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Am 11. Oktober wird Wien also wählen. Nach einem Wahlrecht, das die stärkste Partei bevorzugt und große Teile der Bevölkerung ausschließt. Während der eine Missstand für viel Wirbel sorgt, ist es um den anderen erstaunlich ruhig. Obwohl der ganz Österreich betrifft: Weil das Wahlrecht an die Staatsbürgerschaft gekoppelt ist, ist jeder zehnte Mensch im Wahlalter in Österreich von der politischen Teilhabe ausgeschlossen. In Wien sind es sogar 23 Prozent.

Diese Menschen arbeiten hier, zahlen Steuern, finanzieren mit ihren Sozialversicherungsbeiträgen Pensionen. Sie ziehen Kinder groß, die zwar in Österreich geboren, aber trotzdem Ausländer sind. Sie führen Unternehmen, schaffen Arbeitsplätze. Als Argument für die enge Knüpfung des Wahlrechts an die Staatsbürgerschaft wird gerne die "Unentrinnbarkeit" genannt: Staatsbürger könnten sich dem Schicksal ihres Heimatstaates nicht entziehen, Ausländer hingegen könnten sich leicht aus der Affäre ziehen. So wurde auch schon vor der Wahlrechtsreform 1907 argumentiert, damals gegen das Wahlrecht von Arbeitern, die nicht "die Scholle gebunden" waren. Damals setzte sich das Argument aber nicht durch, das allgemeine Männerwahlrecht auch für Arbeiter wurde eingeführt.

Das Wahlrecht sei der letzte Anreiz für eine Staatsbürgerschaft, ist ein anderes beliebtes Argument. Ist die Motivation dazu zwischen 2004, als 41.600 Menschen eingebürgert wurden, und 2014, als nur mehr 7.570 Menschen die Staatsbürgerschaft erhielten, gesunken? Eher sind die Hürden gestiegen: Man muss eine nicht unbeträchtliche Gebühr zahlen, einen ebensolchen Lebensunterhalt sowie (teuer zu erwerbende) Sprachkenntnisse vorweisen. Die Chance (oder vielleicht besser: ein Vorrecht) auf Staatsbürgerschaft - und damit auf Wahlrecht -haben also die Wohlhabenden und Gebildeten.

Bei den letzten Wiener Wahlen 2010 lag die Wahlbeteiligung übrigens bei 68 Prozent. Bleibt sie so niedrig und das Verhältniswahlrecht unangetastet, könnten bei der Wahl am 11. Oktober nur 23 Prozent der Wiener im Wahlalter eine SPÖ-Alleinregierung bestimmen. Demokratie geht anders.

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