Das gute Leben - einfach(er) Luxus?

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Die Ästhetik der Badezimmer ist ein heißes Thema bei Einrichtungsmessen. Nach dem Wohnzimmer und der Küche ist nun auch das Badezimmer ein Ort, an dem sich Funktionalität mit edler Gestaltung und edlen Materialien verbinden lässt. Wellness-Oasen, Traumbadezimmer, blitzender Chromstahl, Glas und Grünpflanzen in lichtdurchfluteten, weißgefliesten Räumen, in denen sparsam und dekorativ edel wirkende Hölzer eingesetzt sind - so sehen die Träume aus, die sich Menschen in den Industriestaaten vom alltäglichen Luxus machen, und es gibt genug Anbieter, die dem nachhelfen, sei es mit Billig-Angeboten oder Angeboten zum Selbermachen. Der wahre Luxus ist dies freilich nicht, denn oft sehen Materialien und Verarbeitung am Ende anders aus als in den Hochglanzbroschüren der Werbung. Doch selbst der Talmi-Luxus ist wirklich Luxus - bis vor wenigen Jahrzehnten gab es in vielen Wiener Wohnungen keine Dusche, von einem Badezimmer ganz zu schweigen, und die Tröpferlbäder verschwanden erst Mitte der 1990er-Jahre.

Hinauf schielen zu den oberen Zehntausend

Aufs Bruttoinlandprodukt pro Kopf bezogen, steht Österreich zurzeit laut einer Studie des IWF international an 11. Stelle. Doch als luxuriös erleben die meisten Österreicher ihr Leben nicht. Denn Luxus ist eine Sache des Vergleichs - und der orientiert sich in Sachen Luxus meistens nach oben. Wer an sozialem Status interessiert ist, und der Luxus ist ein Indikator dafür, der schaut hinauf - und nicht hinunter, zu denen, die weniger haben als man selbst. Da hätten die Österreicherinnen und Österreicher nämlich wenig zu klagen. Denn auch wenn es um die Kaufkraft geht, gehören die Österreicher zu den reichsten Bürgern der EU. Nach einer im Vorjahr veröffentlichten Studie von RegioData stehen pro Kopf und Jahr 19.580 € zur Verfügung. Das ist ein Durchschnittswert, denn nicht alle Österreicherinnen und Österreicher haben Zugang zu Luxus. Armutsgefährdet sind in Österreich rund 12 Prozent der Bevölkerung; die Schwelle liegt bei einem Ein-Personen-Haushalt bei 12.791 € pro Jahr; bei einem Vier-Personen-Haushalt bei 26.988 € pro Jahr, also deutlich unter der durchschnittlichen Pro-Kopf-Kaufkraft. Was als Luxus wahrgenommen werden kann, hängt also auch im reichen Österreich von der sozialen und ökonomischen Schicht ab. Wer sich Gedanken über die Badezimmer-Einrichtung machen kann, hat größeren finanziellen Spielraum für Luxus als jemand, für den es eine Katastrophe ist, wenn die Waschmaschine kaputt geht. Was als Luxus gilt, ist allerdings auch eine Frage der Zeit. Am Beispiel Waschmaschine lässt sich das zeigen - in den 1950er-Jahren war eine Waschmaschine ein Luxus-Gegenstand, den sich nur wenige leisten konnten. Das waren zudem einfache Waschmaschinen, die nur waschen konnten und durch eine Zentrifuge fürs Schleudern ergänzt werden mussten. Die Waschmaschine als Vollautomat findet sich erst um 1990 in den allermeisten Haushalten. Der letzte Lohntarifvertrag mit Waschfrauen wurde in Deutschland 1956 abgeschlossen. Um diese Zeit beginnt ein Umbau in Europa.

