Die Bürger vor Gefahr warnen und schützen

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Wenn Gruppen unter dem Deckmantel von Religion Abhängigkeiten erzeugen, dann muss die Behörde eingreifen.

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Wenn Gruppen unter dem Deckmantel von Religion Abhängigkeiten erzeugen, dann muss die Behörde eingreifen.

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Religionsfreiheit bedeutet auch: Es muss dem einzelnen Bürger möglich sein, seine Weltanschauung frei zu wählen. Dies beinhaltet vor allem die Gewährleistung des freien Ein- und Austritts aus jedweder Gruppierung. Es ist kein Widerspruch, wenn die österreichische Verfassung die Religions- und Meinungsfreiheit des Einzelnen garantiert, Behörden gleichzeitig aber über Sekten informieren.

Anwerbung und Versprechungen vieler Gruppierungen sprechen positive Gefühle wie Geborgenheit, Gemeinschaft, Gesundheit an. Erst in einer späteren Phase der Mitgliedschaft wird der gesamte weltanschauliche Hintergrund deutlich - ein System, dass darauf abzielt nicht nur ein paar Stunden Freizeit sondern auch das gesamte Verhalten des Einzelnen neu zu strukturieren und den Vorstellungen der Gruppe anzupassen. Als Sekteneinsteiger, erkennt man die sukzessive Wandlung nicht, für Außenstehende kann sie hingegen unverständlich, für Angehörige bedrohlich sein.

Nicht eine Verurteilung einer Gruppe per se oder die Kritik am einzelnen Mitglied ist dabei das Ziel von Informationsmaßnahmen zur Thematik Sekten, schon gar nicht eine Abwertung der religiösen Anschauung. Aufgabe ist es, allein die Methoden und Strukturen zu dokumentieren, die für Einzelne bedenklich sein könnten. Diese Arbeit ist umso wichtiger, als ein Überblick über alle in Österreich tätigen Gruppen für den Bürger nicht mehr möglich ist.

Medienberichte allein betreffen nur jene Gruppen, die durch tragische Vorfälle oder ihre eigene mas-sive Werbung im Rampenlicht stehen. Viele andere Vereinigungen werden medial kaum beachtet. Um über diese umfassende Information zu erhalten, bedarf es neben der Eigendarstellung der Gruppe auch der Sammlung vieler anderer Quellen.

Diese Art von Informationsarbeit wird seitens des Staates durch Broschüren, wie "Sekten - Wissen schützt" oder durch die Bundesstelle für Sektenfragen geleistet. Dabei soll der Werbung und Darstellung von sektiererischen Gruppierungen eine öffentliche Information gegenübergestellt werden. Bürger können sich dann aus dieser Informationspalette ihre eigene Meinung bilden. Die Entscheidung über den weiteren Umgang mit einer Gruppe wird dem Einzelnen damit nicht abgenommen, diese muss jeder für sich selbst treffen.

Sekteninformation ist eine sensible Materie, die nicht allein in den Händen von privaten Einrichtungen liegen sollte. Für den Informationssuchenden - und für die Gruppen - muss sichergestellt sein, dass eine sachliche und objektive Arbeit geleis-tet wird. In diesem Sinne gibt es einen konstruktiven Dialog der Behörden mit einzelnen Gruppierungen.

Der Staat macht es sich auch in anderen Bereichen zur Aufgabe, den Bürger vor Gefährdungen zu schützen und zu warnen. Im Bereich der Verkehrssicherheit oder beispielsweise beim Nikotinkonsum greift der Staat ein: Jede Zigarettenpackung muss mit Warnhinweisen versehen werden, Jugendschutzgesetze reglementieren den Konsum und Behörden unterstützen Informations- und Präventionskampagnen. Zum Thema Sekten geschieht dies nicht so intensiv, obwohl auch hier Abhängigkeiten möglich sind.

Fazit: Religiosität muss dem Einzelnen überlassen bleiben, ob er darin Erfüllung findet oder auch nicht. Wenn aber einzelne Gruppen, unter dem Deckmantel von Religion, Abhängigkeiten erzeugen, das Familienleben beeinträchtigen und finanziell schädigen, dann ist es die Aufgabe der Behörden, entsprechende Maßnahmen zu setzen. Tragische Vorfälle in anderen Staaten (zum Beispiel den USA), bei denen schlussendlich mit vehementer staatlicher Gewalt vorgegangen wurde, sind in Österreich noch nie vorgekommen. Dies zeigt vielleicht, dass der österreichische Weg der Information und Vorbeugung maßvoll und zielführend ist.

Der Autor ist Beamter im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen und für jugendpolitische Angelegenheiten der Prävention und der sogenannten Sekten zuständig.

Zum Thema: Religionsfreiheit Österreich mache - etwa durch das Sektenbüro - bewusst Propaganda gegen religiöse Gruppen. Religiöse Minderheiten würden benachteiligt, überwacht, boykottiert. So hieß es in einem Bericht der Presse über eine Resolution, die kürzlich im außenpolitischen Ausschuss des US-Repräsentantenhauses angenommen wurde.

Neben Österreich werden Frankreich, Deutschland und Belgien wegen ihrer angeblichen Ungleichbehandlung religiöser Gemeinschaften (vor allem Zeugen Jehovas und Scientology) kritisiert. Daneben äußerte das US-Außenministerium die Befürchtung, die Regierungsbeteiligung der FPÖ werde das Klima für religiöse Minderheiten weiter verschärfen. Denn wiederholt wurden aus deren Reihen Aussagen getätigt, die als intolerant und antisemitisch betrachtet werden. WM

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