Der kleine Sprung in allem

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Ich komme gerade vom Geburtstagsfest meines ältesten Bruders. Geschwister sind ja oft jene Menschen, die einen am längsten im Leben begleiten. Man muss sich das ab und zu bewusst machen. Sie sind eine unausweichliche und permanente Herausforderung und -wenn es gut geht - Inspiration. Wenn sie dann auch noch im ähnlichen beruflichen Feld unterwegs sind, verdichtet sich das nicht unerheblich.

Das Geburtstagskind ist professionell Philosoph und aus Leidenschaft Priester. Für die abendliche Tischrunde sollte jeder und jede einen Aphorismus beisteuern. Die Nichte spielte mit des Onkels Heidegger-Schwerpunkt und zugleich mit seinem manifesten Hang zur bestenfalls selektiven Anerkennung von Autoritäten und wählte Hannah Arendt: "Niemand hat das Recht zu gehorchen." Wie wahr.

Der dritte Bruder traf den unfestgestellten Kern der Philosophie gleich mehrfach: "Philosophen sind meist unterschiedlicher Meinung, aber auch da würden einige widersprechen." Die Schwester wies darauf hin, was das Leben alles noch mehr brauche als Denken -einfach nur wahr.

Existenziell, ja fast metaphysisch dann, wie es sich gehört, die Aphorismen der Theologen. "There is a crack in everything. That's how the light gets in": Leonhard Cohens anarchistische Mystik des kleinen Sprungs in allem können Sie, wenn Sie wollen und weit gehen, gar als Auferstehungsmetapher lesen. Wozu des Religionspädagogen kompakter eschatologischer Schluss-Satz passte: "Die Stunde schlägt. Alles."

Die Festmesse fand denn auch in der Friedhofskapelle statt. Wer sagt denn, dass Philosophie keine fröhliche Wissenschaft und Theologie nicht realistisch sein kann? Es war ein sehr schöner Geburtstag. Ich verdanke meinen Geschwistern viel. Das sei hier einmal öffentlich bekannt.

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