Der Kaiserschnitt - von der Notoperation zur Geburtsalternative

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Die Kaiserschnittsrate stieg in den letzten Jahren stark an: 2006 kamen in Österreich 25,8 Prozent aller Kinder per Kaiserschnitt (Sectio caesarea, operative Entbindung) zur Welt, zehn Jahre davor waren es 13 Prozent. In Deutschland beträgt der Wert 2005 bereits 28 Prozent, zehn Jahre davor 18 Prozent. In manchen Staaten und gesellschaftlichen Schichten ist er noch höher. Die Sectio-Rate variiert von Klinik zu Klinik.

Die WHO empfiehlt eine Sectio-Rate von zehn bis maximal fünfzehn Prozent. Das würde all jene Fälle umfassen, bei denen ein Kaiserschnitt das Leben und die Gesundheit von Mutter und/oder Kind rettet bzw. schützt. Zu unterscheiden sind primärer und sekundärer Kaiserschnitt. Ersterer steht schon vor der Geburt fest, zweiterer wird während der Geburt entschieden.

Indikationen werden unterschieden nach absolut und relativ: Absolute Indikationen für einen Kaiserschnitt sind: Querlage, absolutes Missverhältnis zwischen kindlichem Kopf und mütterlichem Becken, Beckendeformitäten, (drohende) Uterusruptur, Plazenta praevia (vor dem Muttermund liegend), vorzeitige Plazentaablösung, fetale Azidose (Übersäuerung, Hinweis auf Sauerstoffmangel), Amnioninfektionssyndrom (Fruchtwasserinfektion), Nabelschnurvorfall, Eklampsie und HELLP-Syndrom (schwere Stoffwechsel- und Gerinnungsstörungen). Diese Indikationen machen laut Deutscher Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (2006) weniger als zehn Prozent aller Schnittentbindungen aus. Bei 90 Prozent liegen relative Indikationen vor, die ein Abwägen der Risiken für Mutter und Kind erfordern und in der Fachwelt umstritten sind: Beckenendlage, geschätztes großes Kind (über 4500 Gramm), Verdacht auf relatives Missverhältnis zwischen Kindsgröße und mütterlichem Becken, Mehrlingsschwangerschaft, frühe Frühgeburten, Status nach Sectio, pathologisches CTG, zu lange Geburt, Geburtsstillstand, mütterliche Erschöpfung, psychische Ursachen wie traumatisch erlebte vorangegangene vaginale Geburt. Eine Geburt ohne "medizinische Indikation" wird in der öffentlichen Diskussion "Wunschkaiserschnitt", in der Fachwelt "elektive Sectio" genannt. Mögliche von der Frau/den Eltern genannte Gründe: Ängste vor den Schmerzen und einer Verletzung des Beckenbodens (z.B. durch Geburtsberichte anderer); Planbarkeit, Sicherheitsdenken.

Die Operationstechniken für eine Sectio haben sich in den letzten Jahren weiterentwickelt und operative Risiken wurden gesenkt. Dennoch: Mögliche Komplikationen können wie bei jeder Operation während, kurz nach und länger nach der Geburt bei Mutter und/oder Kind auftreten. Auch bei einer vaginalen Geburt können unterschiedlichste Komplikationen auftreten, die kurz- oder langfristige Folgen haben. (5,4 Prozent aller Geburten wurden 2006 mit Hilfe einer Zange oder einer Saugglocke beendet).

Mögliche Probleme körperlicher Natur nach einer Sectio: Anästhesie-Risiken, Anpassungsprobleme des Kindes, Stillschwierigkeiten, Wundheilungsstörungen, langfristige Narbenprobleme. Bei Folgeschwangerschaften, bisher sehr selten, aber im Ansteigen und lebensbedrohlich: Uterusruptur; Plazenta accreta/increta (Mutterkuchen mit Narbe verwachsen). Psychischer Natur unter anderen: Verzögerter und/oder problematischer Aufbau der Mutter-Kind-Beziehung; Vermissen des Geburtserlebnisses, Versagensgefühle. bog

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