Der neue Spielplatz für Sprachjongleure

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Emoticons und Emojis sind fixer Bestandteil vieler Mails und SMS. Über Online-Kommunikation zwischen Augenzwinkern und Bösartigkeit.

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Emoticons und Emojis sind fixer Bestandteil vieler Mails und SMS. Über Online-Kommunikation zwischen Augenzwinkern und Bösartigkeit.

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Die drei Affen, die sich Augen, Mund und Ohren zuhalten, lachende Katzen, oder auch Obst und Gemüse: Die kleinen bunten Bildchen, die per SMS, E-Mail und WhatsApp verschickt werden können, bereichern die Sprache in der Online-Kommunikation. Emojis - wie die japanischen Bilder heißen -machen heute den amerikanischen Emoticons, die bereits 1982 ihren Siegeszug um die Welt antraten und deren Urform das Smiley :-) ist, erhebliche Konkurrenz. Doch nicht nur bunte Bildchen und Piktogramme unterscheiden die Art, wie wir online miteinander kommunizieren, vom persönlichen Gespräch oder dem klassischen Brief. Glaubt man dem Sprachwissenschaftler David Crystal, handelt es sich überhaupt um eine ganz eigene Sprache, die wir benutzen, sobald wir über das Internet in Kontakt treten. In seinem jüngsten Werk "Das kleine Buch der Sprache" postuliert er sogar, dass wir die Online-Sprache getrennt von unserer Muttersprache erlernen können - und etwa für E-Mails, Chats oder SMS-Nachrichten jeweils andere Sprachen verwenden.

Helmut Gruber vom Institut für Sprachwissenschaft an der Universität Wien kann diese Ansicht indes gar nicht teilen. "David Crystal ist ein bekannter Linguist, aber seine Theorie, dass man die Online-Sprache separat erlernt, ist nicht wirklich haltbar", kritisiert er im FURCHE-Gespräch.

Wort-und Lautspiele

Anders als Crystal betrachtet der Linguist Gruber die Eigenheiten der Online-Kommunikation lediglich als Abwandlung der Standardsprache. "Abkürzungen und andere sprachspielerische Elemente werden gerne verwendet: Sie wirken lustig, sind aber auch ein so genanntes 'In-Group-Merkmal', mit dem sich Gruppen voneinander abgrenzen können," erklärt er den Reiz dieser Variante. Im Rahmen einer jüngsten Facebook-Umfrage an seinem Institut sei deutlich geworden, dass Menschen mit diesen Abkürzungen vielfältigste, subjektiv aufgeladene Bedeutungen verbinden.

Die Lust am Hantieren mit der Sprache ist jedenfalls kein Phänomen des Online-Zeitalters: Stimmimitationen, Wortspiele oder Buchstabenrätsel sind seit jeher beliebt. Man kann aber auch die kleinsten Teile der Sprache zum Spielen verwenden: die Buchstaben und Laute. Auf die Spitze getrieben haben es Schriftsteller wie der Franzose George Perec, der im Roman "La Disparition" komplett auf das "E"(den häufigsten Buchstaben im Französischen) verzichtete oder Ernst Jandl, der sein Gedicht über Ottos Mops nur mit dem Vokal "O" bestritt. Das Internet und die SMS fördern diese Spielfreude noch, denn in der Kürze liegt bekanntlich die Würze. Nur 140 Zeichen müssen für eine Nachricht auf Twitter reichen: Wer da Aufmerksamkeit erregen will, muss kreativ werden. Aber auch die SMS ist -mit nur 160 Zeichen -eine beliebte Spielwiese. Bei "SMS-Gedichtwettbewerben" entstehen immer wieder poetische Werke, die große Gefühle und kleine Scherze transportieren. Sprachforscher Crystal erwähnt hier ein Beispiel aus Australien: "quik hurry up & txt me /tell me u luv me /tell me how much u want me /tell me im da 1 /oops wrong prsn / i sent it 2 my mum" /("schnell schreib mir 1 SMS /sag mir wie du mich liebst / sag mir wie ich dir fehle /sag mir ich bin deine Nummer 1 /huch falscher empfänger /habs an meine mutter geschickt").

