Die Animal Spirits der Euro-Zone

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Wer die kompliziertesten Anglegenheiten lösen will, ist gut beraten sich auf das Einfachste zu besinnen. Das ist eine Weisheit von Lao Tse und im Zusammenhang mit Griechenland und der Euro-Krise ist sie gar nicht schlecht. Beginnen wir so: Der Mensch unterscheidet sich vom Tier, weil er sozial denkt und handelt. Würden wir einander nicht unterstützen, wir wären bloß Tiere - und vermutlich sogar ausgestorbene Tiere. Ein Fehlversuch der Evolution. Das soziale Verhalten hat uns erfolgreich gemacht.

Das heißt aber nicht, dass wir nicht in animalische Zustände zurückfallen können. Nehmen wir das Herdenverhalten. Wir kennen es von der Börse. Einer bekommt die Panik und alle rennen hinterdrein, ähnlich einer Herde Gazellen auf der Flucht vor einem Löwenrudel. Hier wie dort handelt es sich nicht einfach nur um den Impuls "alle rennen zur gleichen Zeit dem Vordertier nach“, sondern die Umsetzung des Florianiprinzips: Möge doch das Unheil - im Gazellenfall - irgendein Tier treffen - nur eben nicht mich. Die schwächeren, kranken Tiere werden den Löwen überlassen. Die Masse rettet sich und überlebt.

Die Zoologie hat das Selektion genannt. Ein Ökonom hätte gewiss die "unsichtbare Hand“ der Natur ins Spiel gebracht: Kein Tier überlegt bewusst, was es tut, in diesem oder jenem Moment. Es gehorcht seinem Selbsterhaltungstrieb - rettet sich selbst und sorgt so ganz unbewusst für das Überleben eines Großteils der Herde.

Inmitten des Herdentriebs

Was sagt uns das im Zusammenhang mit Griechenland? Wir stecken inmitten einer aufkeimenden Herdenpanik. Die Griechen sind die Schwachen, die Kranken, der Ballast. Konsequenz in Gazellenmanier: Hinaus mit ihnen und retten wir uns selbst! 56 Prozent der Deutschen wollen laut einer Umfrage der Zeit, dass die Schuldenanhäufer Europas die Euro-Zone verlassen. Fein. Nach dem Gesetz der Savanne wären nur die Griechen die Opfer, wir selbst schadlos.

Die Sache hat aber einen Haken. Wir sind keine Gazellen und befinden uns nicht in der Savanne, sondern in einer hochkomplexen und für uns selbst äußerst riskanten Situation. Jeder Zug, den wir tun, hat nicht nur eine Konsequenz, die wir bedenken müssen, sondern Hunderte.

Die finanzielle Seite der Wahrheit: Wir sind vollständig mit Griechenland verwoben. Seine Staatspleite würde binnen Tagen die nächste Pleite, jene Portugals und gleich die nächste, jene Spaniens, nach sich ziehen. Wichtige Exportmärkte Europas würden auf einen Schlag zusammenbrechen. Unsere Banken müssten Milliarden abschreiben. Wir müssten für diese Milliarden geradestehen.

Und wer fällt als Nächster?

Mehr noch: Mit jedem Wegfallenden wird die Position des Nächststärkeren angreifbarer. Wer ist nach Griechenland, Portugal, Spanien, Italien an der Reihe? Wäre nicht auch Österreich schnell in der Ziehung mit seinen "Problembären-Banken“ (Copyright: Staatsekretär Schieder)? Und wenn China und die USA aus dem Euro-Debakel Schaden nehmen würden, wäre dann nicht auch Deutschland selbst gefährdet, lukriert es doch aus diesen Exportmärkten sein Wirtschaftswachstum (und nicht aus irgendeiner dubiosen Spardiziplin)?

Vielleicht sollten wir noch einen anderen Seitenblick auf die Zoologie riskieren. Auf die Yaks. In Gefahrensituationen formen die starken Tiere der Herde einen Ring um die Schwachen. Es gibt kein Im-Stich-Lassen.

Ineeuropäischem Zusammenhang hieße das: Eurobonds der EU - der stärksten Wirtschaftsmacht der Welt - für die Realwirtschaft Griechenlands und einen administrativen Spar- und Wiederaufbauplan für den Süden der Union. Allein diese Solidarität schützt. Für sich allein ist jeder Staat bloß Spekulantenfutter. Man kann es auch größer sehen: Diese Krise ist Gelegenheit für die EU, endlich ihr größtes Versprechen einzulösen: eine echte Union zu sein.

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