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Dialog und Vertrauen sind nötig

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Ein Nachschlagewerk zur Grundlegung einer medizinischen Ethik informiert Arzte und gewährt Laien Einblick in das spezifische Berufsethos.

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Ein Nachschlagewerk zur Grundlegung einer medizinischen Ethik informiert Arzte und gewährt Laien Einblick in das spezifische Berufsethos.

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Wohin geht die moderne Medizin? Welche Handlungsziele werden gesetzt? Geht es ihr primär darum, den ungestörten Ablauf der körperlichen Funktionen zu erhalten? Wird man den Arzt in Zukunft als hochspezialisierten Reparaturfachmann betrachten? Wo und wie werden die Grenzen des Machbaren gezogen?

Immer mehr wird der Patient von Unbehagen gegenüber der hoch- entwickelten Forschung und Technisierung befallen, die die Harmonie seiner Empfindungen gestört haben, und er sehnt sich wieder danach, als Mensch in seiner Einheit betrachtet zu werden. Hinzu kommt, daß der leichtfertige Umgang mit ärztlicher Kunst einerseits und überzogene Forderungen andererseits die Arzt- Patient-Beziehung in eine Atmosphäre des Mißtrauens abgleiten lassen und Rechtsprechung und Absicherung durch Juristen im Alltag zunehmen. Es ist heute schwierig geworden, egoistische Empfindungen beiderseits unter Kontrolle zu halten. Ich denke, jeder von uns ist aufgerufen, den Weg der Umkehr zu gehen, um wieder Vertrauen zu finden.

Es gibt keinen Stein der Weisen, aber eine umfassende Studie zur Grundlegung einer medizinischen Ethik, in der sich der Bonner Philosoph Ludger Honnefeider gemeinsam mit dem Embryologen und Anatom Günter Rager aus Fribourg um ein Verständnis ärztlichen Handelns bemühen. Es geht beiden darum, gestörte Funktionen der Ich- Identität aufzuzeigen und um eine moderne Ethik der Medizin beim ärztlichen Handeln unter Einbindung anthroposophischen und wissenschaftstheoretischen Aspekten zu entwickeln. Wenn es um den ganzen Menschen geht, „müssen sich Arzt und Patient im Raum von Freiheit und Interpersonalität öffnen. Die Medizin muß sich von dieser ganzheitlichen Sicht her neu verstehen und sich … entsprechend organisieren, und zwar sowohl in der Ausbildung der Medizinstudenten als auch im Klinikbetrieb, in der ärztlichen Praxis und im öffentlichen Gesundheitswesen.“

Wie wichtig ein ärztliches Gespräch mit Kranken über Diagnose und Prognose ist, zeigt der Beitrag von Johannes Dichans, Leiter der Tübinger Universitätsklinik für Neurologie, über Aufklärung von Kranken und Sterbenden - denn heute ereignet sich der Tod vornehmlich an besonderen Orten wie Krankenhaus und Pflegeheim. Man hat leise und unauffällig von der Welt zu scheiden.

Franz Böckl, Moraltheologe, hat seine Erfahrungen im Umgang mit Todkranken für die Nachwelt dokumentiert. Er starb 1992. Seine Liebe zum Menschen ist für uns ein Vermächtnis: „Je mehr liebe in uns wächst, desto mehr bricht Himmel, Ewigkeit in uns selbst an. Nur an der Oberfläche unseres Bewußtseins scheuen wir den Tod; jedoch der Grund unseres Daseins begehrt nach dem Ende des Unvollendeten, damit Vollendung sei.“

ÄRZTLICHES URTEILEN UND HANDELN. Zur Grundlegung einer medizinischen Ethik.

Hrsg, von Ludger Honnefeider und Günter Rager.

Insel Verlag, Frankfurt! Main 1994.

400 Seiten, öS 311,-.

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