Der 101. Anlauf hat die besten Chancenasdasdasd
Der Druck zur Budgetsanierung ist größer und im vereinten Europa lassen sich uralte Privilegien schwerer verteidigen.
Der Druck zur Budgetsanierung ist größer und im vereinten Europa lassen sich uralte Privilegien schwerer verteidigen.
Der Leiter der Aufgabenreformkommission, Bernhard Raschauer, hat gute Arbeit geleistet. Sein umfassender Bericht lässt keinen Zweig der in Österreich wuchernden Verwaltung aus. Aber es ist sicher kein Zufall, dass gerade Österreich eine derart ausgebaute Verwaltung hat. Irgendwie entspricht es der österreichischen Mentalität: Haben nicht die Beamten durch rund 130 Jahre von Josef II. an die Monarchie zusammengehalten? Dann hat der langsam sich aufbauende Sozialstaat dieses Beamtenheer aufgesaugt, und seit 1945 erfordert der Wohlfahrtsstaat systemimmanent einen riesigen bürokratischen Apparat. Österreich hat diese Entwicklung besonders intensiv vorangetrieben und sogar - vor allem in der Ära Kreisky - das schwedische Vorbild übertroffen. Heute haben wir die höchste Beamtendichte von Europa.
Parkinson hat sich über die englische Bürokratie lustig gemacht, die nach Verlust der Herrschaft über die Weltmeere in der Admiralität mehr Beamte beschäftigte als je zuvor. Dieses Grundgesetz der Bürokratie, das Parkinsonsche Gesetz, kann man in Österreich deutlich nachvollziehen.
Raschauer schlägt nun unter anderem wieder einmal (zum 101. Mal?) vor, die kleinen Bezirksgerichte aufzulassen - ein durchaus vernünftiger Vorschlag. Diese kleinen Bezirksgerichte würden so wenig frequentiert, dass ein Gerichtstag pro Woche ausreichte. Und das Grundbuch könne man ja bald im Internet abrufen.
Die Notwendigkeit eines eigenen Bezirksgerichts war vor 100 Jahren sicher einmal gegeben, als man die nächste Stadt bestenfalls mit dem Pferdefuhrwerk erreichen konnte. Und später hatte auch nicht jeder ein Fahrrad. Heute, wo man mit dem Auto zum Supermarkt fährt oder in die Disco, ist das Argument geradezu lächerlich, man könne dem Staatsbürger nicht eine Anreise von zehn bis 20 Kilometern zumuten. Nein, darum geht es nicht: Bezirksgericht ist ein Prestigeobjekt und jeder Bürgermeis-ter empfindet es als Deklassierung, wenn sein Bezirksgericht verschwände. Darum ist er dagegen, und der Landesregierung ist das Wohlwollen der Bürgermeister - aus parteipolitischem Kalkül - wichtiger als noch so triftige ökonomische Überlegungen.
Dasselbe gilt noch stärker für ein Spital, ein Statussymbol jedes Bürgermeisters und oft auch der einzige größere Arbeitgeber. Zehn Kilometer entfernt, unterhielten Stockerau und Korneuburg bis vor kurzem Krankenhäuser mit gleichen Abteilungen und stritten sich jahrelang darum, wer welche Abteilung auflassen sollte, ebenso Mödling und Baden. Dabei sind diese Bezirksspitäler hoch defizitär und verschlingen große Teile des Gemeindebudgets. Und von der Einstellung von Nebenbahnen darf man sowieso nicht reden, auch wenn es sich oft um Geisterzüge handelt.
Grundsätzlich geht die Aufgabenreformkommission davon aus, ganze Ebenen auszuschalten. Das heißt, eher dezentral die unterste Ebene - beispielsweise die Schulen selbst - zu stärken, indem man ihr mehr Autonomie zugesteht, alle Zwischenebenen aber - wie Landeschulräte etwa - zu streichen. Ähnliches gilt auch für alle anderen Bereiche. Der Widerstand scheint vorprogrammiert. Wer lässt sich ohne Widerstand wegrationalisieren, abgesehen von Pragmatisierung und anderen wohlerworbenen Rechten?
Der gelernte Österreicher ist daher der Meinung, dass dieser 101. Versuch genauso scheitern wird wie alle anderen zuvor - solange die Länder ein Vetorecht haben. Trotzdem: Der 101. Versuch hat doch bessere Chancen. Der Druck zur Budgetsanierung ist größer geworden, im vereinten Europa lassen sich uralte Privilegien immer schwerer verteidigen. Internet und moderne Kommunikationstechnik machen vieles obsolet. Mit Recht wirft die OECD der Regierung die einnahmenseitige Budgetkonsolidierung vor. Ausgabenseitig ist aber der Abbau der Verwaltung der größte Brocken, den es zu bewältigen gilt.
Der Autor ist Leiter des Instituts für Sozialforschung in Wien.
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