Die Heilung des Euro-Leidens

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Wo steht die Finanzmarktregulierung am Beginn des Jahres 2011? Was ist zu tun, damit nicht Fehler fortgesetzt werden, die zum Desaster führen? Eine Anleitung.

Die von der Finanzkrise ausgelösten Turbulenzen drohen, den europäischen Zusammenhalt entlang zweier entscheidender Bruchlinien zu erschüttern: Zum einen divergiert die Interessenlage der hoch verschuldeten Staaten gegenüber jenen Ländern, die ihre Haushaltslage im Griff haben, immer stärker. Sichtbar wurde dies zuletzt in der im November 2010 rund um die Zuspitzung der Irland-Krise aufgebrochenen Diskussion um die Beteiligung privater Schuldner an der Sanierung überschuldeter Staatshaushalte.

Nachdem der von EZB und Internationalem Währungsfonds aufgespannte Schutzschirm nun über Griechenland und Irland hinaus nun wohl auch von anderen EU-Staaten beansprucht wird, zeichnet sich ein möglicher Ausweg dahingehend ab, dass man sich zur Schaffung eines Europäischen Währungsfonds durchringt. Dieser würde analog zum Internationalen Währungsfonds innerhalb der Eurozone Sonderziehungsrechte an einzelne Länder vergeben. Am Ende stünde ein auch in fiskalpolitischen Fragen - also allen grundlegenden Bereichen der Steuer- und Budgetpolitik - enger akkordiertes Europa, dessen Währung dann nicht mehr durch spekulative Attacken gegen einzelne Mitgliedsstaaten angreifbar wäre. Die Begebung von Euro-Bonds würde einen ersten Schritt in diese Richtung darstellen.

Die zweite Bruchlinie verläuft zwischen Großbritannien und dem Kontinent. Sie trennt zwei voneinander sehr unterschiedliche Finanzierungskulturen. Die Sanierungskonzepte für krisenfestere Finanzmärkte entwickeln sich hier vor allem in der Frage auseinander, welche Aufgaben Banken in Zukunft vorrangig erfüllen sollen. Je nachdem, wie die Antworten auf diese Frage ausfallen, unterscheiden sich die Rezepturen - von der Reform der Bilanzierungsregeln über die Regulierung von Hedgefonds und die Transparenz in Schattenbanken bis hin zur Schaffung einer europäischen Rating-Agentur.

Auch wenn das heute noch schwer vorstellbar ist: In Zukunft könnten sich Allianzen einzelner Ländergruppen herausbilden, die andere und wohl strengere Regeln durchzusetzen versuchen als die vom Finanzplatz London stark abhängigen Briten.

Reformbedarf an vielen Ecken

Wenige Tage, nachdem die nach Ausbruch der Finanzkrise eingesetzte und von Jacques de Larosière geleitete Kommission im Februar 2009 ihren ersten Bericht zur Reform der europäischen Aufsichtsstruktur vorgelegt hatte, folgten Anfang März 2009 grundsätzliche Vorschläge zur Stärkung des Rechtsrahmens der EU für Finanzdienstleistungen. Man hatte eingesehen, dass das bisherige unkoordinierte Nebeneinander von Regelwerken in 27 Mitgliedsländern nicht nur einem Standort-Shopping der Marktteilnehmer Tür und Tor öffnete, sondern auch wegen der dadurch ausgelösten systemischen Risiken untragbar geworden war.

Seit dem 15. September liegen entsprechende Vorschläge für Verordnungen des europäischen Parlaments und des Rates vor. Im Mittelpunkt der geplanten Neuregelung steht der künftige Umgang mit Leerverkäufen, Garantien (Credit Default Swaps/CDS) und den damit zusammenhängenden Fragen der Markttransparenz. Die einschlägigen Dokumente spiegeln schon allein durch übervorsichtige Formulierungen in fast jedem Absatz wieder, wie zögerlich sich die Politik unter dem Druck des Dogmas möglichst ungebremster Finanzmarkt-Liberalität an wirklich substanzielle Reformen heranwagt. Viel zu milde reagiert nun der Verordnungsentwurf der EU-Kommission auf die längst manifest gewordenen Folgeschäden derart groß angelegter Spekulationen. Zum Schaden des Finanzplatzes Europa und der Steuerbürger seiner Mitgliedsstaaten ist lediglich vorgesehen, dass die zuständige Behörde eines Mitgliedsstaates (also nicht einmal die neu geschaffene gesamteuropäische Wertpapieraufsicht!) Transaktionen mit Garantieinstrumenten einschränken kann, wenn "eine ernst zu nehmende Bedrohung für die Finanzstabilität oder das Marktvertrauen in dem Mitgliedsstaat oder einem oder mehreren anderen Mitgliedsstaaten" gegeben ist.

Klarheit statt Scheinregelungen

Statt eines klaren Bekenntnisses zum Verbot jeglicher Leerverkäufe oder ungedeckter Garantiepositionen sollen also jene Regulierungsbehörden einzelner Länder, die schon vor der Krise keinerlei Begabung zur Prognose gezeigt hatten, dem Markt immer dann in die Speichen greifen, wenn die Spekulation zur Gemeingefahr wird. Solange das aber nicht der Fall ist, dürfen die Spekulanten alles gerade noch nicht ausdrücklich Verbotene tun, um ungehindert die Herbeiführung der Krisensituation zu beschleunigen und daran zu verdienen. Es fällt schwer, hinter einer solchen Scheinregulierung einen ernsthaften Gestaltungswillen zu erkennen.

Eine der meistdiskutierten Ideen zur "Heilung" der Folgen der Finanzmarktkrise ist die Schaffung einer Finanztransaktionssteuer. Mit einem Steuersatz von ein bis zwei Zehntel Promille von jeder Finanztransaktion könnten mit einer derartigen Finanztransaktionssteuer etwa 15 bis 30 Prozent des EU-Budgets aufgebracht werden. Österreichische Wirtschaftsforscher sehen bei einem Satz von 0,5 Promille eine Ergiebigkeit von bis zu 230 Mrd. Euro - mehr als das EU-Budget von ca. 130 Mrd. Euro.

Diese Idee hat viele neue Verbündete gewonnen. Sogar Lord Adair Turner, Chef der britischen Finanzmarktaufsicht, wagte sich mit der Meinung vor, der Finanzsektor sei steuerlich ohnehin weniger belastet als andere Wirtschaftssektoren - eine geringfügige Mehrwertsteuer auf Finanzdienstleistungen wäre daher ein Beitrag zu einem fairen Steuersystem. Und der liberale Economist meinte, darin ein Signal in Richtung einer "kontrollierten Globalisierung" erkennen zu können.

Der Verwirklichung stehen jedenfalls noch durchaus beträchtliche realpolitische und technische Hindernisse entgegen. So ist der Einhebungsmodus noch ebenso unklar wie die Verwendung und Verteilung einer solchen Steuer - und es gibt sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, ob es nicht bei einer Einführung in Europa Ausweichaktivitäten auf andere Finanzmärkte geben würde. Eine globale Durchsetzbarkeit des Konzeptes gilt deshalb derzeit noch als unwahrscheinlich - ein europäischer Alleingang hingegen könnte nach Meinung vieler Experten nach entsprechend gründlicher Vorbereitung gewagt werden.

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