Der einsame Mann in der Hofburg

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Er war ohne Zweifel ein Hoffnungsträger: Man konnte sich vorstellen, dass er eine neue, zeitgemäße Interpretation des höchsten Amtes im Staat finden würde. Damals, nach den so schwierigen Waldheim-Jahren, die - auch wenn dem Präsidenten und dem Land durch überzogene Kritik teilweise Unrecht widerfahren ist - notwendig für die Selbstfindung der Republik waren; nach der - bei allem Respekt für die Person - quasimonarchischen Amstführung von Rudolf Kirchschläger (und all seiner Vorgänger).

Thomas Klestil versprach frischen Wind, er - eine Erfindung Erhard Buseks - stand für eine Art bürgerlicher Liberalität und Weltoffenheit, die über die Stammklientel der VP hinaus wirkte. Manchen sensiblen Beobachtern war er freilich damals schon eine Spur zu eitel, zu ehrgeizig - aber seine Dynamik ließ solche Trübungen des Bildes leicht übersehen. "Schafft es Klestil?" coverte das profil, im allgemeinen nicht der VP-Wahlhilfe verdächtig, 1992 vor dem entscheidenden zweiten Wahlgang - und bündelte damit die Aufbruchstimmung.

Wir wissen, er schaffte es.

Und dann kam - vor zehn Jahren, man kann es in diesen Tagen nicht übersehen und -hören - News, das "Magazin der 90er" (Eigendefinition). Mit Klestil auf dem ersten Cover. Der Anfang einer liaison dangereuse. Zwei Dinge am Zerbrechen von Klestils Ehe waren ein öffentliches Ärgernis: dass er im Wahlkampf aus strategischen Gründen "heiles Familienleben" vorgeführt hatte; und dass er seinen Rosenkrieg über News spielte - wie die Wussows, Beckers, Glas ... Dass Klestil daraus nicht etwa gelernt hätte, sondern die Erregungsillustrierte stets als Verlautbarungsorgan nutzte, sich einen der Chefredakteureherausgeberwasauchimmer als Hofberichterstatter in Wort und Bild in allen Fährnissen des Lebens hielt, das geriet über die Jahre zu einer der zahllosen polit-medialen Unerträglichkeiten des Landes.

Zusätzlich und endgültig beschädigt hat Klestil das Amt mit seinem lavierenden Agieren rund um die letzte Regierungsbildung samt der "eisigen" Angelobung - auch wenn ihm plötzlich jene applaudierten, die sich zuvor nicht genug hatten mokieren können über den "Karrierediplomaten".

Seither ist wenig zu hören aus der Hofburg. "Chance zur Offensive" hatte die Furche ihren Kommentar übertitelt, als Thomas Klestil 1998 für eine zweite Amtszeit wiedergewählt wurde. Kaum jemand hat so viele Freiheiten, so viele Möglichkeiten, Klartext zu reden, wie ein Bundespräsident, der nicht mehr um die Gunst der Wählerinnen und Wähler werben muss. Er hätte - wie etwa Richard von Weizsäcker oder Roman Herzog in Deutschland - sein Amt dazu nützen können, unangenehme Wahrheiten auszusprechen: sozial-, sicherheits-, europapolitisch. Zu Beginn seiner Amtszeit hat Klestil das noch gelegentlich getan. Doch immer mehr fehlte ihm, so schien es, die Kraft dazu. - Am 4. November feiert Thomas Klestil seinen 70. Geburtstag. Rudolf Mitlöhner

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