Vom Brunnen zum bequemen Leben

Die Industrialisierung ist soweit fortgeschritten, dass daraus eine Konsumgesellschaft werden kann, mit einem entsprechend anwachsenden Verbrauch der Ressourcen, sodass man von einer "Epochenschwelle“ sprechen kann. Um diese Zeit waren auch die "großtechnischen Systeme“, die man dafür brauchte - die Infrastruktur bei Wasser, Strom und Gas z. B - entsprechend ausgebaut. Auch das ist Luxus, dass man einfach nur den Wasserhahn aufzudrehen braucht, und Wasser da ist. Bis in die 1960er-Jahre musste man auch in Österreich am Land das Wasser aus dem Brunnen holen, und wenn man warmes Wasser wollte, dieses erst am Herd wärmen. In vielen städtischen Wohnhäusern gab es in der "Substandard“-Version bis in die 1980er-Jahren bloß die Bassena am Gang, aus der ebenfalls nur kaltes Wasser kam. Doch der Luxus hatte seinen Preis. "Das heutige Leben ist anders, es ist bequem. Früher war nichts bequem, aber es hat einen Feierabend gegeben, und das war sehr wichtig“, sagte eine Bäuerin der Historikerin Inge Friedl. Das "einfache Leben“ von früher, das Inge Friedl in ihren Büchern beschreibt, war weder Luxusleben noch Idylle. Doch so wie der Feierabend ist vieles andere an Lebensqualität von damals abhanden gekommen, während das Leben "bequem“ wurde. Vieles von dem, was verloren ging, gilt heute als Luxus - das gute Brot z. B. oder die Souveränität über die eigene Zeit.

Reich und luxuriös leben immer die anderen, das sagen in Österreich fast 100 Prozent, auch diejenigen, die nach einer Studie der Universität Linz zu den Reichen gehören. So ist der Neid schnell ein Nachbar des Luxus - denn wenn in einem der reichsten Staaten der Welt immer die anderen reich sind, kann es nicht am Geld liegen, sondern nur an der Vermutung, dass jemand anderer mehr hat als man selbst. Allerdings wollen auch die Konsumenten des wahren Luxus lieber unerkannt bleibt. Wie viele das sind, lässt sich schwer sagen - doch vermutlich gehören jene 10 Prozent der Bevölkerung dazu, die nach der Linzer Studie etwa zwei Drittel des Vermögens besitzen. Zur Schau gestellter Luxus gilt besonders in Zeiten der Wirtschaftskrise als unfein, und so werden die teuren Dinge von den wirklich Reichen unter eine Tarnkappe gesetzt - man trägt den Pelz nach innen, kauft Geschirrtücher, die ganz gewöhnlich aussehen, aber aus speziellem Leinen sind und das Stück 15 € kosten; oder Markenuhren aus Platin oder Weißgold, denen nur Kenner ansehen, dass sie nicht Uhren aus dem Kaufhaus sind. Luxus sei eben heute das Besondere, luxuriös seien jene Dinge, die nicht industriell gefertigt sind, sondern aus feiner, traditionsreicher Handwerksarbeit kommen, erklärt eine Studie des deutschen Zukunftsinstituts von Matthias Horx. Diese feinen Unterschiede muss man freilich erst erkennen können - und dies wiederum ist eine Frage der Klassenzugehörigkeit, das heißt der Erziehung des Geschmacks, wie der französische Soziologe Pierre Bourdieu zeigte.

Nachhaltigkeit in der Wegwerf-Gesellschaft

In Zeiten, in denen die meisten Artikel auf Billigpreise und Wegwerf-Konsum ausgelegt sind - der Boden eines Geräts ist nicht mehr verschraubt, sondern verschweißt, der Schuh ist geklebt und nicht genäht, Pullover, bei denen eine Masche läuft, erscheinen unrettbar - in solchen Zeiten heißt es: "Luxus ist, was man reparieren kann“, so der Kreativchef von Hermès, Pierre-Alexis Dumas, laut der Studie des Zukunftsinstituts.

Jene, die nach einem nachhaltigen Lebensstil suchen, sehen im Reparieren jedoch keinen Luxus, sondern das Gebot eines neuen Lebensstils. Vorkonsumistische Werte werden wiederbelebt. Nur so viel Konsum wie nötig, dafür mehr Lebensqualität, mehr Zeit für Freunde und Familie, Feierabend statt Dauerstress: so soll ein Leben aussehen, das sich am Ideal freiwillig gewählter Einfachheit orientiert. Die Härten, die das alte "einfache Leben“ hatte, möchte allerdings niemand zurück. Die technologische Infrastruktur, ihre Bequemlichkeiten und Möglichkeiten, diesen Luxus will niemand missen. Ob dies in einer Postwachstumsökonomie weiterhin so selbstverständlich möglich sein kann, ist offen.

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