Der Scheidungshorror wird auf Jahre fortgesetzt

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Ein Familienbild, nachdem eine Ehe auch erhalten werden soll, wenn sie gescheitert ist, hat die Regierung zu einem Gesetz bewegt, das die gemeinsame Obsorge zum Regelfall macht.

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Ein Familienbild, nachdem eine Ehe auch erhalten werden soll, wenn sie gescheitert ist, hat die Regierung zu einem Gesetz bewegt, das die gemeinsame Obsorge zum Regelfall macht.

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Wenn sich die Eltern auch nach der Trennung gut verstehen, braucht es keine gerichtlich verordnete Maßnahme, um das Kind in gemeinsamer Verantwortung zu erziehen. Wenn sie sich nicht verstehen, bedeutet eine gemeinsame Obsorge eine unzumutbare Verlängerung der Streitigkeiten - schluss-endlich auf dem Rücken der Kinder.

Menschen finden zueinander, verlieben sich, leben zusammen, heiraten, bekommen Kinder. Das ist sehr schön. Und ist - auch bei all den vielfältigen Lebensformen und Menschen, die nicht jeden dieser Schritte vollziehen wollen und auch nicht müssen - die häufigste Form der zwischenmenschlichen Beziehungen.

Dazu gehört aber auch der sogenannte familiäre Alltag. Das häufigste Schema ist hier: Frauen putzen, Frauen waschen, Frauen bügeln, Frauen machen mit den Kindern Hausaufgaben, Frauen gehen mit ihnen zum Arzt und vieles mehr. Kurz gesagt: Frauen erledigen den Großteil der sogenannten familiären Versorgungsarbeit. Nach Zahlen des Österreichischen Statistischen Zentralamtes beschäftigen sich voll erwerbstätige Frauen täglich durchschnittlich eineinviertel Stunden mit ihren Kindern, wobei eine halbe Stunde für Versorgungsarbeiten aufgewendet werden. Väter kommen nur auf eine halbe Stunde täglich, in der sie hauptsächlich mit den Kindern spielen.

Werden solche Partnerschaften geschieden, funktioniert eine gemeinsame Erziehung auch nach den bestehenden Gesetzen. Wichtige Entscheidungen werden selbstverständlich abgesprochen und per Vollmacht kann der Vater auch offiziell Verantwortung übertragen bekommen.

Die allermeisten Männer allerdings sind nicht dazu bereit, sich bereits während der Ehe in gleichwertiger Form um ihren Nachwuchs zu kümmern. Sie verlassen sich darauf, dass die Frauen das erledigen. Und das geht meistens auch jahrelang gut - für die Männer. Die Tatsache, dass die meisten Scheidungen von Frauen eingereicht werden, ist gewiss auch vor diesem Hintergrund zu sehen. Eine klare Regelung ist für alle Betroffenen eine oft lange herbeigesehnte Beendigung eines emotionalen und rechtlichen Schwebezustands, der es den Frauen und ihren Kindern ermöglicht, zur Ruhe zu kommen und sich in dieser neuen Lebenssituation zurechtzufinden.

Das von Männern oft beschworene Recht des Kindes auf beide Eltern ist ein Recht, das diese bereits in der bestehenden Ehe haben sollten, aber nur allzu oft nicht bekommen. Ein Großteil der Väter nimmt es mit ihren auch schon bisher vorhandenen Besuchsrechten nicht sehr genau. Ihr oft feststellbares Nichtvorhandensein schon während der Ehe setzt sich auch nach der Scheidung fort.

Für manche Väter allerdings bedeutet eine Scheidung zugleich auch einen manchmal schwer zu verkraftenden Machtverlust und damit verbundene persönliche Gekränktheit. Ein Familienbild, nachdem eine Ehe selbst dann erhalten werden soll, wenn sie bereits gescheitert ist, hat die derzeitige Regierung offensichtlich dazu bewegt, ein Gesetz zu verabschieden, das die gemeinsame Obsorge auch nach einer Scheidung zum Regelfall machen soll. Und zwar so, als wäre die Ehe noch aufrecht; und zwar auch wenn sich die Eltern nahezu nirgends auf gemeinsame Entscheidungen einigen können. Nur der/die RichterIn könnte diese vielen Probleme durch Beendigung der "Gemeinsamen Obsorge" lösen. Welchen Nutzen dieses Gesetz hat, ist mir - und vielen anderen, die sich in der Plattform "Für das Recht des Kindes auf klare Verhältnisse nach der Trennung" zusammengeschlossen haben - schleierhaft. Der Schaden allerdings liegt auf der Hand: Der Scheidungshorror wird damit prolongiert. Im Extremfall bis zur Volljährigkeit des Kindes.

Die Autorin ist Bereichssprecherin der SPÖ für Frauenrechte und Gleichbehandlung.

Zum Thema: Gemeinsame Obsorge "Nach dem bisherigen Modell werden die Väter den Kindern geraubt", rechtfertigte VP-Justizsprecherin Maria Fekter das Regierungsvorhaben, die "Gemeinsame Obsorge" für das Kind gesetzlich zu verankern. Damit soll auch nach einer Scheidung jeder Elternteil das volle Vertretungsrecht für seine Kinder behalten und in allen wichtigen Fragen - vom Wohnort über die Schule bis zu medizinischen Eingriffen - mitbestimmen können.

Die bisherige seit der Familienrechtsreform 1978 angewandte Regelung lautet, dass nach einer Scheidung alle Rechte und Pflichten auf denjenigen Elternteil übergehen, der das Kind in seinem Haushalt betreut. Kritik am Regierungsvorhaben kommt von der SPÖ, die den Automatismus und die einhergehenden für das Kind unklaren Verhältnisse bemängeln. WM

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