Das Superhirn, das uns operiert, chauffiert...

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Allein in den nächsten fünf Jahren sollen künstlich intelligente Systeme bis zu fünf Millionen Jobs in den 15 führenden Industrienationen ersetzen. Wieweit diese Entwicklung in Österreich gediehen ist und wie Super-Computer die Arbeit von Menschen verändern werden.

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Allein in den nächsten fünf Jahren sollen künstlich intelligente Systeme bis zu fünf Millionen Jobs in den 15 führenden Industrienationen ersetzen. Wieweit diese Entwicklung in Österreich gediehen ist und wie Super-Computer die Arbeit von Menschen verändern werden.

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Schon vor fünf Jahren besiegte Watson die bislang ungeschlagenen Quizmaster der amerikanischen TV-Rateshow "Jeopardy!". Watson ist allerdings kein Mensch mit besonders hohem IQ, Watson ist ein Super-Computer aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz. Das einzigartige an diesem Sieg war, dass dieses Quiz nicht wie die Millionenshow abläuft, sondern genau umgekehrt. Die Teilnehmer müssen also Fragen auf die gegebenen Antworten finden. Zum Beispiel: "Er ist der Vater der Bakteriologie." Die richtige Antwort darauf lautet: "Wer ist Louis Pasteur?"

Watson und andere künstlich intelligente Systeme wären in einer Fabrik am Fließband inzwischen bereits völlig unterfordert, sie mischen sich aber dennoch in den Arbeitsmarkt ein. In den nächsten fünf Jahren sollen sie in den führenden 15 Industrieländern bis zu 5,1 Millionen Jobs ersetzen. Dem gegenüber stehen nur zwei Millionen neu geschaffene Arbeitsplätze im Bereich Computer und Technik. Wer wird also die Konsequenzen tragen müssen?

Durchschnitts-Jobs bedroht

"Vor allem die Jobs in der Mitte der Lohnskala sind bedroht", sagt Manfred Füllsack, Professor für Systemwissenschaften an der Universität Graz. Viel Routine, wenig intellektuelle, soziale Interaktion, das zeichnet sie aus. Die beiden extremen Enden der Arbeitsskala sieht er nicht wirklich gefährdet. Einerseits zahle sich eine Automatisierung durch sehr niedrige Löhne einfach nicht aus. Gemeint sind damit zum Beispiel Beschäftigte im Reinigungswesen oder auch im Pflegebereich. "Würden die Löhne in diesem Sektor durch das steigende soziale Niveau in Osteuropa gehoben werden, könnte es aber auch hier zu einem Umschwung kommen", bemerkt er.

Neben dem Rentabilitätsfaktor spielt auch die soziale Akzeptanz eine wichtige Rolle, vor allem wenn es zum Einsatz künstlicher Intelligenz kommt. Das Vertrauen in technische Geräte ist in Europa noch nicht so ausgeprägt, wie beispielsweise in Asien, was mit der jüngeren Gesellschaftsstruktur und dem expliziten Willen, technische Vorsprünge zu erzielen, zusammenhängt.

In dieser Hinsicht werde die Autonomisierung des Straßenverkehrs einen Wendepunkt darstellen, sind sich Experten einig. Solange Elektroautos wie Tesla bei Probefahrten in Flammen aufgehen, hält sich das Vertrauen in derartige Maschinen aber in Grenzen, genauso wie beispielsweise die Bereitschaft, sich von Robotern pflegen zu lassen, noch äußerst gering ist.

In den nächsten fünf Jahren könnte es hier aber schon zu weitgreifenden Innovationen kommen. Unfälle, die durch menschliches Fehlverhalten verursacht werden, könnten dann bedrohlicher wirken als der Gedanke an Autos, die ohne Lenker hinterm Steuer scheinbar ziellos losrasen. Vor allem fehlt es den Robotern noch an ausreichendem Vermögen, um unvorhersehbare Situationen rechtzeitig erkennen zu können und schnell genug darauf zu reagieren. Unter anderem wird gerade an der TU Graz an der Entwicklung eines solchen Schlussfolgerungsmechanismus gearbeitet.

Einhergehend mit diesen Innovationen wird es auch zu tiefgreifenden Veränderungen der Berufsbilder im Bereich des Transportsektors kommen. Das Netz fahrerlose U-Bahn-Züge, wie es sie heute schon in 23 Städten weltweit gibt, wird weiter ausgebaut. Auch die U5 in Wien wird planmäßig keine Zugführer mehr haben. "Die nächsten paar Jahre wird in den Zügen aber wahrscheinlich noch ein Fahrer dabei sitzen. Nicht weil sie das so gut können, sondern aufgrund der noch fehlenden sozialen Akzeptanz", erklärt Füllsack. Die Diskussionen um die dadurch sinkenden Löhne könnten viele derzeit beschäftigte Menschen noch miterleben. Auch Chauffeure, LKW-oder Busfahrer werden betroffen sein. Sie verrichten alle Routinearbeiten ohne komplizierte Kommunikationsaufgaben, die auch von kognitiven Systemen übernommen werden könnten.

