Des wär' ka Sünd' nit"

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Die Furche: Herr Dinkhauser, auf Ihren Wahlplakaten ist zu lesen: "Weil's jetzt reicht." Sie sind doch schon lange Zeit Teil des politischen Systems: als AK-Chef und ÖVP-Mitglied. Warum reicht es Ihnen erst jetzt?

Fritz Dinkhauser: Ich habe mich immer wieder mit Kritik zu Wort gemeldet. Ich habe es immer wieder probiert, aber die ÖVP ist resistent, sie steigt von ihrem hohen Ross nicht herunter. Jetzt reicht's. Es sind Leute zu mir gekommen, die gesagt haben: Dinkhauser, geh nicht, hilf uns, befreie dieses Land von diesen Seilschaften.

Die Furche: Welche Seilschaften?

Dinkhauser: Ein Problem sind die Agrargemeinschaften, wo Grund und Boden, Wasser oder Schotter den Gemeinden weggenommen wurden und jetzt Eigentum einiger weniger sind. Zudem: Wir haben die Problematik des Wohnens; wir sind das Land mit den niedrigsten Einkommen und höchsten Lebenserhaltungskosten. Wir haben 90.000 Menschen in Tirol, die an der Armutsgrenze leben. Wir haben das Problem mit den zu teuren Kinderbetreuungseinrichtungen, die müssen gratis sein. Also da sind so viele Dinge, die man machen muss. Aber in dieser Volkspartei gibt es zu wenig soziales Gewissen. Die haben versagt.

Die Furche: Wenn man Ihnen so zuhört, auch Ihren Wahlkampfreden, dann bekommt man den Eindruck, Tirol geht den Bach hinunter.

Dinkhauser: Der Landeshauptmann und seine Regierung haben nicht alles falsch gemacht, aber es geht halt Einiges in die falsche Richtung.

Die Furche: Landeshauptmann Herwig van Staa ist für Sie also gescheitert?

Dinkhauser: Der van Staa ist ein ehrenwerter Mann, aber er hat eine abgehobene Politik für einzelne Lobbys und Seilschaften gemacht. Die ÖVP hilft nur den Agrargemeinschaften, den Gletscherbaronen, all jenen, die schon Geld haben. Das ist der falsche Weg. Jetzt haben zum Beispiel in den letzten acht Wochen 800 Menschen ihre Arbeitsplätze verloren, zuletzt bei der Firma Geiger. Entschuldigen Sie, da muss man aufwachen. Ich will dieses Land nicht schlechtreden, aber es ist Aufgabe der Politik, diese Anforderungen zu bewältigen, und das fehlt.

Die Furche: Sie wettern gegen Agrargemeinschaften und Bauernbundfunktionäre. In einer jüngsten Umfrage der "Tiroler Tageszeitung" zeigen sich die Tiroler Bauern aber zufrieden mit Ihrer Standesvertretung.

Dinkhauser: Ja, in den Zeitungen steht viel, auch in der Furche … Die Bauern haben doch gar keine Alternative. Sie sind abhängig von den Genossenschaften. Wer austritt, wird wie ein Aussätziger behandelt. Die Bauern sollen wieder selbstständig sein. Alle öffentlichen Einrichtungen sollen von den heimischen Bauern versorgt werden; und nicht, dass wir das Fleisch aus Hamburg kaufen, wie es im Landeskrankenhaus gemacht wurde. Ich bin der größte Freund der Bauern. Zur Zeit wird der Bauer aber als Machtinstrument benützt und missbraucht. Er selbst hat nichts zu reden.

Die Furche: Was würden Sie jemanden entgegnen, der Ihnen vorwirft, dass Sie nur groß reden?

Dinkhauser: Die Leute wissen, dass ich 17 Jahre als AK-Chef eine Verantwortung hatte und alles versucht habe, um zu halten, was ich versprochen habe. Ich bin berechenbar. Ich weiß, dass man Maß halten muss und nicht alles versprechen kann. Aber das Wichtige muss man tun, das, was ich eben gesagt habe: in den Fragen der Bildung, des Einkommens, der sozialen Dimension. Wir haben einen Kassasturz des Landesbudgets verlangt; und stellen fest, dass wir etwa 400 Millionen Euro haben, die zur freien Verfügung stehen.

Die Furche: Nun wird auch scharf gegen Sie geschossen: Haben diese Vorwürfe Ihr Image einer "ehrlichen Haut" beschädigt (ein ehemaliger Konkurrent um das Amt des AK-Chefs erhob Vorwürfe von Formen des Machtmissbrauchs unter Ihrer Führung: etwa die private Verwendung des Dienstwagens).

