Die Barmherzige Schwester als Managerin

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Sie trat als Spätberufene mit Anfang 30 in den Orden der Barmherzigen Schwestern ein. Heute ist Sr. Josefa Michelitsch Geschäftsführerin der Vinzenz-Krankenhausgruppe.

Sie hat lange gezögert, ehe sie die Zustimmung zum Porträt gegeben hat. Denn sie will nicht als Person im Mittelpunkt stehen. Ihr offizieller Lebenslauf umfasst gerade einmal fünf dürre Zeilen. Und als Managerin will sie schon gar nicht bezeichnet werden, obwohl sie ohne Zweifel eine ist. Schwester Josefa Michelitsch führt gemeinsam mit Michael Heinisch die Vinzenz Gruppe Krankenhausbeteiligungs- und Management GmbH. Der promovierte Betriebswirt kam 2001 vom Management Zentrum St. Gallen in den Spitalskonzern. Bei der Vinzenz-Gruppe handelt es sich um den größten gemeinnützigen Spitalsträger Österreichs, der nicht in öffentlichem Eigentum steht. Die Spitalsgruppe verfügt über rund 5000 Mitarbeiter, und in den sieben Krankenhäusern stehen 2200 Betten zur Verfügung.

Es war ein langer Wege mit vielen Umwegen und Nebenstationen, den Schwester Josefa zurückgelegt hat, um dort anzukommen, wo sie jetzt steht. Die gebürtige Wienerin (Jahrgang 1942) ist in Kindberg aufgewachsen. Die Eltern waren während des Zweiten Weltkriegs in die Steiermark gezogen, um mit den beiden Töchtern den unmittelbarsten Kriegsereignissen zu entkommen. Schwester Josefa erinnert sich noch lebhaft an die Nachkriegszeit, als jede Reise nach Wien mit unzähligen Schwierigkeiten verbunden war, weil man die bürokratischen Barrieren der verschiedenen Besatzungszonen zu überwinden hatte.

Germanistik und Wirtschaftskunde

In Bruck an der Mur besuchte Michelitsch das Gymnasium, wo sie 1960 maturierte und – bis Anfang der 60er Jahre eine Rarität – die Möglichkeit bekam, ein Jahr in die USA zu gehen. Sie erhielt ein Mittelschulstipendium und besuchte die High School in New Heaven. „Das hat meinen Horizont unglaublich erweitert“, sagt Schwester Josefa noch heute im Rückblick nach vielen Jahren. Zurück in Österreich folgte sie der älteren Schwester nach Wien, die das Studium der Musikwissenschaft aufgenommen hatte. Die spätere Barmherzige Schwester begann mit dem Studium der Theaterwissenschaft, Germanistik und schließlich der Wirtschaftskunde. Daneben jobbte sie als Sekretärin unter anderem bei einer Baufirma und landete schließlich bei der Tiroler Tageszeitung beim damals sehr bekannten Journalisten Alexander Vodopivec. Als Vodopivec ein Angebot der Kronen Zeitung annahm, folgte ihm Michelitsch als seine Sekretärin.

Als der Top-Journalist klassischen Zuschnitts nach wenigen Monaten Erfahrung mit dem Kleinformat genug hatte und zum ORF wechselte, war auch für die spätere Schwester Josefa die Zeit des Wechsels gekommen. Sie hatte schon früh neben ihrer religiösen auch ihre soziale Neigung entdeckt und beim Afro-Asiatischen Institut sowie als Sonntagshelferin bei den Barmherzigen Schwestern in der Gumpendorfer Straße im 6. Wiener Gemeindebezirk mitgearbeitet. Vor allem die Arbeit der geistlichen Schwestern im Spital empfand sie als sinnstiftend für ihr Leben. Michelitsch folgte Mitte der 60er Jahre endgültig ihren Neigungen und begann zunächst eine Ausbildung als Religionslehrerin.

