"Die Amtskirche sollte zurückhaltend sein"

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Johannes Huber, Vorsitzender der Bioethikkommission der Bundesregierung, Gynäkologe und katholischer Theologe, über die interkonfessionellen Misstöne in Fragen der Biopolitik und das Verhältnis zwischen Kirche und Wissenschaft.

Die Furche: Der evangelische Theologe Ulrich Körtner hat anlässlich des geplanten Verbots des therapeutischen Klonens den "keineswegs immer segensreichen Einfluss der römisch-katholischen Kirche auf Österreichs Biopolitik" kritisiert. Ihr Kommentar?

Huber: Man kann in vielen Dingen unterschiedlicher Meinung sein. Allerdings sollte die Diskussionskultur schon so sein, dass sich der andere nicht kränkt. Und wenn mein lieber Freund Ulrich das so formuliert, dann muss er damit rechnen, dass sich katholische Intellektuelle kränken. Und das ist der Ökumene nicht dienlich. Es gibt ohnedies so wenige Christen gegenüber einer Majorität von Agnostikern, Atheisten und Utilitaristen. Da empfinde ich es als schmerzhaft, wenn sich die wenigen Verbliebenen, die an Jesus Christus glauben, über die Zeitung Bösartigkeiten ausrichten.

Die Furche: Sie selbst haben gemeint, der Entwurf zur Novelle des Fortpflanzungsmedizingesetzes sei "nicht das Gelbe vom Ei". Inwiefern?

Johannes Huber: Ich glaube, dass man viele Bereiche, die Embryonen betreffen - etwa die Präimplantationsdiagnostik oder das therapeutische Klonen - globaler diskutieren und dann, wie in Frankreich, in einem Bioethikgesetz zusammenfassen soll. Allerdings sollte man darin Verordnungsmöglichkeiten offen lassen, sodass man bei Bedarf ad hoc Regelungen treffen kann. In der Biomedizin ändert sich ja so viel, dass jedes Gesetz den Entwicklungen hinterherhinkt.

Die Furche: Sind Sie für oder gegen ein Verbot des therapeutischen Klonens?

Huber: Ich bin dafür, dass man das reproduktive Klonen expressis verbis verbieten soll. Beim therapeutischen Klonen hängt es meiner Meinung nach von zwei Fragen ab, die noch nicht geklärt sind: Hat eine befruchtete Eizelle, aus der sich kein Mensch entwickeln kann, und das ist beim therapeutischen Klonen so, individuellen Lebensschutz? Und: Wann beginnt das individuelle menschliche Leben?

Die Furche: Beginnt es Ihrer Meinung nach mit der Einnistung in die Gebärmutter?

Huber: Nein, ich halte das nur für eine Denkvariante, die äußerst legitim ist, und es würde mich freuen, wenn die Kirche einmal darüber nachdenken würde.

Die Furche: Sie personifizieren als Theologe und Fortpflanzungsmediziner zwei Weltsichten, die oft kontrovers sind. Wie kann man sich da positionieren?

Huber: Die Zentren meines Glaubens sind die Auferstehung, die Vergebung der Schuld, die Erlösung und die gewaltfreie Lösung von Konflikten. Das ist für mich die Botschaft des Neuen Testamentes. Ich bitte auch die Bischöfe immer wieder um Verständnis, dass man in naturwissenschaftlichen Fragen von Seiten der Amtskirche extrem zurückhaltend sein muss, wenn man nicht alle 30 Jahre einen Galilei verbrennen möchte. Wenn man beim therapeutischen Klonen eine befruchtete Eizelle gewinnt, aus der kein individueller Mensch mehr entstehen kann, dann finde ich die Frage, ob das individuelles menschliches Leben ist, zumindest diskussionswürdig. Noch dazu, wo ich über einen Brief von Kardinal Schönborn an den Bundeskanzler verfüge, wo er Ähnliches sagt. Ich glaube, dass die Freiheit des Denkens möglichst weit Fuß fassen soll.

Die Furche: Kardinal König, dessen Sekretär Sie jahrelang waren, hat diese Freiheit groß geschrieben, sich aber andererseits - etwa bei der Fristenlösung - klar für den Schutz des Lebens ausgesprochen. Haben Sie mit ihm über bioethische Fragen diskutiert?

Huber: Oft. Er war offener, als man geglaubt hat. Er ist auf dem Standpunkt gestanden, dass die christliche Lehre nicht wie ein Stein vom Himmel fällt, sondern sich entwickelt. Deswegen war er auch gegen voreilige Urteile und Dogmen. Auf der anderen Seite war er ein loyaler Mitkämpfer des Heiligen Stuhls, was ihn - ähnlich wie bei der Empfängnisverhütung - in eine innerliche Kollision gebracht hat. Im Zweifelsfall hat er sich aber immer für Rom entschieden.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

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