"Die ausweglose Lage vor Augen geführt"

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Zwei Filmemacher geben der slowenischen Minderheit in Kärnten eine Stimme und schaffen damit ein politisches und gesellschaftliches Sittenbild Österreichs.

Junge Kärntner Slowenen gehen Anfang der 1970er Jahre in Klagenfurt und Kärnten auf die Straße, um zu demonstrieren. Die Leute fordern die Erfüllung der in Artikel 7 des Staatsvertrages festgelegten Rechte für die slowenische Minderheit. Da die Politik ihren Verpflichtungen nicht nachkommt, beginnen einige Slowenen, die Ortstafeln selbst zweisprachig zu beschriften. Später kommt es am Jahrestag der Volksabstimmung zum Ortstafelsturm durch Kärntner Deutschnationale.

Mit diesem Szenario setzt der Dokumentarfilm "Artikel 7 - Unser Recht" von Eva Simmler und Thomas Korschil ein. Der Ortstafelstreit bildet den Ausgangspunkt ihrer eingehenden Auseinandersetzung mit dieser nach außen hin oft banal erscheinenden Problematik. Simmler und Korschil blicken hinter die Kulissen eines Konflikts, der zwar in den Medien derzeit sehr präsent ist, dessen Wurzeln und Hintergründe aber selten in seiner historischen Komplexität beschrieben werden.

Slowenophobe Stimmung

Die Schilderung des Kampfes zur Umsetzung des Artikels 7 überlassen die beiden Regisseure zu einem Großteil den Hauptprotagonisten selbst. In zahlreichen Interviews erinnern sich Angehörige der slowenischen Minderheit an die Ereignisse der 1970er Jahre und beschreiben die Situation der Kärntner Slowenen damals und heute. Wortspenden von Politikern und der Bevölkerung vermitteln ein aufschlussreiches Bild der herrschenden slowenophobe Stimmungslage der vergangenen Jahrzehnte. Dazwischen werden mittels Archivaufnahmen des orf oder rtv Slovenija das Rad der Zeit zurückgedreht und die Ereignisse von damals zum Leben erweckt. Einige Archivaufnahmen sprechen für sich, wenn etwa der Kommentator der tv-Liveübertragung zu den Feiern des Jahrestags der Volksabstimmung allzu ausführlich mit der Beschreibung der Trachtendirndln und Kärntneranzüge beschäftigt ist.

Simmler und Korschil gelangen über die Problematik der Kärntner Slowenen zu einer breiteren Auseinandersetzung mit dem politischen und gesellschaftlichen Zustand Österreichs. Kärnten wird zum Stellvertreter für Fragen der österreichischen Identität sowie des Umgangs mit der Vergangenheit und dem multikulturellen Erbe der Monarchie. In ihrer Dokumentation geben die Regisseure vor allem jenen Leuten eine Stimme, die schon zu lange erfolglos um ihr Recht gekämpft haben.

ARTIKEL 7 - Unser Recht!

Clen 7 - Nasa Pravica!

A/SLO 2005.

Regie: Thomas Korschil und Eva Simmler.

(deutsch-slowenische Originalversion mit deutschen Untertiteln)

Navigator Film. 83 Min.

Der Film "Artikel 7 - Unser Recht" wurde letzte Woche in Kärnten gezeigt. Die Regisseure Eva Simmler und Thomas Korschil waren bei allen Aufführungen anwesend - mit Thomas Korschil hat die furche über seine Erlebnisse bei dieser Kärnten-Tournee gesprochen.

Die Furche: Wie waren die Publikumsreaktionen auf den Film?

Thomas Korschil: Wir haben den Film vor allem vor Angehörigen der slowenischen Minderheit gezeigt. Die Reaktionen waren durchwegs positiv. Letztlich hat der Film bei vielen Zusehern aber eine depressive Stimmung erzeugt, da den Leuten ihre Lage selten so direkt vor Augen geführt wurde und sie nicht wissen, wie ein Ausweg gefunden werden könnte.

Die Furche: Wie ist ihr persönlicher Zugang zu diesem Thema?

Korschil: Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes im Jahr 2001 hat unser Interesse geweckt. Es erschien uns merkwürdig, dass das Aufstellen von Ortstafeln so große Aufregung auslöst, als ob es keine wichtigeren Angelegenheiten gäbe. Als politisch interessierte Österreicher begannen wir uns näher mit dem Thema zu beschäftigen und zu recherchieren. Es war für uns auch die Aneignung eines Teils österreichischer Geschichte, die wir selbst nicht bewusst miterlebt haben. Viele Angehörige der slowenischen Minderheit haben uns aber gefragt, warum wir das machen und ob wir selbst Kärntner Wurzeln hätten. Offenbar ist es nicht üblich, dass sich Außenstehende solidarisch mit ihnen zeigen.

Die Furche: Man hört nur von den Ortstafeln, welche sonstigen Probleme gibt es für die slowenische Minderheit?

Korschil: Im Mittelpunkt steht sicherlich das Problem des zweisprachigen Unterrichts. Er wird von der Bevölkerung nicht wirklich anerkannt und diejenigen, die ihn umsetzen möchten, können dies nicht in Ruhe tun. In kenne den Fall eines Lehrers, der ständig eingeschüchtert und in seiner Arbeit behindert wurde und jetzt in Frühpension ist.

Die Furche: Im Film beschreibt eine Slowenin die slowenophobe Stimmung im Kärnten der 1970er Jahre. Wie erleben Sie die Situation heute?

Korschil: Ich denke, dass dies immer noch zutrifft. Es kommt teilweise zu regelrechten Hetzkampagnen seitens der Politik und der Medien, in denen eine deutschnationale Stimmung verbreitet wird, die die Bevölkerung dann übernimmt. Bei einer unserer Vorführungen traute sich zum Beispiel der gastgebende Wirt, ein Angehöriger der slowenischen Minderheit, nicht, die Veranstaltung öffentlich anzukündigen. Er hatte Angst, dass die Deutschnationalen nicht mehr in sein Wirtshaus kommen könnten, wenn sie erfahren, dass er diese Filmvorführung unterstützt.

Das Gespräch führte Ernst Pohn.

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