"Fall ab Herz, vom Baum der Zeit", sage ich mit Ingeborg Bachmann, deutungshell und seinsmutig zu meinem Herzen. Fall ab vom Gedanken-und Parolenbaum im Herbst eines unaufhaltsamen Wahrheitssterbens und seiner wild blühenden Empathieverweigerung. Fall heraus aus einer Wertewelt, die allem Leben die Liebe entziehen will, die nicht fragt nach dem, was sich gehört im vielfachen Sinn des Gehörens. Dieses Fallen lass dir gefallen und geschehen, es ist schon immer wie von weit und es gehört der ewigen, der einen Liebesmacht vom neuen Sein, das einmal und für immer die Welt neu gedacht hat als die beste aller Welten, in der Gott mit seinem "Es werde" der Werdendste ist und es bleibt.
"Denken Sie nicht aus einem Grund, das ist gefährlich", hatte Ingeborg Bachmann gemahnt, "denken Sie aus vielen Gründen". Lass dich nicht halten. Denke dich aus den Möglichkeitsgründen jener Daseinsmacht, die alles geschaffen hat, die sichtbare und die unsichtbare Welt. So fällst du federlicht und -leicht in die neue und dich am Ende heilende Ordnung, wenn du in den Grund aller Dinge gelangst als im Erwachen zu dir selbst, da die Fake-Existenz abgestreift ist und du dich siehst im Angesicht der Gnade. Von Grund auf weißt du jetzt, und du bist unverloren. Es wird deine persönliche Entmythologisierung sein. Die Verzauberung der einstigen Theologie war umgezogen aus ihr in das Säkulare und fand sich wieder als das Gottmenschentum in einem selbstgeschaffenen Paradies mit seinen wirtschaftstreibenden Verlockungen und bebilderten Versprechen auf Instagram und Twitter und sonst überall im digitalen Leben wie im Scheinleben.
"Fall ab Herz, vom Baum der Zeit." Durch Gottes Gnade bist du, was du bist. Im Herzen der Welt wirst du die Liebe sein und tun, worauf du in der Tiefe deines Wesens immer gewartet hast.
Die Autorin ist Pfarrerin an der Lutherischen Stadtkirche in Wien