Zur nötigen Zeichenbeschränkung kommt noch die Herausforderung, die Textzeilen kürzer als die Displaybreite des Handys zu halten, um die Lesbarkeit des Textes zu verbessern. Da sind Emoticons und Emojis praktisch, da die Bildchen Emotionen auf den Punkt bringen. "Sie sind grundsätzlich eine Spielerei und wurden mit der Idee entwickelt, den emotionalen Gehalt einer Nachricht auszudrücken", so Gruber. Mitte der 1990er Jahre gab es bereits ganze Listen von Emoticons. Seither hat sich der spielerische Aspekt der Bildchen noch verstärkt: Die Kombinationen aus Satzzeichen wurden in Japan zu Grafiken (Emojis) umgewandelt, die schließlich über die ganze Internet-Welt schwappten. "Emojis und Emoticons haben den Vorteil, dass sie die Kommunikation beschleunigen können", so Gruber. "Aber ich bezweifle, dass Nachrichten, die komplett aus diesen Bildern bestehen, wirklich eindeutig sind."

Ironie und Sarkasmus

Das Phänomen der Ungleichzeitigkeit kommt bei der Online-Kommunikation noch erschwerend hinzu: Schließlich kann man nicht davon ausgehen, dass das Gegenüber die Nachricht oder den Beitrag gleich liest. Spannend sind hier Online-Foren, in denen Nutzer miteinander diskutieren, die sich noch nie gesehen haben und wahrscheinlich auch niemals sehen werden. Niku Dorostkar vom Institut für Sprachwissenschaft der Uni Wien hat etwa das Online-Forum des Standard (derstandard.at) erforscht.

Sein Befund: Online-Foren sind häufig von Ironie und Sarkasmus geprägt - und von selbstreferentiellen Beiträgen. Immer wieder kommentieren Nutzer etwa die Sprache und Rechtschreibung vorhergehender Beiträge; eingehende Diskussionen über die Sprache entwickeln sich aber selten. Vielmehr sind Humor und Sprachspielereien sehr beliebt: Wenn etwa jemand seinen Vorredner kritisiert und das besonders humorvoll oder mit Sprachwitz tut, erhält er oft gute Kritiken zu seinem Kommentar. Nicht selten arten die Diskussionen aber auch in Beleidigungen aus. Die Netikette - also der Verhaltenskodex für das Internet und seine Teilbereiche - sollte dies zwar verhindern, doch gerade in Zeitungs-Foren halten sich die User nicht daran. "Das Problem ist, dass die Nutzergruppen, die sich in diesen Foren unterhalten, zu heterogen sind und es zudem an Moderation mangelt", weiß Dorostkar. Er schlägt vor, die Moderation den Nutzern selbst in die Hand zu geben, da sie oft strenger seien als externe Moderatoren.

Umgang mit Hass-Postings

Helmut Gruber erklärt die mangelhaften Manieren im Internet - bis hin zu Hass-Postings - damit, dass die Reaktionen auf Nachrichten umso heftiger ausfallen, je weniger man vom Gegenüber weiß. Viele schlagen deshalb einen Klarnamen-Zwang (wie ihn etwa Facebook bereits implementiert) vor, um aggressives Verhalten einzudämmen. Die Idee dahinter ist, dass Anonymität die Hemmschwelle herabsetzt und man sich eher zurückhält, wenn man klar kenntlich gemacht wird. Dagegen spricht, dass es viele Vorfälle gab, wo Personen auch unter ihren Klarnamen aggressive Kommentare posteten.

Viele Foren nutzen heute Filter, die rassistische und diskriminierende Postings löschen sollen. Doch sie können leicht umgangen werden. "Da werden die Verfasser oft sehr kreativ und chiffrieren gefilterte Worte so, dass der Filter sie nicht mehr erkennen kann", betont Dorostkar. Zudem würden Sonderzeichen, wie etwa das Sternchen, verwendet. Diese Zeichen kommen aber auch zum Einsatz, um Aufmerksamkeit zu erhaschen: Die optisch auffälligen Satzzeichen sollen den Blick der User auf den Kommentar lenken. Besonders beliebt sei die Phrase *Ironie off*, bemerkt Dorostkar. Emoticons wie der klassische Smiley dagegen sind in Online-Foren selten: "Vielleicht werden sie nicht als seriös wahrgenommen", vermutet Dorostkar. Vielleicht gelten sie manchen mittlerweile aber auch schlicht als einfallslos und überholt. Alles hat eben seine Konjunktur - auch die Spielereien der Sprache.

Das kleine Buch der Sprache

Von David Crystal. Atlantik Verlag 2015.

288 Seiten, geb., € 22,70

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