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Garten und die Natur sind auch Ressourcen für die Heilung psychischer Krankheitsbilder und die Entlastung von modernen Stresssyndromen. Eine Therapeutin berichtet aus der Praxis.

„Wenn mir alles zu viel wird, ziehe ich die Gummistiefel an und gehe in den Garten. Nach ein paar Stunden Wühlen in der Erde habe ich zwar schwarze Fingernägel und schmutzige Knie, aber ich bin wieder ich selber!“ So oder ähnlich erzählen mir Klienten, die eine heilsame Verbindung zu ihrem Garten aufgenommen haben.

Der Aufenthalt in der Natur, das In-Kontakt-Kommen mit den jahreszeitlichen Veränderungen, dem Kommen und Gehen als Metapher, vieles scheint geeignet, den Ansturm auf den Garten erklären zu können. Aber das ist es nicht alleine.

Grenzen festlegen

Ich selbst bin am Land aufgewachsen. Im Garten hinterm Haus habe ich als Kind mit Paradeisergesichtern gespielt (das waren die mit den „Nasen“, so etwas ist heute kaum mehr zu bekommen) und bin in eine andere Welt verschwunden, wann immer mir danach war. Am imaginären Gemüsemarkt diente mir eine Erbsenschote als Portemonnaie und Maiskolben mit langen Haaren als Spielfiguren.

Als Erwachsene, mittlerweile Psychologin und geschult in Hypnotherapie, mit Metaphern und magischen Geschichten (wieder) vertraut, habe ich diesen Zugang schätzen gelernt. Als Kind war ich draußen in der Natur, im Garten einfach frei!

Eingefleischte Großstädter mögen sich jetzt fragen: Warum tut es so gut, sich vorsätzlich dreckig zu machen? Es scheint, als kämen wir bei der Arbeit im Garten mit Themen in Berührung, die mit unserem inneren Wachstum in Verbindung stehen. Die Arbeit im Garten außen hat Auswirkung auf den Garten innen, aber sehen wir uns das im Einzelnen an:

Der Garten ist, anders als die weite Flur, ein begrenztes Gebiet, in dem wir Pflanzen um ihres Nutzens (Verzehr, Kleidung, Sichtschutz etc.) oder ihrer Schönheit (eigentlich auch ein Nutzen: für unsere Sinne!) hegen. – Der innere Garten ist ein geschütztes Gebiet, in dem wir unsere Ressourcen und Fähigkeiten heranziehen können, wo wir uns ausprobieren und Neues lernen möchten.

Die Grenzen festzulegen ist die erste Aufgabe, um einen Garten anzulegen. Dabei geht es im inneren Garten um unsere persönlichen Grenzen und die Frage, mit welchen Mitteln wir sie aufrechterhalten.

Ist das Gebiet bestimmt, geht es ans Ordnungmachen. Noch Brauchbares wird aussortiert und kann in einem anderen Zusammenhang nützlich sein, indem es z. B. am Komposthaufen zu Humus verrottet. – Auch im Inneren hegen wir Fähigkeiten, die in einem anderen Kontext nützlicher sein können. Das was uns vergiftet, gehört aufgespürt, eingesammelt und entsorgt, im Innen wie im Außen. Überholte Glaubenssätze können nach ihrer Transformierung wie Dünger auf unser Selbst einwirken.

Als nächstes muss der Boden analysiert werden. Ist er nährstoffreich oder gehört er angereichert? Nicht nur die oberste Schicht gerät ins Blickfeld, durch das anschließende Umgraben haben auch tiefer liegende Nährstoffe die Möglichkeit an die Oberfläche zu gelangen. – Im inneren Garten heißt das, die Basis in Augenschein zu nehmen: Handelt es sich um ein vorübergehendes Phänomen oder liegen die Ursache tiefer? Wo liegen Ressourcen brach?

Der innere Garten

Zeiten, wo ein neuer innerer Garten angelegt werden soll, sind Zeiten, wo Gewohntes nicht mehr passt. Es sind zumeist Umbruchsphasen, in denen wir uns „wie umgegraben“ fühlen können. Dieses Bild kann hilfreich sein für Klienten, denen es nicht schnell genug gehen kann und die einsehen müssen, dass sie ihr ganzes Leben schon ernten wollten, bevor sie noch gesät hatten.

