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Der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner gehört zu den Vordenkern des "Zukunftsforums“. Im FURCHE-Gespräch erläutert er, was von dieser Initiative zu erwarten ist - und was nicht.

Für Paul M. Zulehner ist das "Zukunftsforum“ ein notwendiger Versuch, die katholische Kirche Österreichs gesellschaftsfit zu machen. Das wird ein spannender Lernprozess, ist der Pastoraltheologe überzeugt.

Die Furche: Kann das Zukunftsforum zukunftsfähig sein?

Paul Zulehner: Es geht primär darum, nicht auf die Kirche, sondern auf die Zukunftsfähigkeit des Landes und der Menschen zu schauen. Dazu kommt als zweites die Frage: Kann die Kirche einen Vorgang auslösen, der Nachdenklichkeit erzeugt: Wie können wir unser Land zukunftsfit machen? Natürlich ist das eine Aufgabe der Politik. Aber auch die Kirche fühlt sich verpflichtet, sich nicht nur mit dem Evangelium einzumischen, sondern eine Art Runden Tisch zu machen, wo alle, die Interesse haben, mittun.

Die Furche: Nun war die katholische Kirche in diesen Fragen bislang kaum ein Vorreiter. Wie kann das anders werden?

Zulehner: Es ist ganz entscheidend, dass die Kirche lernt - auch von den Fragen der Menschen. Folgt man dem verstorbenen Kardinal Martini, dann heißt das: die Kirche lernt und lehrt. Sie kommt nur dann aus ihrer gesellschaftlichen Abwesenheit heraus, wenn sie gut zuhört und erst dann schaut, ob das Evangelium dabei hilfreich ist.

Die Furche: Aber was die Kirche tut, geht augenscheinlich am Interesse der meisten Österreicher vorbei. Wie kann man das Interesse also wieder wecken?

Zulehner: Das wird nur in ganz kleinen Schritten gehen. Beim Zukunftsforum gibt es Expertengruppen. Diese sind nicht nur Leute aus dem kirchlichen Feld, sondern kommen aus den Universitäten, aus den Denktrusts des Landes. Von überall her soll versucht werden, mit Leuten ins Gespräch zu kommen, mit denen man bisher nicht im Gespräch war. So beginnt ein Dialog, der weit über die Zäune der Kirche hinaus geht.

Die Furche: Bei Themen, die nicht mit ihrer Lehre kompatibel scheinen - Sexualmoral …, wird die Kirche nicht ernst genommen. Kann sie sich da als offener Gesprächspartner oder Gesprächsraum profilieren?

Zulehner: Aufgabe der Kirche ist es, sich selber einen Lernprozess zu verordnen, der sie nicht aus der Spur des Evangeliums hinaustreibt, aber sie in dieser Spur voranbringt. Die Kirche hinkt, hat Kardinal Martini gesagt, 200 Jahre hinter dem Stand der heutigen Kultur hinterher. Und das kann sie nur in einem so weit wie möglich geöffneten Dialog mit den besten Leuten aufholen.

Die Furche: Vieles, was Sie sagen, hört man auch von Papst Franziskus. Fühlen Sie sich durch den Pontifikatswechsel bestärkt?

Zulehner: Man hatte den Eindruck, dass die nachkonziliare Ausrichtung der Kirche mit der unglaublichen Offenheit für die moderne Welt ins Stocken geraten war - was die Reformgruppen zu Recht sehr irritiert hat. Doch der Traum vieler bleibt, dass diese Kirche nach einer Jahrhunderte dauernden Risikoschwangerschaft nun endlich zur Welt kommt. Das hat Franziskus, Bischof von Rom, neu aufgegriffen. Er sagt ja: Wir haben das Konzil eben noch nicht verwirklicht. Wobei die hohe Kunst darin besteht, auf diesem Weg niemanden zurückzulassen. Es muss ein Weg sein, der in der Spur des Evangeliums bleibt - und das sage ich ausdrücklich, um die besorgteren konservativeren Kreise nicht jetzt ängstlich beiseite zu schieben, sondern diesen langen Weg der Kirche in die Moderne mitzumachen und mitzugestalten.

Die Furche: Die eine kritische Gruppe, die Konservativen, haben Sie angesprochen. Aber wie es mit den Reformgruppen, Leute, die meinen, man habe eh schon hundertmal über die Themen gesprochen?

Zulehner: Man kann natürlich der Meinung sein, dass Franziskus oder auch das Zukunftsforum ein Trick sind, um von innerkirchlichen Fragen abzulenken. Aber das ist nicht der Fall: Wenn man über Ehe und Familie redet, dann muss man natürlich auch das Scheitern und die Frage mitbehandeln, ob es legitim ist, dass die, die aus Schuld und Tragik mit einem Lebensprojekt nicht zu Rande kommen, stigmatisiert, diskriminiert oder exkommuniziert werden. Außerdem werden zurzeit viele Bischöfe vom Vatikan links überholt. Nicht die Reformgruppen haben also ein Problem. Wenn der künftige zweite Mann des Vatikan völlig ungebeten sagt: Wir müssen nicht nur im Rahmen reformieren, wie das immer so heißt, sondern der designierte Staatssekretär Parolim sagt: Wir müssen die Diskussion über den Rahmen eröffnen - da ist eine interessante Allianz mit den Reformgruppen. Ich frage mich, was die Bischöfe tun werden, die bisher insistiert haben, daran ließe sich nichts ändern. Es kann eine Zeit kommen, wo die innerkirchlichen Fragen durch den Vatikan selber schneller beruhigt werden und wir unsere Energie in die gesellschaftspolitischen Fragen stecken können.

Die Furche: Eine Schwäche kirchlicher Aufbruchsversuche war immer wieder, dass es keine genaue Agenda gab, es gab keine Qualitätskontrolle in Bezug auf den Prozess und selten einen Zeitplan.

Zulehner: Nachdem die Bischofskonferenz den Vorschlag der Katholischen Aktion angenommen hat, wurde eine Koordinierungsgruppe gebildet. In dieser entstanden ein klarer Zeitplan und eine Struktur, um verlässlich Utopien und Projekte zu entwickeln. Es geht darum, nicht (nur) Papiere zu produzieren, sondern Veränderung zu erreichen.

Die Furche: Es gab gerade einen öffentlichen Diskurs, der sich "Wahlkampf“ genannt hat - der aber ohne Visionen oder Utopien ausgekommen ist. Kann ein Prozess wie das Zukunftsforum dagegen Abhilfe schaffen?

Zulehner: Politiker sind in einem Wahlkampf utopiegelähmt. Das ist schade. Der Wahlkampf war diesbezüglich eher eine Zumutung denn eine Art politischer Bildung der Bevölkerung. Vom Zukunftsforum her geht es genau um dieses inhaltliche Gespräch: Man muss ja keine Wahl gewinnen - und dafür kann das Land gewinnen.

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