Die guten Seiten der bösen Stiefmutter

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Ob in "Aschenputtel“, "Schneewittchen“ oder "Frau Holle“: Stiefeltern - vor allem Stiefmütter - sind in Grimms Märchen die personifizierte Herzlosigkeit. Um diese Begriffe von ihren negativen Assoziationen zu befreien, hat der dänische Familientherapeut Jesper Juul einen neuen Begriff für diese "zusätzlichen“ Väter und Mutter kreiert: "Bonuseltern“. Patchwork-Familien müssten sich "vor denselben Fallgruben in Acht nehmen wie die traditionelle Kernfamilie“, schreibt Juul und gibt in seinem Ratgeber Tipps, wie "Bonuseltern“ diese Fallgruben umgehen können. Unbedingte Voraussetzung dafür seien freilich der Wille zur persönlichen Entwicklung, Verstand und Konfliktfähigkeit.

Der 63-jährige Autor zahlreicher Familienratgeber spannt den Bogen vom Zeitpunkt der Trennung der leiblichen Eltern über das erste Kennenlernen des neuen Partners bis hin zum bestmöglichen Umgang mit dem oder der Ex. Er gibt konkrete Anregungen für Gesprächseinstiege, rät aber auch, als "Bonuselternteil“ authentisch zu bleiben, da sich Integrität am Ende immer bezahlt mache.

Nicht mit dem Kind konkurrieren

In jedem Falle müsse den Kindern des neuen Partners oder der neuen Partnerin genügend Zeit gelassen werden, denn "ein guter Kontakt ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit einem engen Kontakt“, so Juul. Es sei sinnlos, mit dem Kind um den ersten Platz auf der Prioritätenliste des Partners zu konkurrieren - vielmehr sollte akzeptiert werden, dass man als neuer Lebensgefährte oder neue Lebensgefährtin nicht das Allerwichtigste im Leben des Partners sein könne, wenn es ein Kind aus einer früheren Beziehung gebe. Den verschiedenen, möglichen Krisen und Konflikten in diesem komplexen System an Liebesbeziehungen widmet Juul kurze Kapitel mit Ratschlägen. So sei etwa ein regelmäßiges Familientreffen von Vorteil, um Frustration und Unruhe bei den Kindern zu vermeiden.

Wie schon der Titel zeigt, vertritt Juul eine durchaus positive Sicht auf Patchwork-Familien. Moderne und oft komplizierte Familienkonstellationen könnten durchaus als Chance gesehen werden. Bei allem Optimismus verliert er jedoch auch den Blick auf ein eventuelles Scheitern des Systems "Patchwork“ nicht ganz: Im letzten Kapitel zeigt er auf, wie mit einer missglückten "Bonusfamilie“ umzugehen ist. Ein Aspekt dabei ist der Abschied von den wieder verlorenen "Bonuskindern“ und wie dieser am besten zu gestalten sei. Eine Herausforderung bleiben Patchwork-Familien allemal, aber damit sind sie nicht allein, glaubt Jesper Juul: "Was wir über Patchwork wissen: Es ist nicht einfach. Aber es ist ja in keiner Familie einfach.“ (sw)

Aus Stiefeltern werden Bonuseltern

Chancen und Herausforderungen für Patchwork-Familien

Von Jesper Juul, Verlag Kösel 2011

128 Seiten, geb., e 16,50

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