Der Fremde und sein Wert

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Das politische Österreich verfügt offenbar in großen Teilen über ein ganz und gar ökonomisches Seelenwesen. Es kommt leutselig und ganz und gar bürgerbesorgt daher. Aber es gehorcht vollkommen den Prinzipien des Eigennutzes und seiner Maximierung. In diesen Tagen zeigt sich das eindrucksvoll in der Art, wie einzelne Politiker mit Flüchtlingen und ihrer Unterbringung umgehen. Das äußere Erscheinungsbild dieses Umgangs sind Zeltstädte. Seine politischen Exekutoren sind Gemeindevorsteher und Politiker in Land und Bund. Und das bisher Geschehene lässt Böses für die Zukunft ahnen.

Am besten lässt sich dieses Seelenleben an seinem Umgang mit einem unsere höchsten Güter beschreiben: der Gastfreundschaft. Wir sind traditionell stolz auf sie, und sie hat uns reich gemacht. Vielleicht zu reich. Denn nun messen wir den Fremden nur noch in seinem Geldwert. Jene, die zu uns kommen, können beinahe alles von uns haben, solange wir ihr Geld dafür haben können. Nehmen wir als Beispiel Bad Gastein. Es ist, so sagt die eindrucksvolle Homepage, das "Monte Carlo der Alpen". Man sollte also meinen, Bad Gastein sei reich: Tatsächlich hat es ein Casino, Kurbäder, Hotels und Restaurants, Bars und alle nur denkbaren Annehmlichkeiten für Familien, Singles, Partylöwen.

Der Fremde als sozialer Sprengstoff

Aufgrund seines Angebots verbucht Bad Gastein pro Jahr 1,18 Millionen Nächtigungen von mehr als 200.000 Gästen aus aller Herren Länder. Und das bei bloß 4000 Einwohnern. Man fühlt nichts Fremdes da, im Gegenteil, es scheint das Motto zu geben: je mehr xeno, desto besser!

Aber wehe der Gast hat nichts außer ein paar Kleidern, einer zerstörten Existenz und traumatischen Erzählungen von einer Flucht vor Mord und Krieg aufzuweisen -also keinen verwertbaren Nutzen. Vorbei ist es mit der Freundlichkeit der politisch Regierenden. Der Umgang mit Fremden gerät plötzlich zum Feindverkehr. Vergangene Woche etwa hat ein Gasteiner Hotelier angekündigt, in seiner Pension 40 Flüchtlinge aufnehmen zu wollen. Und was sagt der Bürgermeister? "Inakzeptabel", sagt er. Seine Gemeinde werde dieses Ansinnen "mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen". Die Unterbringung sei "sozialer Sprengstoff", denn in Bad Gastein gibt es schon 60 Asylwerber. Und das in einem Ort, der keine Probleme hat, 200.000 Fremde zu beherbergen.

Die Lieder von Nächstenliebe und Freundschaft

Wer zahlt, schafft an, heißt es ja. Bei solchen Politikern muss man es umdrehen: Wer nicht zahlt, verdient nichts -schon gar nicht Hilfe in der Not. Das führt zum zweiten Phänomen dieser verqueren politischen Ökonomie. Die Verdrängung der eigenen Werte. Denn ein Auseinanderklaffen ist schon bemerkenswert: Bereitwillig betet die eine Seite dieser Amtsträger die Nächstenliebe in der Kirche nach. Die anderen singen auf Parteitagen das Lied von der Freundschaft der Völker und der Solidarität. In ihren Amtsstuben aber erleiden sie eine ethische Amnesie und vergessen sind sämtliche Werte, die höher stehen als die Kanalgebühr. Gut möglich, dass das ein Erbe jener Jahren ist, in denen Asylwerber als Gewalttäter und Schmarotzer kriminalisiert wurden. In denen SP und VP Jörg Haider bekämpften, indem sie seinen Forderungen nachgaben.

Aber die Schattenkosten dieses Vorgehens können auch für die Politiker heute noch schlagend werden. Dann nämlich, wenn die Wähler selbst nach dem Eigennutzprinzip vorgehen und fragen, was diese Politik eigentlich gebracht hat -außer Misstrauen und Angst vor allem und allen da draußen; wenn die Wähler erkennen, dass als Ausfluss dieser Selbstverhetzung heute Hunderte, die nur Schutz suchen, vor unseren Häusern, in unseren reichen Städten im Schlamm hausen müssen. Was, wenn sie dann endlich nach dem charakterlichen Wert jener fragen, die das alles politisch zu verantworten haben? Wehe ihnen.

oliver.tanzer@furche.at | @olivertanzer

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