Die im Dunkeln zählt man nicht

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907 Rassistische Vorfälle wurden im Vorjahr vom

Verein "Zara" dokumentiert. Doch statt dieses Monitoring und die Beratung von Rassismus-Opfern zu

unterstützen, verweist der Bund auf knappe Kassen.

Herr M. beobachtet, wie ein Insasse eines Autos auf der Währingerstraße in Wien das Fenster öffnet und im Vorbeifahren zwei Männer mit dunkler Hautfarbe "Scheiß Negersau" beschimpft. Oder: Frau E. ist zum Islam konvertierte Österreicherin und trägt Kopftuch. Sie sitzt mit ihrer Freundin im Garten des Kaffeehauses der Kunsthalle Krems. Frau E. hört plötzlich wie ihre Freundin sagt: "Finden Sie das lustig?" Die beiden Frauen verlassen das Lokal. Später erzählt die Freundin, dass sich ein Mann seine Sonnenbrille an ihrem Kopftuch geputzt und triumphierend zu seinem Kollegen am Nebentisch gezwinkert hat.

Dokumentierte Skandale

Zwei erschütternde Fälle von Rassismus und Diskriminierung in Österreich. Zwei Fälle, wie sie ungezählte Male - in mehr oder minder menschenverachtenden Varianten - passieren. Dank "Zara" sind einige von ihnen offiziell geworden. 907 rassistische Vorfälle wurden dem Verein für "Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit" im Jahr 2004 gemeldet; eine Auswahl davon fasst der neue Rassismus-Report. Seit fünf Jahren erarbeitet die Kleinst-ngo (eine Vollzeit- und zwei TeilzeitmitarbeiterInnen, ein Zivildiener und viele freiwillige Helferinnen und Helfer) dieses oft und gern benützte Nachschlagewerk und dient Opfern und Zeugen gleichermaßen als Anlaufstelle.

"Wir haben Zara' mit dem Ziel gegründet, das Thema Rassismus zu etablieren und uns selbst überflüssig zu machen", erklärt "Zara"-Mitbegründerin Verena Krausneker - und muss zugleich realisieren, dass der Bund diesen Wunsch offensichtlich wörtlich nimmt: Wie schon in den vergangenen Jahren kämpft "Zara" auch heuer wieder ums finanzielle Überleben. Für Krausneker, die neben ihrer ehrenamtlichen Mitarbeit bei "Zara" als Soziolinguistin an der Universität Wien und Projektleiterin beim Österreichischen Gehörlosenbund tätig ist, eine Demütigung zu viel: Sie wirft das Handtuch. "Als ich realisiert habe, dass der Rassismus-Report und Zara' zwar ständig genützt werden, aber trotzdem kein Wille da ist, jemals Geld hineinzustecken, habe ich aufgegeben."

Tatsächlich stützen sich zahlreiche Institutionen auf die Arbeit des Vereins: So dient der Rassismus Report dem Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte, das seinerseits Berichte an die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (eumc) liefert, als wichtige Informationsquelle. "Dass Zara' jedes Jahr mehr oder weniger vom Zusperren bedroht ist, ist eine Schande", empört sich der Leiter des Instituts, Hannes Tretter. Die Schande sei umso größer, als Österreich erst im Mai dieses Jahres wegen seiner Säumigkeit bei der Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinie vom Europäischen Gerichtshof (rückwirkend) geklagt wurde.

Ausgehungerte Experten

Inzwischen hat man die juristische Lücke durch das Gleichbehandlungsgesetz vom Juli 2004 und die Einsetzung zweier Gleichbehandlungsanwältinnen im März dieses Jahres geschlossen - und greift zugleich gern auf die Expertise der "Zara"-Mitarbeiterinnen zurück: "Es gibt eine enge Zusammenarbeit, von der wir sehr profitieren", erklärt Gleichbehandlungsanwältin Birgit Gutschlhofer gegenüber der furche. Eine Hilfe, die sie und ihre Kollegin Ulrike Salinger angesichts der beschränkten Resourcen durchaus zu schätzen wissen: 233 Anfragen bezüglich Ungleichbehandlungen in den Bereichen ethnische Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, Alter oder sexuelle Orientierung hatten sie bislang zu bearbeiten - ohne Hilfe zusätzlicher Juristinnen. Ob es eine personelle Aufstockung geben wird, soll eine Evaluation im Jahr 2006 klären.

An eine Ressourcenaufstockung bei "Zara" ist indes nicht zu denken - nicht einmal an jene 125.000 Euro, die nötig wären, um den Minimalbetrieb (Personalkosten und Büromiete) für ein Jahr aufrechtzuerhalten. Trotz mehrmaliger Bitten hätten die Ministerien Zahlungen entweder abgelehnt - oder sich für nicht zuständig erklärt, kritisiert Verena Krausneker.

Von den entsprechenden Ressorts wird diese Kritik zurückgewiesen: "Wir finanzieren schon die Servicestelle Menschenrechtsbildung", heißt es im Bildungsministerium. "Querschnittsmaterien wie Rassismus sind Chefsache", heißt es im Justizministerium. Seitens des Innenressorts gibt man an, für den (15.000 Euro teuren) Rassismus-Report einen Druckkostenbeitrag von 3635 Euro (2003) bzw. 3000 Euro (2004) überwiesen zu haben; ähnlich das Außenministerium, das - nebst freundlichem Brief - 1500 Euro locker machte. Nichts dagegen kam vom Sozialministerium, wo man zwar "zwei formlose Schreiben" erhalten habe, aber "keinen einzigen formalen Förderantrag".

Für das Monitoring und die Beratungsarbeit für Rassismus-Opfer hat keines der Ministerien einen Cent spendiert. Nur die Stadt Wien griff in die Kassa und subventionierte die ngo mit 45.000 Euro jährlich. Für das Überleben von Zara jedoch zu wenig. "Wir sind jetzt schon im Minus", klagt Obmann Dieter Schindlauer. "Bis zum Ende des Jahres läuft alles über einen Kredit, für den die Vorstandsmitglieder persönlich haften."

Unerreichbare Ministerin

Nicht nur in finanziellen Dingen, auch punkto Einbindung in Beratungsgremien ist die Haltung des Bundes gegenüber "Zara" reserviert. So wurde der Verein im Zuge der Ausschreibung für die Neubesetzung des Menschenrechtsbeirates im Innenministerium trotz spezifischen Knowhows ausgeschieden (siehe unten).

Zudem sei es laut Dieter Schindlauer bis heute nicht möglich gewesen, bei Innenministerin Liese Prokop auch nur vorstellig zu werden - obwohl man Bundespräsident Heinz Fischer bei der Übergabe des Rassismus-Reports Anfang Juli um ein entsprechendes Schreiben an die Ministerin gebeten habe. "Der Brief des Bundespräsidenten wurde beantwortet", heißt es dazu aus dem Büro Prokops lapidar. Was darin geschrieben stand, will man nicht verraten.

Der Rassismus Report 2004 ist

unter www.zara.or.at nachzulesen.

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