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Wie können knappe Gesundheitsressourcen gerecht verteilt werden? - Experten diskutierten über Auswege aus dem Dilemma der Kostenexplosion und erhöhter Ansprüche der Patienten.

Als Vertreter der Patientenanwaltschaft Kärnten ist Erwin Kalbhenn ein wenig irritiert. Daheim hat er aktuelle Fälle bearbeitet, bei denen angesuchte Leistungen der Gebietskrankenkasse nicht mehr genehmigt wurden. "Nein, nicht nur im Onkologiestadium. Manchmal macht sich das Einsparen schon bei der Bewilligung des Fahrtkostenersatzes, der Verlegung in ein anderes Krankenhaus bemerkbar. Die Defizite der Sozialversicherungen interessieren die Betroffenen zunächst nicht, sie merken, dass gespart wird. Das belastet das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Ärzten und beeinträchtigt das Vertrauen in das Gesundheitssystem."

Kalbhenn ist zum fünften "Ethik:Rat öffentlich" nach St. Virgil, Salzburg, gekommen, um über das Tabu "Rationierung" zu reden. Soeben hat am Podium Andrea Kdolsky, Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend, "breiten Zugang zu bester Medizin" gefordert und zugesagt.

Die Begriffe Distribution (Verteilung) und Allokation (alternative Verwendung) beunruhigen, wenn sie für den Bereich des Gesundheitswesens - Organtransplantationen, Zeitressourcen, Medikamente, Therapien - angewendet werden. Wenn von knappen Zeitressourcen der Ärzte, von knappen Geldressourcen der Krankenkassen und vor allem von Kostenexplosionen durch die demografische Veränderung in Österreich die Rede ist, stellt sich die Frage und daraus folgend die Forderung nach gerechter Verteilung der Mittel im Gesundheitswesen.

Zum fünften Mal seit seiner Gründung 2002 lud das Forum Ethik:Rat öffentlich zur Diskussion eines brisanten Themas. Um den Fragenkomplex "Solidarität und Rationierung - Zu einer gerechten Verteilung knapper Gesundheitsressourcen" öffentlich zur Sprache zu bringen, bedurfte es im Verlauf der Podiumsdiskussionen einer Standortbestimmung der Teilnehmer in Bezug auf Menschen-und Berufsbild. Die Frage nach versteckter Rationierung im österreichischen Gesundheitssystem polarisierte; Richard Greil, Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin III, Salzburg, löste mit dem Fragenkomplex nach der Arzt-Patienten-Beziehung und der den Patienten zumutbaren Wahrheit Diskussionen aus. Dazu Greil: "Solidarität ist kein Zufallsprodukt, sie muss im Zentrum der Überlegungen sein."

Günter Virt, Moraltheologe und Mitglied der Bioethikkommisson beim Bundeskanzleramt, bekräftigt die Wichtigkeit, das "Leben zu bejahen" und gleichzeitig mit der Endlichkeit umgehen zu lernen. Gemeinsam machte sich das Diskussionsforum auf die Suche nach Perspektiven für eine gerechte und solidarische Gesundheitsvorsorge. Dürfen bzw. können Mediziner den Patienten sagen "Ich werde Ihnen nicht das Allerbeste geben können?" und somit Rationierung zugeben? "Die Tatsache, dass es Leistungseingrenzungen gibt, zu negieren, entspricht dem Wunsch der Mediziner, dem Vertrauen der Patienten gerecht zu werden. Ich sehe die größte Gefahr bei der Rationierung darin, dass sie ein Tabu ist. Es ist schwierig, sie überhaupt zuzugeben", skizzierte Jeanne Nicklas-Faust, Fachärztin für Innere Medizin, Auswirkungen auf das Dreieck von Patient-Arzt-Gesundheitssystem.

Christine Ecker, Vorsitzende des Gesundheits-und Krankenpflegeverband, war über die marginale Behandlung "der Pflege" in der Diskussion nicht überrascht: "Die Pflege wird häufig übersehen, Diskussionen des Gesundheitsbereiches konzentrieren sich meistens auf die Situation im Krankenhaus, hier lamentieren wir aber auf hohem Niveau."

Einig war sich das Forum in der Wichtigkeit der Prävention. Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky dazu: "Bildungsarmut verhindert in vielen Bereichen, so auch im Bereich der Gesundheit, Erkenntnisse und Verhaltensmodifikation."

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