Der verspätete Sündenfall

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Nach zahllosen Fehlalarmen soll es nun endgültig gelungen sein, menschliche Klon-Embryonen herzustellen. Über einen Dammbruch, auf den keiner gewartet hat.

Jahrelang, nein, jahrzehntelang hat sich die Welt vor dieser Nachricht gefürchtet: vor dem "Homo Xerox“, dem geklonten, kopierten Menschen, der sich nicht mehr einer Laune der Natur oder eines unergründlichen Schöpfers verdankt, sondern der Geschicklichkeit und Skrupellosigkeit eines selbst ernannten Laborgottes aus Übersee oder Fernost. Was bei Hausschaf Dolly (1996), Haushund Snuppy (2005) und einem namenlosen Rhesusaffen (2007) funktionierte, würde irgend jemand da draußen auch einmal bei einem Menschen probieren, lautete die bange Erwartung - und die Forscher taten ihr Bestes, sie stetig zu füttern. Höhe- oder Tiefpunkt dieses Spiels mit der aufgescheuchten Öffentlichkeit war jene Fälschung, die der Südkoreaner Hwang Woo-suk 2004 dem Fachmagazin Science als Durchbruch verkaufte. An dieser Blamage laboriert der Wissenschaftsbetrieb bis heute.

Dass der Aufschrei nun, nach der scheinbar wirklich ersten Herstellung menschlicher Klon-Embryonen durch Forscher von der Oregon Health @ Science University, seltsam verhalten klingt, hat mehrere Gründe. Zum einen bemüht sich das Team um Shoukhrat Mitalipov (der schon den namenlosen Affen auf seinem Klon-Konto hat) um verbale Zurückhaltung: Es gehe ihm nicht um "reproduktives Klonen“, kalmiert er in der Zeitschrift Cell, also um die Herstellung genetisch identer Menschen durch Transfer eines Zellkerns aus einer Körperzelle in eine entkernte Eizelle und Austragung dieses Embryos durch eine Leihmutter; Ziel sei vielmehr, aus dem menschlichen Klon-Embryo Stammzellen zur Heilung von Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer zu gewinnen ("therapeutisches Klonen“). So weit, so euphemistisch.

Embryonale Stammzellforschung im Abseits

Der Hauptgrund für die etwas unterkühlte Aufnahme von Mitalipovs Klon-Botschaft ist aber, dass niemand mehr darauf gewartet hat: Seit es japanischen Forschern 2006 gelungen ist, Schwanzzellen von Mäusen in eine Art embryonalen Zustand zurückzuverwandeln, gelten die daraus gewonnenen "induzierten pluripotenten Stammzellen“ (ipS) als ungleich bessere Alternative: Anders als bei embryonalen Stammzellen (ES) müssen hier keine menschlichen Embryonen im Frühstadium getötet oder Frauen zuvor als Eizell-Lieferantinnen missbraucht werden. Auch die hohe Krebsrate bei allen Therapieversuchen durch embryonale Stammzellen spricht für die neue Variante. Umso überraschter ist die Branche über Mitalipovs Ehrgeiz auf diesem Gebiet.

Kochrezept für Größenwahnsinnige

Alles halb so schlimm also? Mitnichten. Zum einen hat der russischstämmige US-Forscher trotz bekundeten Desinteresses am reproduktiven Klonen automatisch das Rezept für diesen endgültigen Tabubruch vorgelegt. Größenwahnsinnige in aller Welt wissen nun, dass es nur einen Schuss Koffein in der Petrischale braucht, um die Erfolgsrate beim Klonieren zu verdoppeln.

Zum anderen zeigt der Vorstoß Mitalipovs, wie schwer der Forscherdrang der Bioingenieure juristisch zu bändigen ist. Internationale Klon-Verbote scheinen derweil illusorisch. Auf europäischer Ebene bietet die Biomedizin-Konvention des Europarates immerhin einen gewissen Schutz gegen die totale Verzweckung des menschlichen Embryos beim "therapeutischen Klonen“. Reproduktives Klonen wird in einem Zusatzprotokoll der Konvention ausdrücklich geächtet.

In Österreich sucht man ähnlich klare Regeln bislang vergebens. Umso bedauerlicher, dass die geplante Ratifizierung der Biomedizin-Konvention einmal mehr gescheitert ist - wie auch der Versuch, die zahlreichen bioethischen Herausforderungen (darunter auch der Umgang mit Gentests; vgl. Seite 23) im Rahmen einer parlamentarischen Enquete zu diskutieren. Doch für Debatten ist es nie zu spät: Zumindest das hat der verspätete Sündenfall des Shoukhrat Mitalipov eindrucksvoll bewiesen.

doris.helmberger@furche.at

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