Auf der anderen Seite der Lohnskala stehen Führungskräfte, die Verhandlungen führen, Besprechungen leiten etc. Durch die kommunikative Leistung, die sie erbringen, werden sie in der nächsten Zeit nicht durch Computer ausgetauscht werden können. Auch Ärzten sichert die soziale Interaktion ihren Beruf. "Sie stellt den Kern des Arztseins dar", wie Karl Forstner, Leiter des Referates Telemedizin und medizinische Informatik in der Österreichischen Ärztekammer, betont. Kognitive Systeme wie Watson finden aber auch hier ein Anwendungsgebiet, zwar nicht als Ersatz der menschlichen Arbeitskraft, jedoch als Unterstützungsmaßnahme. "Dadurch könnte sich der Anspruch an soziale Kompetenzen sogar noch erhöhen", meint Forstner.

Computer werden immer schlauer

In Österreich wird Watson derzeit im Rahmen kleiner Pilotprojekte getestet, teilte die Pressestelle von IBM mit. Das System ist in der Lage, in kürzester Zeit Datenbanken, wissenschaftliche Artikel usw. zu analysieren und dann mögliche Krankheitsdiagnosen und Behandlungsvorschläge zu erstellen. Das besondere daran ist, dass es strukturierte, ebenso wie unstrukturierte Daten verarbeiten kann. Das ermögliche eine natürlichere Kommunikationsbasis mit dem Gerät, als es bisher der Fall war. Man muss also kein Computerspezialist sein, um mit Watson zu arbeiten. Ganz ohne IT-Kenntnisse wird es aber trotzdem nicht gehen. Das nötige Know-How, um Watsons Analysen zu verstehen und um das Diagnoseerstellungsverfahren an Patienten weitervermitteln zu können, werden Ärzte in Zukunft auf jeden Fall brauchen.

In den USA assistieren derartige Systeme auch schon Juristen bei ihrer Arbeit. Sie durchforsten beispielsweise Archive nach ähnlichen Fällen in der Vergangenheit. Forstner sieht die wirkliche Herausforderung unserer Zeit allerdings in einem anderen Problem: Die Dynamiken der Innovationen würden immer schneller werden, Ausbildungen müssten darauf abgestimmt werden. "Ärzte müssen fit gemacht werden, um mit diesen Veränderungen umgehen zu können." Schon innerhalb einer Ärztegeneration werde sich da sehr viel tun.

Nichtsdestotrotz müssten Ärzte in intelligenten Technologien keine Bedrohung für ihren Berufsstand sehen -eher eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine Ausweitung der Möglichkeiten im Job. Computeralgorithmen sind weniger fehleranfällig. Vielleicht würde durch technische Erneuerungen auch endlich die lang versprochene Arbeitsabnahme im administrativen Bereich eintreten. Für die ansteigende Zahl von Absolventen eines dreijährigen Bachelorstudiums sieht das schon anders aus. "Der mittlere Verwaltungsbereich und höhere Sekretariatsarbeiten werden von der Automatisierung betroffen sein", sagt Füllsack. Auch wenn Bachelorabsolventen beim Berufseinstieg rund 26 Prozent weniger verdienen als ein promovierter Kollege, sind ihre Gehälter dennoch hoch genug um eine Investition in die Automatisierung rentabel zu machen.

Ein Ende der Akademiker-Ära steht uns also nicht bevor. Der Druck, sich den neuen Herausforderungen anzupassen, wird allerdings weiter steigen. IT-Fachwissen, soziale Kompetenzen und Kommunikationsfähigkeit werden wohl zu Schlüsselkomponenten, die gefördert werden müssen, um Arbeitskräfte auszubilden, die auch noch in einer digitalisierten Zukunft eine Rolle spielen wollen.

Technik-Fortschritt sinnvoll nutzen

Auch die Arbeiterkammer und die Wirtschaftskammer sind sich in diesem Punkt einig. "Technischer Fortschritt muss verstärkt genutzt werden, um Arbeitsbedingungen zu verbessern, um weiterhin faires Einkommen für alle Menschen zu ermöglichen", heißt es vonseiten der Arbeiterkammer. In der Wirtschaftskammer ist man sich sicher, dass "fundierte Ausbildung und der Wille zur ständigen Weiterbildung Österreichs Wirtschaft große Chancen bieten, denn für eine wissensbasierte Gesellschaft eröffnen sich durch den technischen Fortschritt mehr Möglichkeiten, auch am Arbeitsmarkt."

Wie lange es noch dauern wird, bis derartige kognitive Systeme wie Watson nicht nur in Pilotprojekten getestet werden, sondern großflächigen Einsatz finden werden? 2050 könnte in diesem Zusammenhang ein wichtiges Jahr werden. Derzeit läuft die Wette, dass bis dahin eine künstlich intelligente Fußballmannschaft in der Lage sein wird, die Gewinner der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft zu besiegen. Wo aber der Spaßfaktor dabei bleibt, wenn man nur noch Robotern beim Sporttreiben zuschaut, ist natürlich eine andere Frage.

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