"Der ist halt etwas schwächer"

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Lernt mein Kind genug, wenn es gemeinsam mit behinderten Schülerinnen und Schülern in einer Klasse sitzt? Das Buch "Behindern Behinderte" versteht sich als Beitrag zur Versachlichung der Diskussion.

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Lernt mein Kind genug, wenn es gemeinsam mit behinderten Schülerinnen und Schülern in einer Klasse sitzt? Das Buch "Behindern Behinderte" versteht sich als Beitrag zur Versachlichung der Diskussion.

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Für behinderte Kinder ist der Besuch einer Integrationsklasse in doppelter Hinsicht förderlich: ihre Fähigkeiten werden entwickelt, und die Schule ist ein Weg aus der sozialen Isolation.

Doch beeinträchtigt umgekehrt ein "Integrierter" nicht den Fortschritt oder die Leistung der übrigen Schüler? Viele Eltern müssen sich - oft unfreiwillig - dieser Frage stellen, und machen sich dabei Sorgen, ob es dem eigenen Kind auch guttut, wenn es einen behinderten Mitschüler hat.

Seit 1984 wird in Österreich integrativer Unterricht betrieben. Dem Schulversuch im burgenländischen Oberwart folgten bald weitere Klassen in den anderen Bundesländern, bis die Integration behinderter Kinder 1993 als Aufgabe der Volksschulen schließlich gesetzlich verankert wurde.

Die Integration in der sogenannten Sekundarstufe I (fünfte bis achte Schulstufe) ist seit Dezember 1996 die gesetzlich festgeschriebene Aufgabe der Hauptschulen und der Unterstufen des Gymnasiums.

Gleiches Niveau Der Autor beschreibt in seinem Buch nicht nur genau die Vorgangsweise und den Gegenstand seiner Untersuchungen und gibt einen ausführlichen Einblick in die Ergebnisse. Er liefert darüber hinaus eine genaue Beschreibung des gegenwärtigen Standes des Integrationsunterrichtes und einen Überblick über seine bisherige Entwicklung.

Ewald Feyerer ist seit 1989 in der wissenschaftlichen Begleitung der Integrationsversuche in Oberösterreich tätig. Er hatte gemeinsam mit anderen Wissenschaftern die Aufgabe, Rahmenbedingungen, sowie didaktische und methodische Fragen zu erproben und auszuwerten.

Dank eines konkreten Beispiels ist es für den Leser dieses Buches möglich, sich Einblick in den Alltag einer Integrationsklasse zu verschaffen, ohne sich in die Schule begeben zu müssen. Der Autor beschreibt im Buch eine Fallstudie, die er mit Hilfe von Interviews und der Beobachtung einer Schulklasse durchführte.

Ewald Feyerer und seine Kollegen haben herausgefunden, daß die nicht behinderten Mitschüler in ihren Leistungen nicht beeinträchtigt wurden und das Wissensniveau gleich war, wie in vergleichbaren Klassen ohne integrativen Unterricht.

Auf die zusätzlichen Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen in Integrationsschulen, müssen Schüler herkömmlicher Klassen jedoch verzichten. Der Autor hat herausgefunden, daß im Unterricht wesentlich mehr auf die einzelnen Schüler eingegangen wird. Dadurch fühlen sie sich im allgemeinen wohler als in anderen Schulen, ganz zu schweigen von der Möglichkeit des sozialen Lernens.

Befragt und beobachtet hat Ewald Feyerer alle Betroffenen. Lehrer, Eltern, die Schulleitung, Schüler und ihre behinderten Mitschüler. "Da kann man gar nicht sagen, daß von einer Behinderung gesprochen wird", sagt die Mutter eines nicht behinderten Schülers über den Umgang der Lehrer und Mitschüler mit den integrierten Kindern: "... der ist halt schwächer, und der kann halt das nicht, ... ohne, daß er irgendwie abgestempelt wird..."

BEHINDERN BEHINDERTE?

Von Ewald Feyerer.

Studien Verlag, Innsbruck 1998.

208 Seiten, öS 268,

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