sich ADF, FRPI, FAPC und so fort nennen. In jedem dieser Kürzel stecken Worte wie "Free" oder "Democratic" doch in Wahrheit handelt es sich um Mörderbanden unter dem Befehl selbsternannter Generäle und Militärs - und was sie wollen, ist Metall, Geld, Macht -in dieser Reihenfolge. Um die jeweilige Gegnerschaft zu beeindrucken oder sich einfach Land zu sichern, bringt man bevorzugt Zivilisten um oder verstümmelt sie.

Am 26. November wurden in den Dörfern Ngadi, Oicha und Eringeti in der Region Beni 200 Menschen in einer Nacht umgebracht. Den Erwachsenen schnitten die Angreifer die Kehle durch, sie schlitzten Schwangeren die Bäuche auf und zerschmetterten die Köpfe von Kleinkindern. Andere Frauen wurden in den Dschungel verschleppt, vergewaltigt und verstümmelt.

Verbrechen wie diese geschehen alle paar Wochen und der Staat scheint machtlos zu sein. Das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge hat zuletzt "tiefe Besorgnis über die katastrophale humanitäre Situation im Osten des Kongo" geäußert: Morde, Plünderungen, Folter, Erpressung und sexuelle Gewalt stünden an der Tagesordnung. Allein in den vergangenen drei Monaten seien 70.000 Menschen vertrieben worden, so die Sprecherin des UNHCR, Karin De Gruijl. Allein in diesem Jahr wurden 15.873 Übergriffe gegen Zivilisten verzeichnet. Die Zahl derer, die sich gegen die tägliche Gewalt auflehnen, ist sehr viel kleiner ist als jene der Gewalttäter.

Der Gynäkologe Denis Mukwege ist einer von ihnen. Er hat in der vergangenen Woche den Sacharow-Preis des EU-Parlaments erhalten. Seit 1999 behandelt Mukwege in seiner Klinik in Bukavu am Ufer des Kivusees Frauen und Mädchen, die Opfer der systematischen Vergewaltigungen der Milizionäre wurden. Die meisten von ihnen kommen verstümmelt und blutend in die Klinik. Viele von ihnen werden durch die inneren Verletzungen nie wieder ohne Schmerzen leben können. Über 40.000 Menschen waren bisher bei Mukwege in Behandlung und es wären noch viele mehr. "Aber ich kann nicht allen helfen, die zu mir kommen. Es sind zu viele."

Ein Friedensprozess sollte den Übergriffen ein Ende bereiten. Doch das Abkommen hat Mörder legitimiert. Viele der Milizionäre wurden in die kongolesische Armee übernommen - und treiben nun in Uniform ihr Unwesen. Zuletzt soll es Anfang November im Distrikt Katanga zu massiven Vergewaltigungen von Frauen durch eine Einheit der kongolesischen Streitkräfte gekommen sein. Die Unsicherheit ist allgegenwärtig, wie Denis Mukwege erläutert: "Dieser Krieg wird nicht auf dem Schlachtfeld, sondern mit dem Missbrauch von Frauen geführt. Familien werden zerstört, das soziale Netz zerreißt, die Bevölkerung wird in der Sklaverei einer Militärökonomie gehalten."

Verstaatlichte Gewalt

Diese "Verstaatlichung" der Gewalt ist auch in den Bergbaugebieten spürbar. Statt der Rebellengeneräle sind es nun Polizisten und Regierungssoldaten, die die Arbeiter versklaven und die Dörfer überfallen. Präsident Joseph Kabila verspricht immer wieder, gegen die grassierende Kriminalität vorzugehen. Aber für die Bevölkerung ändert sich nichts. Die mehr als acht Prozent Wirtschaftswachstum des Landes versickern in den Taschen einer Elite, von der auch der Präsident abhängig ist. Dass in diesem Jahr der ehemalige Rebellen-und Armeegeneral Jérome Kakwavu wegen mehrfachen Mordes und Vergewaltigung zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde, ist eine Ausnahme von der sonst üblichen Straflosigkeit für Gewalttäter.

Doch auch die Staatengemeinschaft scheint den Ereignissen macht-oder zumindest tatenlos zuzusehen. Ein heuer in Kraft getretenes US-Gesetz, das Computerhersteller daran hindern sollte, durch den Einkauf von Tantal Kriege zu fördern, bleibt zahnlos. Denn es bezieht die Zwischenhändler nicht ein, die den Erz-Export besorgen (siehe auch Story rechts).

Das Drama des Kongo ist auch an Zahlen ablesbar: Der Staat liegt im Human Development Report der UNO an der vorletzten Stelle. Ein Drittel der Bevölkerung leidet unter Mangelernährung, über zwei Millionen Menschen sind Binnenflüchtlinge. Die Rebellengruppen hingegen exportieren nach wie vor Tantal und Gold im Gegenwert von bis zu 60 Millionen Dollar pro Monat aus den Grubengebieten des Landes. Es ist die Währung, mit der neue Waffen und neue Soldaten bezahlt werden; Geld mit dem der Kreislauf der Gewalt sich weiter dreht und den Kongo mit sich reißt, so als gäbe es nicht schon genug alte Mythen über ewige Verdammnis und ewig Verfluchte wie den König Tantalos -verhungernd und dürstend vor dem Reichtum der Welt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung