digitalisierung - © Foto: Victoria Schwendenwein

Die Digitalisierung der Gemeinden

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Der Breitbandausbau soll den ländlichen Raum vernetzen und der Landflucht entgegenwirken. Ein Forschungsteam aus Linz untersucht, ob das überhaupt möglich ist – und wie sich Corona darauf ausgewirkt hat.

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Der Breitbandausbau soll den ländlichen Raum vernetzen und der Landflucht entgegenwirken. Ein Forschungsteam aus Linz untersucht, ob das überhaupt möglich ist – und wie sich Corona darauf ausgewirkt hat.

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Ein in Ort im südlichen Niederösterreich: In den vergangenen Jahren wurde massiv in den Infrastrukturausbau investiert. Die Folge: Zuzug. Der ÖVP-Bürgermeister zeigt sich stolz auf ein reges Gemeindeleben vom Sportverein über Konzerte bis zum neu gegründeten Bauernmarkt. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion wird die Frage diskutiert: Ist die Gemeinde das Fundament der Gesellschaft? Der Bürgermeister zeigt sich überzeugt: „Eine Gemeinde kann nie genug Angebot für ihre Bürger haben.“ Der ehemalige burgenländische SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl, der als Gastredner angereist ist, gibt ihm recht. Die Schlüssel für gelebte Gemeinschaft sieht er in Anreizen für das Ehrenamt sowie Angeboten, welche die Gemeinde zu einem Rückzugsort machen – als Gegenpol zur Globalisierung.

Zur selben Zeit finden sich im besagten Ort – wie in vielen anderen Orten in Österreich – diese Bilder: aufgegrabene Straßenränder, Erdbewegungen, Baustellen. Vom Boden- bis zum Neusiedlersee werden im ländlichen Raum gerade Glasfaserkabel verlegt. Die Arbeiten prägen den Alltag der Menschen. Gegraben wird vor Privathäusern ebenso wie vor öffentlichen Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Gemeindeämtern oder Kirchen. Und jede(r) muss selbst die Ärmel hochkrempeln, will er oder sie auf dem eigenen Grundstück Anschluss ans schnelle Internet erhalten.

Milliarden für schnelles Internet

Die Pandemie hat viele Digitalisierungsvorhaben rasant vorangetrieben. Tirol und Niederösterreich gelten als jene Bundesländer, in denen der Ausbau am weitesten vorangeschritten ist. Seit gut zehn Jahren wird auf politischer Ebene von der „Digitalisierungsoffensive“ gesprochen, um strukturelle Nachteile des Landes auszugleichen und auf lange Sicht der Landflucht entgegenzuwirken. Die „Breitbandmilliarde“ des Bundes soll vor allem dorthin fließen, wo sich der privatwirtschaftliche Ausbau wie etwa in Städten nicht rechnet. Zuletzt hat das Finanzministerium 1,4 Milliarden Euro dafür freigemacht, bis 2026 sollen weitere 400 Millionen Euro für diese Projekt zur Verfügung gestellt werden.

Bislang haben von der Digitalisierung laut Städtebund vor allem jene Gemeinden besonders profitiert, die im Umland von Städten liegen und schon zuvor in die Infrastruktur investiert haben. Vielfach sind das dieselben Orte, in denen der Breitbandausbau weit fortgeschritten ist.

Ob die Digitalisierung auch zu mehr sozialer Vernetzung beiträgt, hängt aber vielfach vom individuellen Engagement einzelner Gemeinden ab. Zum Ausdruck kommt das in Foren und sozialen Netzwerken: Zufrieden mit dem Breitbandausbau zeigen sich vor allem jene, in deren Wohnort sich ein besonders hoher Prozentsatz für einen Glasfaseranschluss entschieden hat. Jene, die in Gemeinden ohne hohe Zustimmung leben, beschreiben oft ein mühsames Vorankommen im Digitalisierungsprozess.

Für Rita Phillips, Sozialpsychologin an der Universität Linz, ist das wissenschaftlich begründbar. „Gemeinden als Institutionen strukturieren das Zusammenleben für eine ganz klar abgegrenzte Population“, sagt sie. Je nach eigenen Interessen könne man sich als Individuum als Teil davon identifizieren oder nicht. In Bezug auf die Digitalisierung im ländlichen Raum greifen die digitale und die analoge Welt ineinander, so Phillips. Etwas, das ihr zufolge nur funktionieren kann, wenn es auch im analogen Leben Gemeinschaft gibt.

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