Die "Aus-drei-mach-eins-Geräte"

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Immer zahlreicher werden die alten Elektrogeräte. Die gängige Lösung: Zum Alteisen mit ihnen - und die Müllberge wachsen. In Wien wurde nun vor kurzem ein alternatives Pilotprojekt des Umgangs mit solchem "Alteisen" gestartet ...

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Immer zahlreicher werden die alten Elektrogeräte. Die gängige Lösung: Zum Alteisen mit ihnen - und die Müllberge wachsen. In Wien wurde nun vor kurzem ein alternatives Pilotprojekt des Umgangs mit solchem "Alteisen" gestartet ...

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ZUM THEMA Soziale Innovation Daß ökologisches Wirtschaften den Einsatz neuer, umweltfreundlicher Produktionsverfahren erfordert, ist heute vielen bewußt. Einiges davon wird auch schon verwirklicht. Es geht dabei um energie- und rohstoffsparende, weniger Abgase und Abfälle produzierende Formen der Erzeugung. Technische Neuerung ist also eine der wichtigen Forderungen an eine zukunftsträchtige Form des Wirtschaftens.

Auf der anderen Seite gilt es, soziale Innovationen zu entwickeln, also neue Lebensstile und Organisationsformen, die sich denselben Anliegen verschreiben. Sie bieten für eine Reihe von Problemen bessere Lösungen, führen zu effizienteren Konsumformen und bieten eine Reihe neuer Dienstleistungen an. "Soziale Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung" (SINE), eine Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr, ist solchen Initiativen nachgegangen. Aus 230 recherchierten Projekten wurden 122 näher untersucht und 14 ausführlich dokumentiert. Zwei dieser dokumentierten Projekte werden im folgenden vorgestellt. CG Das Reparatur- und Servicezentrum "Rusz" geht einen neuen Weg in Richtung Verlängerung der Lebensdauer von Haushaltsgeräten und damit einen Schritt in Richtung einer "nachhaltigen" Zukunft. Gleichzeitig werden neue Arbeitsplätze geschaffen.

Im "Rusz" werden alte Elektrogeräte zerlegt, repariert und zum Wiederverkauf angeboten. Außerdem werden Geräte verliehen, die Wartung für diese Geräte wird übernommen und ein Ersatzteillager für Reparaturen aufgebaut. Die Geräte stammen von Mistplätzen der Magistratsabteilung 48 und werden im "Rusz" repariert beziehungsweise ausgeschlachtet. In der ersten Phase wird vor allem auf Waschmaschinen gesetzt, weitere Geräte werden folgen. Im Rahmen des Projekts finden ältere, qualifizierte Langzeitarbeitslose eine sinnvolle Beschäftigung.

Folgende Ziele werden - neben volkswirtschaftlichen, arbeitsmarktpolitischen und sozialpädagogischen - verfolgt: * Schadstoffentfrachtung und Verwertung von Elektroschrott, * Erhöhung der Produktnutzungsdauer durch den Verkauf von "Aus-drei-mach-eins-Geräten", günstigen Reparaturen und Ersatzteilverkauf, * Erhöhung der Produktnutzungsintensität durch Wasch- und Spül- Serviceverträge, * Reduktion der für die Produktion eingesetzten Ressourcen, * quantitative und qualitative Abfallvermeidung, * konkreter Beitrag zu nachhaltigem Wirtschaften.

Im August 1998 wurden 50 Geräte pro Woche repariert und verkauft, dies entsprach bereits der für den Herbst 1998 angestrebten Zahl.

Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen Das "Rusz" kooperiert mit der Magistratsabteilung 48 und wird vom "Verband Wiener Volksbildung" getragen.

Der innovative Charakter dieses Projekts liegt vor allem in der - bisher selten realisierten - weitgehenden Verwirklichung des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung auf Projektebene. Hier werden tatsächlich die drei Zielsetzungen Umweltschutz, stabile ökonomische Entwicklung und sozialer Chancenausgleich in einem konkreten Vorhaben miteinander verknüpft. Erreicht wird dies gewissermaßen durch einen Rückgriff auf Bewährtes aus der Vergangenheit: die Reparatur.

Außerdem bietet das "Rusz" potentiellen Kunden eine neutrale Produktberatung vor der Kaufentscheidung, Leihgeräte und eine Ersatzteilbörse. Im Mittelpunkt steht der Nutzen der Haushalte, weniger das technische Gerät (Waschmaschine, Trockner, Geschirrspüler).

Reparatur und Service von Haushaltsgeräten wird im Normalfall von den jeweiligen Herstellerfirmen durchgeführt. Diese haben aufgrund betriebswirtschaftlicher Überlegungen in der Regel jedoch mehr Interesse am Verkauf von neuen Geräten als an deren Wiederherstellung. Der hohe Preis von Reparaturdiensten begünstigt zusätzlich die Anschaffung von Neugeräten im Schadensfall.

Ein umfassender Reparatur- und Servicedienst, dessen oberstes Ziel die Verlängerung der Lebensdauer von Haushaltsgeräten und damit eine bessere Ausnutzung vorhandener Ressourcen ist, benötigt daher eine eigene - von Herstellerinteressen unabhängige - Organisation. Nur ein derartiges Dienstleistungsunternehmen kann ökologische Zielsetzungen mit betriebswirtschaftlichen Notwenigkeiten verbinden.

Ein Detail: Bereits nach einjährigem Bestehen kann das Reparatur- und Servicezentrum "Rusz" auf eine Erfolgsbilanz verweisen. Gegründet 1998 im 15. Wiener Gemeindebezirk als Modellprojekt zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen, trägt es mittlerweile Substantielles zur ökologischen wie auch sozialen Weiterentwicklung dieser benachteiligten Wiener Stadtregion bei.

520 Waschmaschinen, Geschirrspüler, Trockner und Elektroherde wurden instandgesetzt, 360 Geräte zerlegt und schadstoffentfrachtet, Geräteteile der Entsorgung übergeben und, vielleicht am bedeutendsten: fünf Langzeitarbeitlose wurden wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert.

Mit dem neuen Geschäftsjahr (ab 1. Mai 1999) weitet das "Rusz" nun seine Tätigkeien aus. Die vorhandenen 12 Transitarbeitsplätze werden auf 16 erhöht, eine Schlüsselarbeitskraft findet zusätzliche Beschäftigung. Ab sofort werden auch Fernseher, HiFi- und Videogeräte (sogenannte "Braunware") nach dem "Rusz"-Konzept instandgesetzt und verkauft oder schadstoffentfrachtet entsorgt.

Kontakt: Reparatur- und Servicezentrum: 1150 Wien Schanzstraße 20-22 Tel: +43 1 98 21 647/0 Fax: +43 1 98 22 148 RUSZ@avalon.at

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