Demontage eines Messias

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Hwang Woo-Suk geht in die Geschichte ein - als tragischer Held eines Betrugsfalls ohnegleichen.

Noch vor wenigen Wochen gab er den Wunderheiler. Mittlerweile schlägt Hwang Woo-Suk selbst wie ein Ertrinkender um sich: Er sei kein Betrüger, sondern Opfer eines infamen Komplotts, wetterte der mittlerweile untergetauchte südkoreanische Klonforscher kurz vor dem Jahreswechsel. Keineswegs habe er seine als bahnbrechend gefeierte Studie über geklonte, Patienten-maßgeschneiderte Stammzellen gefälscht. Jemand anderer habe die Zellen in seinem Labor absichtlich vertauscht. "Sobald die Staatsanwaltschaft zu ermitteln beginnt, wird sie es innerhalb von zwei Tagen herausfinden", zitierte die buddhistische Zeitung "Beopbo" den 53-jährigen Tiermediziner - der weiterhin behauptet, das fragliche Experiment "jeder Zeit wiederholen" zu können.

Dass sich der schillernde "Klon-Pionier" und Nationalheld Südkoreas einmal in krude Verschwörungstheorien flüchten muss, hätte wohl niemand für möglich gehalten. Genauso wenig wie jene Betrügereien, die den Ausflüchten vorangegangen sind und die eine Untersuchungskommission der Seouler Nationaluniversität am 29. Dezember offiziell bestätigt hat. Ihre dna-Tests hatten ergeben, dass keine der elf von Hwang im Wissenschaftsjournal Science vorgestellten Stammzelllinien tatsächlich durch Klonen entstanden ist. Die Studie, die den Durchbruch auf dem Weg zur Heilung schwerer Krankheiten wie Parkinson darstellen und Gelähmte dereinst dem Rollstuhl entspringen lassen sollte, wie eine Briefmarke zu Ehren Hwangs versprach - sie sei "komplett gefälscht".

Gesponserter Betrüger

Für die südkoreanische Regierung, die den berühmten Sohn mit Millionensummen unterstützt hatte, ein große Enttäuschung - wie schon im November Hwangs Rücktritt als Professor der Universität von Seoul, nachdem er zaghaft gestanden hatte, widerrechtlich Eizellspenden von seinen Mitarbeiterinnen angenommen zu haben. Der Scientific Community erwuchs mit dem "Fall Hwang" freilich ein Desaster ohnegleichen. "Wenn die Vorwürfe stimmen, wäre es einer der größten Skandale, von denen man je gehört hat", meinte der Stammzellforscher Rudolph Jaenisch vom Whitehead Institute im amerikanischem Cambridge resigniert.

Also alles Lug und Trug? Auch jene Science-Meldung vom Februar 2004, wonach es Hwang als erstem Forscher überhaupt gelungen sei, menschliche Embryonen zu klonen - also den Kern der Körperzelle eines Menschen in eine entkernte Eizelle zu transferieren und dieses Gebilde zur Zellteilung zu bringen? Oder auch jene Meldung im britischen Fachblatt Nature vom August 2005, wonach Hwang erstmals einen Hund - "Snuppy" - geklont haben soll? Schließlich könnte er auch eine befruchtete Eizelle in einem sehr frühen Stadium geteilt und so zwei Embryonen mit identischem Erbgut erzeugt haben, meinen Skeptiker: Einen hätte er sofort einer Hündin einpflanzen können, den anderen zuerst tieffrieren - und den verspäteten Zwilling später als "Klon" des ersten präsentieren. Nur eine Untersuchung der Mitochondrien, der "Kraftwerke" der Zellen, hätte den Schwindel aufgedeckt. Doch sie fehlte in Nature.

Waren also jene unabhängigen Experten (Reviewer), die Hwangs Papier vor der Veröffentlichung in Nature prüften, auf beiden Augen blind? "Peer Review-Verfahren basieren auf dem Vertrauen, dass Forschungsergebnisse ehrlich zustande gekommen sind", rechtfertigt sich Nature-Chefredakteur Philip Campbell gegenüber der furche. Man würde oft genug über die Review-Standards bei der Veröffentlichung von Studien diskutieren - vor allem in so kontroversiellen Gebieten wie der embryonalen Stammzellforschung.

Dass einer der größten Betrugs-Skandale der Wissenschaftsgeschichte ausgerechnet einen der ethisch umstrittensten Forschungsbereiche betrifft, ist die besondere Pikanterie des "Falles Hwang". Und nicht unangenehm für die Kritiker: "Ich habe die Zukunft der Stammzellforschung ohnedies nie im therapeutischen Klonen' gesehen, bei dem Embryonen vernichtet werden", meint der Wiener Genetiker Markus Hengstschläger im furche-Gespräch. Nicht zuletzt hätten Hwangs Klon-Embryonen - wenn sie denn tatsächlich existiert hätten - nicht nur der Stammzellgewinnung dienen, sondern auch in eine Gebärmutter eingesetzt werden können. "Ein Schritt Richtung reproduktives Klonen", weiß der Forscher.

Schädliche Schadenfreude

Er selbst sieht seine Zukunft umso deutlicher im Beforschen ethisch unbedenklicher Stammzellquellen, etwa des Fruchtwassers, aus dem er im Vorjahr bereits die Alleskönner-Zellen gewinnen konnte. Offene Freude über das Scheitern des "Wunderheilers" Hwang Woo-Suk verbietet sich Hengstschläger jedenfalls. "Es könnte ja bei den Stammzellen kommen wie bei der Gentechnik", fürchtet er - "dass die Leute nicht mehr differenzieren, sondern nur noch sagen: Wir haben eh schon immer gewusst, dass die Hälfte nicht stimmt.'"

Gehrers Veto

73 Milliarden Euro hat man sich erhofft, zwischen 48 und 50 Milliarden Euro sollen es nun werden: Wie die Mittel für das 7. eu-Forschungsrahmenprogramm - für die Jahre 2007 bis 2013 und erstmals auch für Grundlagenforschung - genau verteilt werden, steht freilich noch nicht fest. Genauso wenig, ob ein Teil des Finanz-Kuchens für die umstrittene embryonale Stammzellforschung reserviert werden soll. Geht es nach Österreichs Bildungsministerin Elisabeth Gehrer, dann keinesfalls: Gemeinsam mit Deutschland, Italien, Luxemburg, Malta, Polen und der Slowakei will sie während der österreichischen eu-Präsidentschaft darauf dringen, entsprechende Forschungsprojekte aus dem gemeinsamen Fördertopf zu streichen. Schon 2002 hatte sie ihr Veto eingelegt - und ein Förder-Moratorium auf diesem Forschungsgebiet erreicht. 2003 lief diese Förder-Pause freilich aus, wobei im Anschluss nur einige wenige entsprechende Projekte finanziert wurden. Nun wagt Gehrer einen weiteren Vorstoß - und sieht den Fall Hwang als Bestätigung: "Ich habe bisher noch nicht gehört, dass die embryonale Stammzellenforschung und ihre Anwendung erfolgreich ist." DH

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