Materielle und geistige Armut

Gegen den Willen des Vaters entschied sie sich, Klosterschwester zu werden. Sie absolvierte die Krankenpflegeschule und trat 1973 in den Orden der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul (1581–1660) ein. 1976 wurde sie zur Profess zugelassen. Warum es gerade dieser Orden wurde, beantwortet Schwester Josefa mit „Berufung“, um dann nachdenklich anzufügen: „Das Herz hat Gründe, die der Verstand nicht kennt.“

Der Kampf gegen die Armut im weitesten Sinn ist Schwester Josefa spürbar ins Herz geschrieben, wenn sie von den Anfängen der Barmherzigen Schwestern in Wien erzählt. Sie nahmen sich Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem der armen, unbetreuten Kranken an, aber auch der Waisenkinder, die – wie die heutigen „Straßenkinder“ in den verarmten Ländern – sich selbst überlassen waren und hauptsächlich durch Betteln überlebten. Krankenhäuser, Waisenhäuser und „Kinderbewahranstalten“ wurden im Laufe der Jahre gegründet. Und wenn Schwester Josefa von ihrem heutigen Anliegen, dem Kampf um eine „Medizin mit Qualität und Seele“, spricht, dann wird klar, dass es ihr nicht nur um materielle Armut geht. Sie setzt sich kraftvoll dafür ein, dass der Ordensauftrag in der Vinzenz-Gruppe weiter erhalten bleibt. Dieser geht über die rein medizinische Behandlung und Betreuung der Patientinnen und Patienten in den Spitälern weit hinaus. Auf Basis christlicher Werte steht im Zentrum eine Kultur des Mitfühlens, verbunden mit hoher Qualität in Medizin und Pflege, die auch die psychische und religiöse Dimension des Menschen einbezieht. Schwester Josefa: „Wir streben danach, den Menschen Fürsorge, Achtung und Möglichkeit der Selbstbestimmung selbst in den schlimmsten Momenten ihres Lebens zu geben.“ Der zutiefst christliche Wert der liebevollen Zuwendung ist Grundlage dafür. Medizinische und pflegerische Qualität muss ohnedies in jedem modernen Spital gewährleistet sein. Der Mehrwert liegt in der gesamtheitlichen Betrachtung der Patienten in ihrer menschlichen Würde.

Diese gelte es auch in den letzten Momenten des Lebens zu wahren. Deshalb schließt der Kampf der Schwestern und ihrer Verbündeten um eine „Medizin mit Qualität und Seele“ auch jenen um eine neue Kultur des Sterbens ein. Tod und Sterben seien Teil des Lebens und dürften daher nicht länger tabuisiert werden. Das zur Vinzenz-Gruppe zählende Hospiz St. Raphael im Krankenhaus Göttlicher Heiland war die erste Palliativstation Österreichs, der die entsprechenden Abteilungen in den Krankenhäusern in Ried und Linz folgten. Hier werden die Kranken auf ihrer letzten Wegstrecke mit besonderer Zuwendung betreut.

Dass der vinzentinische Ordensauftrag auch in Zukunft gelebt werden kann, dafür haben die Barmherzigen Schwestern seit Beginn der 90er Jahre hart gearbeitet. Damals wurde ihnen klar, dass sie über zu wenig eigenen Nachwuchs verfügen, um die Spitäler weiter unter geistlicher Führung halten zu können. Es folgte der mühsame Umbau der Krankenhäuser in eine zeitgemäße Unternehmensgruppe mit modernem Management. Dass dabei zwei Kulturen – die geistliche und die weltliche – und zugleich auch zwei Generationen aufeinanderprallten, machte die Aufgabe der Integration nicht immer leicht. „Manchmal bin ich mir wie eine Dolmetscherin vorgekommen“, meint Geschäftsführerin Michelitsch.

Dankbar für ein geglücktes Leben

Die mühevolle Arbeit hat sich gelohnt. Mit Jahresende wird die Vinzenz-Gruppe, zu der die Krankenhäuser der Barmherzigen Schwestern in Wien, Linz und Ried, das Orthopädische Spital Speising, das St. Josef-Krankenhaus, das Krankenhaus Göttlicher Heiland und das Herz-Jesu-Krankenhaus gehören, in eine gemeinnützige Stiftung der Barmherzigen Schwestern eingebracht. Als Stiftungszweck soll vorrangig die Führung gemeinnütziger Gesundheitseinrichtungen im Sinne des Ordensauftrags genannt werden. Schwester Josefa will sich dann als Geschäftsführerin zurückziehen. Sie bleibt jedoch weiterhin Generalökonomin der Kongregation.

„Leben in Einheit – mit Gott und den Menschen“: Dies ist die Antwort der Barmherzigen Schwester auf die Frage nach den glücklichsten Momenten ihres ungewöhnlichen Wegs – und nach einer längeren Pause fügt sie hinzu: „Ja, ich denke, Gott hat mir ein geglücktes Leben geschenkt, und ich bin unendlich dankbar.“

* Die Autorin ist Publizistin und Kommunikationsstrategin in Salzburg und Wien

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