Das Leben im Garten ist unbestechlich. Es folgt seinen vorgegebenen Gesetzen. Jede Tätigkeit baut auf die vorhergehende auf. Während des Umgrabens zum Beispiel ist keine andere Arbeit möglich. Deshalb soll es auch nicht Selbstzweck sein, um den nachfolgenden Schritten auszuweichen. Vielmehr beleuchtet es im inneren Garten die Frage: Wodurch bin ich geworden, wie ich heute bin? Es folgt die Aussaat oder Einpflanzung dessen, was wir für unseren Garten bewusst gewählt haben. Manche Pflanzen eignen sich besser für unseren Boden und kommen seiner Eigenart mehr entgegen als andere. Wenn es mit viel Aufwand und Pflege auch machbar ist, in der Wüste einen Golfplatz anzulegen, bleibt dennoch die Frage offen, ob nicht jeder Flecken Erde eine ureigene Schönheit besitzt, die zum Erblühen gebracht werden kann. Wenn wir uns durch das Umgraben der Qualität und Beschaffenheit unseres Nährbodens bewusst geworden sind, werden wir auch wissen, welche Pflanzen sich besser einfügen werden und welche weniger. – Das, was uns ausmacht, können wir am besten leben, und es macht uns ganz nebenbei am zufriedensten!

Eine Überprüfung, ob sich alles wie geplant entwickelt, ist auch im Garten notwendig: verjüngen, ausdünnen, versetzen. Nicht immer verläuft alles nach Plan. Das Auftreten von Unerwartetem kann Anlass geben, noch einmal Pflanzenstandort, -Auswahl usw. zu überdenken und nötigenfalls zu korrigieren. Im inneren Garten werden wir meist nach traumatischen Erfahrungen angeleitet, für uns nachzuprüfen, ob der eingeschlagene Weg weiterhin passt. Eine Neubestimmung kann dabei nötig werden.

Das Ende des Zyklus

Die Routinearbeiten im äußeren Garten wie gießen, jäten oder Laub zusammenkehren entsprechen der Psychohygiene im inneren Garten. Wo brauche ich Energie und wo kann ich Energieraubendes loslassen?

Erst nach langen Phasen der Aufmerksamkeit auf die Setzlinge, dem Bewahren und Bewässern folgt die Phase der Ernte. Die Zeit der Ernte gehört genutzt, solange sie da ist und die Früchte die richtige Reife besitzen. Jetzt dürfen wir die Früchte unserer Bemühungen heimbringen und sie genießen. – Im inneren Garten bringen wir ebenfalls die Früchte unserer Bemühungen heim: Wir konzentrieren uns bewusst auf die Freuden, die uns unser Leben Tag für Tag bringt, und halten Ausschau nach Erlebnissen, die uns auf unserem Weg der Zufriedenheit bestätigen: „Das habe ich gut gemacht!“

Der Zyklus ist zu Ende. Ein kluger Gärtner wertet nun seine Erfahrungen aus. Er rüstet seine Pflanzen für den Winter. Wenn er Einbußen hinnehmen musste, wird er sich Änderungen für den kommenden Wachstumszyklus überlegen. Er baut vielleicht Pfähle und Stützen, sorgt vor gegen ein Zuwenig oder ein Zuviel an Wasser oder pflanzt Hecken gegen den Wind. Im inneren Garten können wir Durstrecken nicht verhindern.

Wir können uns aber vorbereiten und darauf entschlossen reagieren. Die innere Bereitschaft, trotz Rückschlägen weiterzumachen, führt auch hier zum Erfolg.

Die Erinnerung daran, was wir gut gemacht haben, schmeckt uns später so süß wie die eingekochte Marmelade im Winter!

Es war ein Glücksfall für mich, mir meiner heilsamen Verbindung zur Natur bewusst zu werden. Seither sehe ich die Natur nicht mehr von außen.

Und so war es eine natürliche Entwicklung, meine Erfahrungen auch in meine psychologische Arbeit einzubringen. Es ist immer wieder erstaunlich, zu beobachten, wie Menschen angeregt durch die „naturbezogene Psychologie“ ihre Ressourcen und Resilienz zu fördern imstande sind. Oder wie es ein Klient einmal formuliert hat: „Man kann aus seinen Schwierigkeiten auch herauswachsen!“

„Ein Buch ist ein Garten, den man in der Tasche trägt“ besagt ein afrikanisches Sprichwort. „Was wir vom Gänseblümchen lernen können- die psychologische Wirkung der Natur auf die Gesundheit“ ist das Buch zum Thema. Für all jene, die sich ihrem Garten allein in der Phantasie widmen möchten gibt es die dazugehörige CD zur Tiefenentspannung „Eine Reise in einen besonderen Garten“ (Im Kombipaket, ISBN 978-3200-01192-2). www.psychologin-bgld.at

Von Petra Klikovits, Freya-Verlag 2008, 120 S. brosch. € 27,63

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