Der ewige erbitterte Kampf um die guten Mütter

Werbung
Werbung
Werbung

Wie hat eine gute Mutter zu sein und wie versorgt sie ihr Kind? Diese Frage ist seit jeher hochumstritten. Die Front verläuft auch rund ums Thema Stillen.

Es braucht nichts Weiteres, um einen Sturm der Entrüstung loszubrechen, als eine Mutter, die offen zugibt: Ich stille nicht, weil ich nicht mag! Zuletzt mehrten sich solche Bekenntnisse. Nicht nur in der feministischen Emma - und selbst dort löste der Beitrag von Irina Rasimus eine heftige Gegenreaktion aus -, auch in der Zeit schreibt Silke Hohmann über die "Stille Macht" des Stillens: "Die Still-Ideologie manövriert Mütter mit emotionalen Argumenten in eine letztlich knallharte Zwangslage, aus der sich dann wie von selbst alle weiteren Details dieses Rollenmodells ergeben." Sogar in der eher konventionellen Eltern-Zeitschrift bekannte kürzlich Jung-Mutter Yvonne, dass sie nicht stillen wolle - obwohl sie wisse, wie gut Muttermilch sei.

Zurück zur Natur?

Am vehementesten argumentiert aber die französische Feministin Elisabeth Badinter in ihrem Buch "Der Konflikt. Die Frau und die Mutter" (C.H. Beck, 2010), wenn sie hinter dem Plädoyer für das Stillen ein neues Mutterideal gedeihen sieht, das nicht mehr direkt vom Patriarchat geformt wird, sondern im Namen eines Naturalismus entsteht. Die Devise bei Schwangerschaft, Geburt und Babyernährung lautet: So natürlich wie möglich. Dazu gehört laut Badinter das Stillen als eines der obersten Gebote einer "guten" Mutter: "Die wachsenden Pflichten gegenüber dem Baby und dem Kleinkind erweisen sich als mindestens ebenso starke Zwänge wie der ewige Krieg der Machos zu Hause oder am Arbeitsplatz. (...) Die sanfte Tyrannei der Mutterpflichten ist nicht neu, aber sie hat sich mit der machtvollen Rückkehr des Naturalismus deutlich verschärft."

All diesen kritischen Stimmen ist gemein: Diese Frauen spüren einen zu großen Druck, dass gestillt werden müsse, da es nachweislich das Gesündeste für das Kind, aber auch für die Mutter sei. Badinter oder Zeit-Autorin Hohmann befürchten, dass Frauen dadurch wieder allzu leicht in eine Rolle als Hausfrau gedrängt werden könnten.

Für viele Frauen, die auch auf Selbstbestimmung Wert legen, gehen diese Angriffe viel zu weit. So meint die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte Beate Wimmer-Puchinger, dass sie Badinters Buch "sehr gespalten" aufgenommen habe. "Wir müssen beides in Einklang bringen. Es gilt auch die Bedürfnisse des Kindes zu sehen." Sie sieht im Still-Plädoyer aber keine Gefahr für die Selbstbestimmung. Wer einige Wochen stille, kann dennoch bald wieder in den Beruf einsteigen. Das Stillen sei eine Potenz und Stärke der Frauen.

Anne-Marie Kern, Mitglied der Österreichischen Stillkommission, Stillberaterin und Fortbildnerin, meint: "Es geht nicht darum, Frauen das Stillen einzureden - die meisten wollen es -, sondern dass sie eine gute Beratung bekommen." Kern sieht nicht so sehr Druck, sondern Mängel bei der Beratung der Frauen.

Auch Karl Zwiauer, Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde am Landesklinikum St. Pölten und erster Vorsitzender der Österreichischen Stillkommission (diese ist für die heimische Stillförderung zuständig), sieht derzeit zu wenig aktive Maßnahmen, um das Stillen in Österreich zu fördern. Jene Gruppen, die schlechte und kurze Stillzeiten aufweisen - dies sind eher bildungsfernere Gruppen - seien nicht ausreichend erreicht worden. Er sieht aber auch die Gefahr der ideologischen Überfrachtung, etwa einer Mystifizierung. Gewisse Gruppen von Stillförderern würden damit Frauen eher abschrecken als motivieren.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung