Die Angst davor, den Kuchen gerecht zu teilen

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Das Thema Generationengerechtigkeit ist bei dieser Nationalratswahl so zentral wie noch nie. Trotzdem will keine Partei eine potentielle Wählergruppe vergraulen. Über den Spießrutenlauf zwischen Jung und Alt im Wahlkampf.

Die Wahrheit müsse den Menschen zumutbar sein, verlautbaren Politiker gerne, wenn sie unpopuläre Maßnahmen durchsetzen wollen. In Wahlkampfzeiten gelten andere Gesetze. Bei dem heiklen Thema Generationengerechtigkeit wollen sich vor allem die Großparteien kurz vor der Nationalratswahl keinesfalls die Finger verbrennen: Denn ohne Pensionisten lässt sich keine Wahl gewinnen. Dabei ist der Generationenvertrag durch sinkende Geburtenraten und steigende Lebenserwartung längst ins Wanken geraten. Bis 2050 könnte die Zahl der Erwerbstätigen um ein Drittel sinken. Immer weniger arbeitende Menschen müssen dann immer mehr Rentner finanzieren.

Der Pensionsexperte Bernd Marin warnt, dass in Österreich rund ein Drittel der Pensionen nie durch eingezahlte Beiträge abgesichert wurde. So muss der Staat ein jährliches Pensionsloch von 14 bis 15 Milliarden Euro stopfen. "Und dann fehlen vergleichsweise geringe Beträge für Kindergärten oder Forschung“, kritisiert Marin. Sogar SPÖ-Pensionistenchef Karl Blecha räumt ein, dass im Interesse der folgenden Generationen alles getan werden müsse, damit sich das faktische Pensionsantrittsalter an das gesetzliche Antrittsalter angleicht.

Das Buhlen um die 60plus-Wähler

Mittlerweile versucht jede Partei, mit einem eigenen Pensionsmodell auf die vielen Fragezeichen bei der Pensionsfinanzierung zu antworten. "Die Sozialdemokraten gehen ganz stark auf ältere Wähler zu, ganz einfach weil dort ihre größte und treueste Wählerschaft sitzt“, sagt Meinungsforscher Peter Hajek. Die SPÖ-Linie ist klar: Kein Eingriff in die Pensionen. Schon im Wahljahr 2008 setzten die Roten eine Verlängerung der Hacklerregelung durch. Derzeit macht die SPÖ gegen eine raschere Anhebung des Pensionsantrittsalters von Frauen mobil. "Die Argumentation lautet, dass es die Generation 50plus ohnehin schwer habe am Arbeitsmarkt. Dieser Umstand ist aber auch dem Arbeitnehmerschutz für Menschen über 52 geschuldet“, so Hajek.

Indessen spricht die ÖVP von der "altersbunten Gesellschaft“ und hat drei Generationenbeauftragte eingesetzt, die je eine Altersgruppe vertreten sollen. Hajek hält diese Strategie im Grunde für klug: "Die Frage ist nur: Nehmen die Jungen das der ÖVP auch ab?“ Immerhin sei auch die Wählerschaft der ÖVP überaltert. Bei der Erhöhung des Frauenpensionsalters zeigt sich die ÖVP unentschlossen. Diesen Zickzack-Kurs mitten im Wahlkampf hält die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle für einen großen Fehler: "Denn 30 Prozent der Frauen über 60 Jahren wählen die ÖVP, aber nur 20 Prozent der Männer.“ Der Hintergrund für den unpopulären Vorschlag der ÖVP: "Es gibt Eliteberufe, wo Frauen sich beklagen, früher in Pension gehen zu müssen“, weiß Stainer-Hämmerle. Dennoch werde es in Österreich insgesamt noch stark als Privileg empfunden, früher in Pension gehen zu dürfen.

Die Freiheitlichen haben sich bisher wenig zum Thema Generationengerechtigkeit geäußert. "Die FPÖ wird sich davor hüten, Staub aufzuwirbeln, denn sie muss auch ältere Wähler mitnehmen, wenn sie weiter wachsen will“, analysiert Hajek. "Mehr Respekt für die Alten“ lautet ein Wahlslogan der Freiheitlichen. Die FPÖ verstehe unter Generationengerechtigkeit, man solle den Alten für ihre Leistungen danken, so Stainer-Hämmerle. "Doch wirkliche Inhalte oder Antworten zum Thema Pensionen findet man bei der FPÖ nicht.“

Appell an junge Familien

Die Grünen agieren in puncto Generationengerechtigkeit sehr zurückhaltend. "Die grüne Stammklientel - die Generation Hainburg - kommt langsam ins Pensionsalter“, gibt Stainer-Hämmerle zu bedenken. Deshalb befinden sich die Grünen in einem Konflikt: "Einerseits dürfen sie die älteren Wähler nicht verschrecken, aber eigentlich wollen sie Politik für Junge machen“, so die Politologin. Die einzigen, die sich eindeutig als junge Partei deklarieren, sind die Neos. Der 40-jährige Parteichef Matthias Strolz hat in seinen Gastkommentaren in der Presse und im Standard gefordert, die Älteren müssten bei den Pensionen aus Rücksicht auf die Folgegenerationen zurückstecken. "Die Zielgruppe der Neos sind Menschen bis Mitte 40, vor allem Familien mit Kleinkindern. Bei diesen Wählern werden sie punkten“, meint Stainer-Hämmerle. Der Erfolg der Neos hänge aber davon ab, wie viele der Jungen überhaupt wählen gehen werden. "Im Grunde machen es die Neos richtig, weil ihnen das Eintreten für die Jungen als Alleinstellungsmerkmal dient. Da sie wenig Geld in den Kassen haben, müssen sie einen Aufreger schaffen“, meint Hajek. Er hat einen Tipp für die Neos: "An ihrer Stelle würde ich Pensionisten mit Mindestpension oder Ausgleichszulage als Verbündete suchen und die Frage aufwerfen: Ist es okay, dass Funktionäre wie Blecha oder Khol Pensionen von bis zu 13.000 Euro monatlich kassieren?“

Noch kann von einer "Gerontokratie“ keine Rede sein: Derzeit sind 27 Prozent der Wähler über 60 Jahre alt. Schon zwischen 2030 und 2040 wird die Generation 60plus bis zu 40 Prozent der Wähler stellen. "Diese Generation wird allerdings nicht das gleiche Wahlverhalten zeigen wie die Älteren heute“, weiß Hajek. Denn der Trend entwickle sich vom Stammwähler hin zum Wechselwähler.

Studie rät zu Generationensteuern

"Die Älteren sind halt viel mehr als die Jungen. Pro Kopf gerechnet investiert der Staat sicher nicht mehr in sie“, behauptet SPÖ-Pensionistenchef Blecha. Dabei zeigt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, dass Österreich in puncto Generationengerechtigkeit nur Platz 20 von 29 im OECD-Vergleich belegt. Das ernüchternde Fazit: Österreich gibt deutlich mehr Geld für ältere Menschen aus als für Junge - Gesundheitsausgaben noch gar nicht mitgerechnet. Der Studienautor empfiehlt Maßnahmen wie höhere Investitionen in frühkindliche Bildung oder die Einführung von intergenerationell wirksamen Steuern wie etwa Umweltabgaben.

Die Jugend selbst sieht ihre Zukunft trist: 75 Prozent der Arbeitnehmer unter 30 glauben nicht, dass sie eine ausreichende staatliche Pension erhalten werden. Doch wo ist die Lobby für die Jungen? "Die Bundesjugendvertretung verfügt über keine Druckmittel“, sagt Hajek. "Blecha und Khol hingegen sind alte politische Hasen, haben die mitgliederstarken Pensionistenverbände von SPÖ und ÖVP hinter sich und können gegenüber der Regierung Druck machen.“

Viele Fragen bleiben offen: Wie werden sich Pensionen künftig finanzieren lassen? Werden mehr Menschen - insbesondere Frauen - von Altersarmut betroffen sein? Die Politik hat bisher keine zufriedenstellenden Lösungen geliefert. "Was fehlt, ist der große Wurf“, sagt Politologin Stainer-Hämmerle. "Das Problem besteht darin, dass man die Gesellschaft an ein 130 Jahre altes Pensionssystem anzupassen versucht, indem man die Leute dazu bewegen will, mehr Kinder zu bekommen. Stattdessen sollte man das System an die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse anpassen.“

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