Die alte Mär von der guten Politik

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Man kann keinen guten Eindruck von der Leistungsfähigkeit der österreichischen Politik haben. Aber die öffentliche Diskussion ist heuchlerisch. Es wird der Eindruck erweckt, alle wollten Reform, Zukunftsträchtigkeit und Nachhaltigkeit, in der Pensions- und der Gesundheitspolitik, in der Wissenschafts- und der Sozialpolitik. Nur die Politiker handelten über die Köpfe der Staatsbürger hinweg, weltfremd und elitär, reformunfähig und einfallslos. Deshalb wachse der Unmut der Wählerinnen und Wähler.

Das ist natürlich Unsinn. Wenn Demokratie heißt: Die Regierung macht, was das Volk will, dann läuft das alles sehr demokratisch. Politiker lesen Umfragen. Die Wähler wollen, dass alles mehr und besser wird, ohne dass irgendeinem wehgetan wird. Sie glauben an den Goldesel: die Nationalbank, die Reichen, die EU. Deshalb wehren sich die Lehrer, die ÖBBler, die Autofahrer, die Armen, die Mittelschicht, die Begüterten und alle anderen. Der Ökonom Lester Thurow hat es vor langer Zeit gesagt: In einem solchen Fall geht nichts mehr.

Es gibt die billige Ausrede: Auch wenn die Menschen das Falsche wollen, sind die Politiker schuld. Man müsse nur richtig erklären, was nottut, dann marschieren alle mit. Das ist weltfremd. Manche Probleme, etwa ökologischer Art, werden seit Jahrzehnten erklärt; aber wehe, man schränkt den Autogebrauch ein. Populär und demokratisch sind Dinge wie: Abwrackprämie, Frühpension, Fremdenfeindlichkeit. Fareed Zakaria, Herausgeber der Foreign Affairs, nannte es „illiberale Demokratie“, und man kann das zur „suizidalen Demokratie“ steigern. Die im Wettbewerb stehende Politik macht, was die Leute wollen, und deshalb fährt sie die ganze Sache in den Abgrund. Verlangt wäre Politik gegen die Wählerwünsche: unpopuläre, masochistische Politik. Undemokratische Politik? Ein hoher Anspruch.

* Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universität Graz

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