afghanistan - © Foto: EPA

Der schwierige Ausstieg aus dem Krieg gegen den Terror in Afghanistan

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Der Krieg gegen den Terror ist in Afghanistan kaum noch zu gewinnen. Auch die Sympathien im Land selbst wenden sich langsam von den Befreiern ab.

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Der Krieg gegen den Terror ist in Afghanistan kaum noch zu gewinnen. Auch die Sympathien im Land selbst wenden sich langsam von den Befreiern ab.

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Die Gesichter des Krieges lassen sich auf Knopfdruck aktualisieren. Am Dienstag hießen sie Garrett, Leon und Ryan, Steven, David und Riccardo, sie waren 20, 19, 27 und 35 Jahre alt. Gefallen in Kandahar, Herat, Wardak und Helmand. Jetzt zieren ihre Bilder die Website "Fallen Heroes Afghanistan“ - eine Memorial-Homepage für die Soldaten-Opfer des Krieges. Die Liste ist nun schon mehr als 2768 Namen lang und täglich kommen neue dazu.

Vor genau zehn Jahren stellte der Londoner Economist in einem Leitartikel die alles entscheidende Frage zum ersten Krieg nach den Terroranschlägen von 9/11 in New York und Washington: "Wird das ein kurzer oder ein langer Krieg?“ Während die meisten Politiker in den USA und Europa damals von einem eingeschränkten, schnellen Militärschlag mit dem Ergebnis der Beseitigung der Taliban sprachen, war der später vielkritisierte US-Vizepräsident Dick Cheney schon pessimistisch: "Wir werden Jahrzehnte brauchen“, sagte Cheney - und er scheint damit recht zu behalten. Statt der Nordallianz der Stämme Krieg und Macht im Land in Jahresfrist übergeben zu können, sitzen die Truppen der "Koalition der Willigen“ aus 28 Nationen noch immer in Afghanistan fest. Mehr als 1800 US-Amerikaner sind inzwischen am Hindukusch gefallen, dazu 380 Briten und mehr als 150 Kanadier, um nur die größten drei militärischen Beitragssteller zu erwähnen. Die Zahl der getöteten Taliban beträgt zwar ein vielfaches, doch nach wie vor tut sich die Isaf-Armee schwer, im Süden des Landes Fuß zu fassen. Im Vorjahr bekannte der britische Oberbefehlshaber in Afghanistan sogar ein, dass "dieser Krieg nicht zu gewinnen“ sei.

Tatsächlich stieg die Zahl der tödlich Verwundeten Soldaten 2010 sprunghaft an, von 521 im Jahr 2009, auf 711. Das war vor allem auf den Zufluss von Waffen Geld und Kämpfern für die Taliban aus Pakistan zurückzuführen. Die Offensive der Aufständischen konnte erst durch eine massive Truppenaufstockung der USA wieder unter Kontrolle gebracht werden. Allerdings beseitigte der sogenannte "Surge“ nicht das Problem, dass die Taliban nun Teile der Grenzregion zu Pakistan kontrollieren und sich offenbar vor allem im Süden des Landes frei bewegen können, nur wenig gestört von den Kontrollen der afghanischen und internationalen Streitkräfte. Die Sicherstellung einer vier Tonnen Sprengstofflieferung durch britische Truppen in der Provinz Helmand zeigt den nach wie vor immensen Nachschub für die Aufständischen. Können die regulären afghanischen Truppen alleine dem steigenden Druck der Taliban standhalten, wenn die internationalen Streitkräfte abgezogen sind? Beamte des britischen Verteidigungsministeriums sprachen gegenüber dem Guardian von einem "signifikanten Risiko“, dass der Süden des Landes wieder in die Hände der Taliban zurückfallen könnte.

Auch der ehemalige Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte Stanley McChrystal ist skeptisch: Die Verbündeten hätten gerade einmal die Hälfte ihrer Ziele erreicht, so McChrystal in einem Interview.

Zivile Opfer zu hoch

Doch nicht nur die eigene strategische Position gegenüber den Taliban wird zunehmend zum Problem. Auch der Rückhalt bei den Verbündeten in Kabul schrumpft. Dazu tragen nicht nur die Attentate der Aufständischen auf einflussreiche afghanische Politiker bei, wie etwa die Ermordung des Bürgermeisters von Kandahar oder die Ermordung des Friedensvermittlers von Präsident Karsai, Burhanuddin Rabbani. Auch die Zunahme der zivilen Opfer des Krieges belasten das Verhältnis zwischen den Verbündeten. Seit 2001 verloren bis zu 37.000 Menschen direkt oder indirekt ihr Leben bei Attentaten oder durch fehlerhafte Angriffe der Isaf. Nun beginnen die Taliban auch Kabul zu infiltrieren. Anfang Oktober wurden sechs Männer, unter ihnen ein Mitarbeiter des Präsidenten, verhaftet unter dem Vorwurf, ein Attentat auf Hamid Karsai zu planen. Die Ablehnung gegen die Taliban scheint zunehmend auch in der Gesellschaft zu schwinden. Die Versammlung religiöser Würdenträger des Südens Afghanistans forderte zuletzt die Aufhebung der UN-Sanktionen gegen die Talibanführer.

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