Das tierische Nervenkostüm erkunden

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Eine junge Frau lebt mit einem Hund und einer Katze zusammen. Sie richtet der Katze das Futter und nimmt den Hund an die Leine, um eine Runde zu spazieren. Auf einer Wiese draußen taucht ein fremder Hund auf. Die Frau lässt den ihren frei, die beiden Tiere laufen aufeinander zu und beschnuppern sich wie wild. Nach dieser Begegnung geht es wieder nach Hause, und der Hund bekommt sein Fressen. In der Zwischenzeit hat die Katze in der Wohnung eine Maus gesichtet, der sie vergeblich hinterher gejagt ist. Auf einem Bildschirm können die Besucher der aktuellen Sonderausstellung des Naturhistorischen Museums wählen, aus welcher Perspektive sie diese Video-Szene sehen möchten: aus der des Menschen, des Hundes oder der Katze.

Durch die Augen der Tiere

Die Farbwahrnehmung des Hundes ist blau-violett und gelb-grün getönt, das saftige Grün von Gras und Blättern sticht hervor. Die Dämpfe aus dem Fressnapf oder die Ausdünstungen des fremden Hundes sind hier auch ein visuelles Erlebnis. Auch die Katze sieht verlockende Gerüche in der Futterschüssel. Bei Hunden und Katzen gibt es eine enge Verbindung zwischen dem Sehen und Riechen, zudem können die Tiere Gerüche schmecken: Wenn Hunde mit dem Kiefer klappen oder Katzen Nase und Oberlippe kräuseln, befördert ihre Zunge den Geruch in Richtung einer zweiten "Nase", die sich direkt hinter den Schneidezähnen befindet (Vomeronasal-Organ). Das Gesichtsfeld der Katzen ist groß, vieles erscheint unscharf, die Farbwahrnehmung ist ebenfalls getrübt. Beide Vierbeiner haben aber eine bessere Nachtsicht als der Mensch: Hinter ihrer Netzhaut reflektiert eine Art Spiegel das Licht, wodurch das Nervengewebe noch einmal angeregt wird. Das verleiht den Tieren leuchtende Augen in der Nacht.

Ebenso gibt es die Gelegenheit, die Botschaften der tierischen Lautsprache wie in einem Quiz zu deuten: Wie vermitteln die Vierbeiner Hunger, Angst, Schmerz und Ärger oder Freude und Wohlgefühl, die Suche nach Nähe und das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit? Umgekehrt lässt sich erkunden, wie die menschliche Körpersprache von Katzen und Hunden interpretiert wird. Solche Videos, Computeranimationen und Spiele inspirieren die Besucher, die Welt einmal durch die Augen der Haustiere zu sehen. Das soll dazu dienen, ihr Verhalten besser zu verstehen, und vermittelt generell eine Haltung der Empathie gegenüber den tierischen Mitgeschöpfen. Die interaktive Ausstellung präsentiert das neueste Wissen über ihre Gefühle und Fähigkeiten, das in den letzten Jahrzehnten wissenschaftlicher Beobachtung erarbeitet wurde.

Dass Hunde und Katzen zu den engsten tierischen Wegbegleitern des Menschen geworden sind, hat eine lange Vorgeschichte. Bei den Hunden dürfte sich diese Partnerschaft bereits über 15.000 bis 20.000 Jahre erstrecken. In den Jahrtausenden davor waren manche Menschenclans eine engere Beziehung mit Wölfen eingegangen. Der Prozess der Domestizierung begünstigte die Auslese jener Tiere, die im Licht der aufkommenden Ackerbauer-Kultur am meisten auf die Menschen bezogen waren. Durch Selektion auf Zahmheit entstanden die ersten Hunde, dann folgte die Selektion auf bestimmte Eigenschaften: Zu den Jagdund Wachhunden gesellten sich im Laufe der Geschichte Kriegs-und Hütehunde, Schlitten-und Spürhunde, Rettungs-und Blindenhunde. Die Beziehung zu den Katzen erstreckt sich über 8000 bis 10.000 Jahre. Mit den ersten Getreidespeichern zog es vermehrt Mäuse in die menschlichen Siedlungen; diese wiederum zogen die Wildkatzen als Jäger nach sich. So kam die Katze mit dem Menschen zusammen. Im alten Ägypten wird sie ab dem dritten Jahrtausend vor Christus als Haustier dargestellt.

Für Hunde sind Dämpfe aus dem Fressnapf oder die Ausdünstungen eines fremden Artgenossen optisch wahrnehmbar. Auch Katzen sehen in der Futterschüssel verlockende Gerüche.

Kuscheln ist gesund

In der Wiener Ausstellung werden auch historische Exponate gezeigt: etwa die rund 12.000 Jahre alten Mumien von zwei Hundeund Löwenbabys aus dem Sibirischen Permafrost, das Hundeskelett von Ossarn (NÖ) aus einem Gräberfeld der Jungsteinzeit oder auch der präparierte Jagdhund des Kronprinz Rudolf. Heute werden Hund und Katze oft als erweiterter Teil der Familie gesehen; das menschlich-tierische Zusammensein ist zum Selbstzweck geworden. Wenn sich die Beziehung tatsächlich liebevoll gestaltet, profitieren beide Seiten. So kommt es beim Streicheln und Kuscheln zur Ausschüttung von Neurohormonen wie Oxytocin, das mit behaglichen und freudvollen Gefühlen in Verbindung gebracht wird.

Gleich zu Beginn der Ausstellung wird verdeutlicht, dass Tiere nun zunehmend für therapeutische Zwecke eingesetzt werden. Sie helfen Patienten, Senioren und Pflegebedürftigen; der Umgang mit ihnen reduziert Stress, hilft gegen Einsamkeit, baut Blockaden ab und schult sogar die motorischen Fähigkeiten. Im Kontakt mit ihnen kann man übrigens auch eine großartige Eigenschaft erlernen: Unvoreingenommenheit.

Sonderausstellung "Hund &Katz" Naturhist. Museum Wien, bis 2. April 2018 "Cat Video Festival" am 14.10. und 11.11. www.nhm-wien.ac.at

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