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Um das neue Psychologengesetz ist ein heftiger Streit zwischen Politikern und Berufsgruppen entbrannt: Wer darf psychische Leiden behandeln und wer nicht?

Das geplante neue Psychologengesetz von Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) zieht 0einen tiefen Graben zwischen die betroffenen Berufsgruppen: Die Psychotherapeuten und Psychiater orten eine massive Benachteiligung gegenüber den Psychologen. Sie kritisieren, dass im Gesetzesentwurf nicht klar unterschieden werde zwischen klinisch-psychologischer Behandlung und Psychotherapie. "Dann könnten klinische Psychologen psychische Störungen behandeln, obwohl sie dazu nicht qualifiziert sind“, befürchtet Eva Mückstein, Präsidentin des Verbandes für Psychotherapie (ÖBVP). Denn bei komplexen psychischen Störungen wie Depressionen, Panikattacken oder Persönlichkeitsstörungen sei nur eine Psychotherapie hilfreich, betont Mückstein, die selbst auch Psychologin ist. "Eine, klinisch-psychologische Behandlung‘ gibt es in keinem einzigen EU-Land“, kritisiert Mückstein.

Das Recht zur Diagnose

Die Psychiater wiederum befürchten, dass künftig nur mehr klinische Psychologen Diagnosen zu psychischen Krankheiten stellen dürfen: "Das würde bedeuten, dass Fachärzte für Psychiatrie zuerst einen Psychologen um die Diagnose ihres Patienten bitten müssten“, sagt Psychiater Stephan Doering, Vorstand der Uni-Klinik für Psychoanalyse und Psychotherapie an der Med-Uni Wien. "Um einzuschätzen, ob jemand an einer Depression leidet, und um die richtige Therapie zu planen, braucht es aber einen Psychiater oder Psychotherapeuten“, so Doering.

Beim Bundesverband der Psychologen (BÖP) hält man die Befürchtungen der Psychotherapeuten und Psychiater für "haltlosen Unfug“: "Jeder weiß, dass klinische Psychologen keine Psychotherapie machen dürfen. Das neue Gesetz ändert daran nichts“, so Vizepräsident Cornel Binder-Krieglstein. Schon in den letzten 20 Jahren hätten die klinischen Psychologen diagnostiziert und behandelt. "Die wahre Angst der Psychotherapeuten ist, dass sie sich zu spät in die Diskussion um das neue Gesetz eingeklinkt haben, und nun nicht mehr mitreden dürfen bei den Sozialversicherungsleistungen“, meint Binder-Krieglstein.

Nur SPÖ-Gesundheitssprecherin Sabine Oberhauser und ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger sind sich einig: Nach 22 Jahren sei es an der Zeit, das Psychologengesetz zu modernisieren. Die Eckpfeiler des neuen Gesetzes: Eine österreichweit einheitliche Studienstruktur mit Bachelor- und Masterabschluss, eine stärkere Differenzierung zwischen den Berufsbildern Klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie, eine praxisnähere Fachausbildung, bessere Arbeitsbedingungen während der Ausbildungszeit und verpflichtende Fortbildungen. "Nach dem Gesetzesbeschluss wird es laufend einen Beirat geben, wo Experten gemeinsam mit dem Ministerium nachjustieren können“, so Rasinger. Das neue Gesetz soll bisherige Lücken schließen: "Bisher konnten Psychologen auf ihre Tafel, Kinderpsychologe‘ schreiben, ohne je Kinder betreut zu haben.“

"Durchpeitschen“ des Gesetzes

Der Grüne-Gesundheitssprecher Kurt Grünewald kritisiert das "Durchpeitschen“ des Gesetzes noch vor den Nationalratswahlen im Herbst: Die Begutachtungsfrist für das neue Gesetz endet schon am 24. Juni - einen Tage später soll es im Ministerrat sein. "So können nicht mehr alle Stellungnahmen von Experten gehört werden“, sind auch die Psychotherapeuten verärgert. Der Gesetzesentwurf sei zwischen SPÖ und ÖVP paktiert.

Die Kompetenzen der Psychologen würden sich durch das neue Gesetz nicht ändern, betont Rasinger: "Schon heute betreuen einen Psychologen, wenn man in ein Spital eingeliefert wird.“ Mit dem psychologischen Kriseninterventionsteam im Spital hat die Niederösterreicherin Karin Eder allerdings keine guten Erfahrungen gemacht: Als ihr Sohn nach einem Autounfall mit lebensgefährlichen Verletzungen eingeliefert wurde, bekam Eder zwei Psychologinnen zur Seite gestellt. "Die beiden Frauen waren total überfordert: Sie haben nur gesagt, wie furchtbar die Situation ist, und sind mir mit betroffenen Mienen schweigend gegenüber gesessen. Das hat mich noch zusätzlich belastet.“ Weil Eder ausgebildete Diplom-Mediatorin ist, fiel ihr die mangelnde Professionalität der psychologischen Betreuung auf.

Die Rolle der Krankenkassen

Die renommierte Psychoanalytikerin Rotraud A. Perner meint, den Psychologen gehe es vor allem darum, ihre Gespräche als "psychologische Behandlung“ mit den Krankenkassen verrechnen zu können. Ohne die nötige Qualifikation andere Berufsgruppen zu verdrängen, sei eine unethische Standespolitik: "Genau das ist in der Nacht vor der parlamentarischen Beschlussfassung der Gewerbenovelle 1989 passiert: Die Psychologen haben den heutigen Lebens- und Sozialberatern die Berufsbezeichnung, psychologische Berater‘ weggenommen. Und das, obwohl sie nicht zur Beratung qualifiziert sind.“ Perner befürchtet, dass so eine "Nacht- und Nebelaktion“ nun wieder passieren könnte.

Denn im Kampf um das Recht zur Behandlung geht es um viel Geld: Rund 900.000 Österreicher erhalten wegen psychischer Leiden Leistungen der Krankenkassen - 840.000 bekommen Psychopharmaka verschrieben. Derzeit ist die klinisch-psychologische Behandlung keine Kassenleistung: "Wenn bei einem Kind ein Aufmerksamkeitsdefizit festgestellt wird, müssen die Eltern die Behandlung selbst bezahlen“, kritisiert Psychologe Binder-Krieglstein. Für psychotherapeutische Behandlungen gibt es zwar ein bestimmtes Kontingent an kassenfinanzierten Leistungen. Die Wartelisten dafür sind allerdings lang.

Am Montag haben die Psychotherapeuten und Psychiater ihre Einwände bei einem Experten-Hearing im Parlament vorgebracht. Welcher Gesetzesentwurf letztlich umgesetzt wird und was das für die Praxis bedeutet, ist noch offen. Im schlimmsten Fall würde sich der Spruch des Wiener Tiefenpsychologen Hans Strotzka bewahrheiten: "Der beste Therapeut ist noch immer ein Barkeeper, Priester oder guter Freund.“

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