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Ab welchem Zeitpunkt hat ein Mensch Anspruch auf Menschenrechte? Beginnen diese erst bei der Geburt oder bei der Befruchtung? Und wer wahrt die Menschenrechte jener Personen, die am Ende ihres Lebens stehen oder schwer krank sind und unter Umständen nicht mehr selbst für ihre Rechte eintreten können? Das Problem beginnt schon bei der Definition, was Leben ist. Laut österreichischem Fortpflanzungsmedizingesetz beginnt das Leben bei In-vitro-Fertilisationen wenn eine befruchtete Eizelle in eine Entwicklungsdynamik tritt, die zur Zellteilung führt. Dagegen ist der Beginn des Lebens bei auf natürlichem Weg gezeugten Kindern -etwa im deutschen Gesetz -erst mit der Einnistung des Embryos in der Gebärmutter definiert.

Wäre dem nicht so, "würde die Verhütungsmethode der Spirale, die unter anderem die Einnistung einer bereits befruchteten Eizelle verhindert, als Abtreibung gelten", so der Theologe, Philosoph und Arzt Matthias Beck, der Medizinethik an der Universität Wien lehrt. Der Fall zeigt, wie schwierige es ist, zu einer allgemein gültigen Definition von Menschenrechten am Anfang und am Ende des Lebens zu kommen. Beck meint, der ethische Würdebegriff Immanuel Kants sei hier besonders wichtig: "Die Würde des Menschen ist klar von dem Wert einer Sache zu unterscheiden. Während man Dinge einfach ersetzen kann, ist jeder Mensch einmalig und unverwechselbar." Und er verweist auf den ersten Artikel der Grundrechtecharta des Vertrags von Lissabon: "Die Würde des Menschen ist unantastbar."

Der Passus deckt sich mit Artikel 1 der UNO-Menschenrechtserklärung. Artikel 2 der EU-Charta: "Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben und körperliche sowie geistige Unversehrtheit." Deshalb, so Beck, sei es etwa verboten, einen Menschen per In-vitro-Fertilisation der Forschung willen zu zeugen und anschließend wieder zu töten. In einem solchen Fall spräche man nämlich von der Totalverzweckung eines Menschen, welche -zumindest in Österreich und Deutschland -strikt verboten ist. Dem österreichischen Gesetz nach dürfe ein Embryo durch In-vitro-Fertilisation daher nur gezeugt werden, damit ein Kind daraus hervorgeht. Schwangerschaftsabbrüche sind außerdem nur unter bestimmten Umständen straffrei.

Ebenso sind auch am Ende des Lebens die Rechte des Menschen oft nicht eindeutig definiert. Die immer wieder gestellte Frage: Ist es aber nicht ein Menschenrecht, selbst entscheiden zu können, ob Behandlungen fortgesetzt und lebensverlängernde Maßnahmen ergriffen werden sollen? Eine schriftliche Patientenverfügung ist verbindlich, der Arzt muss dem darin festgehaltenen Willen des Patienten also Folge leisten. Bei einer mündlichen Patientenverfügung kann der Arzt sich an die Verfügung halten, muss es aber nicht. "In all diesen Situationen ergeben sich natürlich oft Konflikte. Häufig kann man nur am Einzelfall entscheiden", sagt Beck.

Aktive und passive Sterbehilfe

Immer wieder im Zentrum steht auch die aktive Sterbehilfe: In Österreich, Deutschland und der Schweiz ist die aktive Sterbehilfe, die direkte Tötung, außerdem gesetzlich verboten. Dem Argument, dass man dem Willen des Menschen doch nachkommen müsse, hält Beck Erkenntnisse aus der Selbstmordforschung entgegen. "Wir wissen heute, dass viele Menschen, die sich das Leben nehmen wollen, keineswegs frei in ihrer Entscheidung sind. Sie sehen keinen Ausweg aus ihrer Notsituationen, haben eine Art Tunnelblick." Ist das am Lebensende oder mit schwerer Krankheit auch so? Schmerzen, Einsamkeit, der Druck, den Verwandte, Krankenkassen oder die Gesellschaft auf die betroffenen Personen ausüben - all das könne die Entscheidung beeinflussen.

In der Schweiz ist der assistierte Suizid möglich. In Deutschland gibt es seit Kurzem ein Gesetz, das in ganz besonderen Ausnahmefällen den assistierten Suizid ebenfalls zulässt, aber nicht gewerbsmäßig. Der Unterschied zur direkten Tötung des Patienten besteht darin, dass dieser das Gift selbst trinken muss, statt es verabreicht zu bekommen.

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