Der Reichtum und der Tod

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Der Wohlstand Europas beruht auf der Chancengleichheit seiner Bürger und ihrer Rechtssicherheit. Die Politik nach der Zypernkrise widerspricht beidem gefährlich.

Es ist kein Zufall, dass Plutos, der Gott des Reichtums und Plutos, der Gott der Unterwelt, in der griechischen Mythologie gleichen Namens sind. Der erste verschüttet - geblendet von Zeus - die Güter aus seinem Füllhorn wahllos über einzelne Menschen, ungeachtet ihrer Vorzüge oder Laster. Der andere zwingt ebenso wahllos Alte und Junge, Blühende und Hinfällige, Arme wie Reiche ins Totenreich hinab, wo ihre Geister in lichtloser Verzweiflung leben müssen. Beide kennen weder Moral noch Gesetz, und von beiden geht ein ähnlich starker Sog aus. Man sagt nicht umsonst, dass der Tod die Menschen "hinwegrafft“ und der Reiche in Raffsucht lebt. Sowohl Tod als auch Reichtum unterhalten dazu noch eine enge Verbindung mit der Angst: Selbst der froheste Mensch scheint den Tod am meisten zu fürchten, der Reichste unter ihnen aber leidet mehr unter der Sorge vor Diebstahl und Raub als an allen Krankheiten.

Der Reichtum hat freilich durch die Gesetze einer auf Chancengleichheit ruhenden Gesellschaft eine entscheidende Wendung erfahren. Rechtssicherheit vorausgesetzt, sollte es jedem Bürger möglich sein, wenn nicht schon vom Tellerwäscher zum Millionär zu werden, so doch zu etwas Vermögen zu gelangen.

Der Weg zum Wohlstand

Das machte Plutos, den Güterspender, gleichsam sehend: Die harte Arbeit wird zur Reichtumsbedingung - der Lohn daraus eine angenehme Lebensform - der "Wohl“-Stand. Der Weg zu diesem ersehnten Leben führt wie selbstverständlich über das Sparen - und daher zur Bank. Die Vorarlberger beispielsweise sind republikweit führend in diesem Punkte - indem sie im Durchschnitt 192 Euro ihres monatlichen Einkommens auf ihr Sparkonto legen. Monat für Monat addiert, hätte ein Vorarlberger in etwa 42 Jahren ein Vermögen von 100.000 Euro beisammen oder: ein Einfamilienhaus. Ist er deshalb reich und raffsüchtig? Niemand würde das behaupten. Oder doch? Es scheint fast so, wenn man die aktuellen Vorschläge der EU-Finanzminister betrachtet. Demnach sollen jene, die über 100.000 Euro auf der Bank liegen haben, "mitbeteiligt“ werden, wenn ihre Bank "abgewickelt“ werden muss, was unwattiert soviel heißt wie "für die Pleite zahlen“.

Eine Frage der Schuld

Halten wir dem das Durchschnittsvermögen des österreichischen Bürgers entgegen, das laut einer Studie im Auftrag der Credit Suisse bei 139.000 Euro liegt - so sehen wir, dass hier nicht nur Millionäre die Geschröpften sein könnten, sondern auch die vielgenannten "Omas“, deren Vermögen die Politiker Österreichs angeblich so standhaft verteidigen.

Da liegt der Hund begraben: Hier geht es nicht mehr um Spekulanten und auch nicht um zyprische Banken, die ihre Anleger über blankes Zocken mit Kapitalgewinnen bis zu 30 Prozent versorgten. Dort wurden die Einzahler nach reichem Lohn ebenso reichlich bestraft. Aber nicht alle Banken kommen aus Verantwortungslosigkeit in Schwierigkeiten, nicht alle Anleger gehen soviel Risiko ein. Deshalb ist die Ausdehnung des Zockerbanken-Prinzips auf alle Geldinstitute widersinnig. Die Folgen sind abzusehen: Die Reichen werden in Zukunft viele Konten über je 99.000 Euro auf mehreren Banken in mehreren Ländern besitzen und so unangreifbar bleiben. Jene, die diese Winkelzüge nicht beherrschen, werden bestraft: Etwa die Omas.

Dabei sind gerade sie die Repräsentanten des "vorsichtigen“ Reichtums. Bei ihnen hat Plutos seine Gaben nicht verschüttet. Sie haben ihn vielmehr durch Arbeit und Verzicht genötigt, ein wenig davon aus dem Pantheon heruntertröpfeln zu lassen. Europa sollte sie belohnen, anstatt sie wie Millionärs-Kunden von Casino-Banken zu behandeln. Und so verstaubt ihre Anlageformen auch scheinen: Ihr Weg ist der geeignetste, um die Negativspirale zu beenden, an deren Ende Plutos nicht in der Gestalt des Reichtums, sondern als Totengott warten würde.

oliver.tanzer@furche.at

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