contrails - © Foto: iStock/aapsky (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

Der Schwindel der CO2-Kompensation beim Fliegen

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Immer mehr Anbieter werben dafür, durch Zusatzzahlungen eine „CO2-Kompensation“ für die negativen Klimafolgen des Fliegens zu leisten. Kritiker warnen vor Greenwashing.

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Immer mehr Anbieter werben dafür, durch Zusatzzahlungen eine „CO2-Kompensation“ für die negativen Klimafolgen des Fliegens zu leisten. Kritiker warnen vor Greenwashing.

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Es klingt zu schön, um wahr zu sein: mit gutem Gewissen seine Koffer packen, zum Flughafen fahren, in ein fernes Land fliegen – und sich darauf verlassen können, dass die dadurch verursachten CO₂- Emissionen ganz unkompliziert durch Spenden an Klimaschutzprojekte ausgeglichen werden

Bereits bei der Flugbuchung bieten einige Airlines Möglichkeiten an, die Klimawirkung des bevorstehenden Fluges zu kompensieren. Auf den Websites der Anbieter locken umweltschützende Angebote: Mit einem Betrag, der auf Basis der geflogenen Kilometer berechnet wird, könne man an Projekte im In- und Ausland spenden, die CO₂ vermeiden oder binden sollen. Man unterstütze etwa den Bau von Solaranlagen oder Windparks oder die Renaturierung trockener Moore.

Solche Entlastungsmöglichkeiten für das Gewissen – etwa Kompensationszahlungen – bieten auch von Fluglinien unabhängige Organisationen an. So berechnet etwa der deutsche Anbieter „Atmosfair“ für einen Flug von Wien nach Madrid und retour eine „Klimawirkung“ von 868 Kilogramm CO₂ – was durch eine Zusatzzahlung von zwanzig Euro zusätzlich zum Ticketpreis im Sinne des Klimas kompensiert werden soll.

Doch wird Fliegen damit zum klimafreundlichen Fortbewegungsmittel? „Projekte zu unterstützen, bei denen Wälder aufgeforstet oder trockene Moore wieder feuchtgelegt werden, ist natürlich grundsätzlich gut“, sagt Viktoria Auer von der Umweltschutzorganisation Global 2000. CO₂ könne in solchen Projekten tatsächlich gebunden werden – aber bei Weitem nicht in jenen Mengen, die für die Klimaneutralität des globalen Flugverkehrs notwendig wären.

Zielverfehlende Klimaprojekte

„Airlines, die ihren Kunden vermitteln, Fliegen sei unter gewissen Umständen nicht schlecht für die Umwelt, täuschen sie“, betont Auer. Es sei klassisches Greenwashing, wenn Fluglinien davon sprechen würden, einzelne Flüge oder sogar ihr gesamtes Unternehmen klimaneutral zu machen. „Ein Unternehmen, dessen Kerngeschäft dermaßen CO₂-intensiv und umweltschädlich ist, kann nicht klimaneutral sein“, so Auer. Erst vor Kurzem veröffentlichten die deutsche Wochenzeitung Die Zeit und die britische Zeitung The Guardian Recherchen, wonach zahlreiche Klimawaldschutzprojekte keinerlei Beitrag zur CO₂-Reduktion leisten. Laut ihrem Bericht sind die zugrunde liegenden Berechnungsmethoden missbräuchlich verwendet worden. Die Projekte, in die auch große Unternehmen zum Erreichen ihrer Klimaziele investierten, hätten viel weniger eingespart als angenommen.

Auch für Verbraucher(innen) kann es schnell undurchsichtig werden, wenn sie die Klimawirkung und die entsprechenden Zahlungen im Internet bei unterschiedlichen Anbietern berechnen möchten. Der eingangs erwähnte Flug von Wien nach Madrid verursacht etwa laut „Climate Austria“, einem Kompensationsanbieter in Österreich, um ein Drittel weniger Emissionen als vom deutschen Anbieter „Atmosfair“ berechnet. Dementsprechend niedriger ist der Beitrag zur CO₂-Kompensation, der den Kunden und Kundinnen nahe gelegt wird. Nicht jedes Projekt, welches das Binden von CO₂ verspricht, ist zudem zielführend, ergänzt Viktoria Auer. So werden zum Beispiel in einem Aufforstungsprojekt in Indonesien Bäume gepflanzt, die überhaupt nicht in das dortige Ökosystem passen.

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