Dinkhauser: Nein. Das ist halt leider eine sehr untergriffige Politik: da geht es nur darum, einen Menschen schlecht zu machen. Das sind Hass-Aktivitäten. Im Übrigen wurde dieses Verfahren von der Staatsanwaltschaft mangels irgendwelcher Anhaltspunkte bereits wieder eingestellt.

Die Furche: Wieviele Stimmen erhoffen Sie sich für die Liste Fritz Dinkhauser?

Dinkhauser: Wünschen tu ich mir auf jeden Fall über zehn Prozent.

Die Furche: In den Medien wird viel über eine Koalition zwischen SPÖ, den Grünen und Ihrer Liste spekuliert. Ist das Ihr Wunschszenario?

Dinkhauser: Nein, es gibt in jeder Gruppierung hervorragende Leute.

Die Furche: Auch in der ÖVP?

Dinkhauser: Auch bei der ÖVP gibt es vermutlich gute Leute.

Die Furche: Und bei der FPÖ?

Dinkhauser: Bei der FPÖ muss man sich die Leute genauer anschauen. Aber man darf niemanden ausschließen, das wäre eine sehr radikale Aussage. Die Realität schaut immer anders aus. In der Praxis sieht man, dass der Schüssel auch mit den Freiheitlichen zusammenging. Und auch dort gab es interessante Persönlichkeiten. Aber das ist nicht mein Ziel. Ziel ist es, mit einer geläuterten SPÖ genauso wie mit einer interessanten grünen Gruppierung zusammenzuarbeiten. Amtlich ist jedoch, dass ich sicher nicht der ÖVP die Schleppe trage. Sonst wäre ich dieses ganze Risiko, eine eigene Liste aufzubauen, sicher nicht eingegangen. Die ÖVP ist nur dann erneuerungsfähig, wenn sie einmal den Spiegel vorgehalten bekommt, wenn das Volk letztlich sagt, so geht es nicht mehr.

Die Furche: Manche bezweifeln, dass Sie sich in einer Dreier-Koalition mit der Rolle eines einfachen Landtagsabgeordneten zufriedengeben würden. Also anders gefragt: Wollen Sie Landeshauptmann werden?

Dinkhauser: Ja, des wär ka Sünd' nit. Das würde die Chance bieten, meine Lebens- und Berufserfahrung und meine Liebe zum Land und für die Leute einzubringen.

Die Furche: Sie meinen, das ist realistisch?

Dinkhauser: Das habe ich den Schüssel damals (nach den Nationalratswahlen 1999, als die ÖVP nur drittstärkste Partei und Wolfgang Schüssel trotzdem Kanzler wurde, Anm.) auch gefragt. Politik ist die Kunst des Möglichen. Man muss schauen, was rauskommt, wie viel die anderen abbauen. Es gibt ja schon die Aussage vom Gschwentner, dass der, der die meisten Stimmen von uns beiden hat, den Landeshauptmann stellen soll.

Die Furche: Der SPÖ-Kandidat Hannes Gschwentner hat aber in einem Interview mit der "Presse" beklagt, dass Sie auf diesen Vorschlag nicht eingegangen sind.

Dinkhauser: Ich habe gar nichts gesagt. Ich kann doch nicht auf jeden Zuruf antworten.

Die Furche: Aber das könnten Sie sich vorstellen?

Dinkhauser: Das ist ein Angebot, über das man ernster nachdenken muss. Es wäre ein wichtiges Signal, dass heute alle Gruppierungen - ob Wähler der SPÖ oder aus dem bürgerlichen Lager - jemanden an der Spitze haben, der den größten gemeinsamen Nenner darstellt. Ohne mich rühmen zu wollen, ich glaube, ich habe viele Impulse im sozialen wie auch im wirtschaftlichen Bereich setzen können.

Die Furche: Wie würden Sie Ihre neue Bürgerbewegung ideologisch einordnen?

Dinkhauser: Liberal, christlich-sozial.

Die Furche: Was werden Sie tun, wenn Sie hinter Ihren Erwartungen zurückbleiben? Ich erinnere an das Schicksal des ehemaligen steirischen VP-Landesrates Georg Hirschmann, der mit seiner Liste gescheitert ist.

Dinkhauser: Ich habe eine nette Frau. Wir haben viele Lebenspläne, die ich an und für sich vorgehabt habe. Aber ich sage Ihnen, so wie ich hier sitze: Ich mag dieses Land und die Leute, ich habe eine gewisse Schuld dem Land und den Leuten gegenüber. Es ist mir gut gegangen, ich habe in den letzten 17 Jahren Erfolg und eine tolle Aufgabe gehabt, es ist immer aufwärts gegangen. Ich bin gesund und vital, also gfreit's Eich auf die Wahl.

Das Gespräch führte Regine Bogensberger.

Die Langversion unter www.furche.at

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