Die Rückkehr der IMPERIEN

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Die Globalisierung ist an ihr Ende gelangt. Sie wird von einem neuen Absolutismus abgelöst. Das Konzept der neuen Herrscher: Heimat durch Krieg und Handelskrieg.

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Die Globalisierung ist an ihr Ende gelangt. Sie wird von einem neuen Absolutismus abgelöst. Das Konzept der neuen Herrscher: Heimat durch Krieg und Handelskrieg.

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Mit den US-Wahlen ist die Globalisierung an ihr Ende gelangt. Sie wird von einem neuen Absolutismus abgelöst. Die Logik hinter den neuen Imperien lautet Heimat durch Krieg und Handelskrieg.

Ein guter Teil der intellektuellen Menschheit hat die vergangenen Jahre damit verbracht, gegen die Globalisierung anzuschreiben und zu demonstrieren. Es ist anzunehmen, dass Donald Trump all diesen Fundamentalkritikern einen Gefallen erweisen wird, wenn er, wie angekündigt, die Handelsverträge der Vereinigten Staaten von Amerika in Frage stellt oder außer Kraft setzt. Wird die Welt damit ein besserer Platz?, ist die nächste, vielleicht vorschnelle, vielleicht zu moralische Frage. Aber es ist die Frage, auf die es ankommt, denn sie beinhaltet die wichtigste unserer Fragen überhaupt: "Was kommt danach?"

Die nachstehenden Ausführungen werden behaupten, dass die Globalisierung schon tot ist, dass sie durch eine neue Form des Absolutismus abgelöst wurde, und dass sich dieser Absolutismus in einem neuen Handelssystem niederschlagen wird. Wenn es seinen historischen Vorbildern folgt - und dafür spricht einiges -, wird dieses Handelssystem nicht nationale Heimaten im Sinne eines "Home sweet Home" schaffen, sondern viele miteinander konkurrierende Heimaten, deren Kampfmittel Handel und Krieg sein werden. Seine nächste, in Eroberung befindliche Kolonie ist die Europäische Union.

Märchen der Globalisierung

Der Grundcharakter der Globalisierung lässt sich auf eine einfache Grundregel zurückführen. Die Spieltheorie nennt sie "Tit for Tat" und in weit weniger komplizierten Darstellungen ist sie schon im Märchen "Hans im Glück" der Brüder Grimm zu finden. Das ist die Geschichte eines scheinbar unbedarften Menschen, der jeden Reichtum, den er erhält, für weniger Wertvolles tauscht.

Die Kerneigenschaft des Hans sind seine guten Absichten. Er wertet alle Tauschereignisse für sich als Gewinn, ob das nun der Klumpen Gold ist, den er gegen ein Pferd tauscht, das Pferd gegen die Kuh, die Kuh gegen eine Gans und die Gans gegen einen Stein, und den Stein gegen nichts. Und der Handel läuft bis zum Ende gut für alle Beteiligten, da Hans in Summe das Nichts höher schätzt als das Gold und so erleichtert und lachend "davonhüpft", wie die Brüder Grimm schreiben.

Es ist also alles nur eine Frage der Bewertung. Solange niemand aus dem Bona-Fide-Karussell aussteigt, gibt es auch keine Probleme. Schwierig würde es erst dann werden, wenn Hans einen Tauschhandel bereuen oder sich gar betrogen fühlen würde. Dann würde das Ganze auch in eine negative Falle des Misstrauens laufen und statt eines positiven Endes hätten wir vermutlich einen realistischeren Ausgang: "Hans im Gericht" statt "Hans im Glück", als Kläger gegen den einen oder andern Betrüger.

Ungefähr so wie "Hans im Gericht" fühlen sich derzeit die USA unter ihrem neuen Präsidenten Donald Trump, was umso erstaunlicher ist, als die Wirtschaft der USA eigentlich massiv von der Globalisierung profitiert hat. Im Trillionendollarausmaß, wenn es nach den Umsätzen der US-Unternehmen geht. Aber Donald Trump und seine Wähler werten das anders. Sie halten so gar nichts mehr von Mitspielern wie China. Bis vor einem Jahr galt die Volksrepublik noch als Retterin der Weltwirtschaft, nachdem es im Jahr, als die US-Investmentblase platzte, als einziger Wachstumsmarkt die Konjunktur stabilisierte. Nun aber meint Donald Trump: "Sie versuchen unser Land zu zerstören, indem sie unsere Jobs wegnehmen", oder: "Sie kopieren unsere Produkte und manipulieren ihre Währung, sodass es für unsere Unternehmen unmöglich ist, konkurrenzfähig zu bleiben."

Die Liste der neuen Feinde der Ersten Wirtschaftsmacht ließe sich fortsetzen. Mexiko und das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA, das Transpazifische Freihandelsabkommen, vermutlich auch jene mit Europa. Der neue Präsident droht mit Strafzöllen auf ausländische Waren und Sanktionen gegen US-Unternehmen, die im Ausland investieren.

Mit Schutzzöllen ins Out

Das erinnert an einen besonders unglücklichen Versuch der US-Regierung im Jahr 1929, die eigene Wirtschaft zu schützen. Um die US-Überkapazitäten in Industrie und Landwirtschaft unter Kontrolle zu bringen, sollten die USA von ausländischen Gütern abgeschottet werden. Zwischen 1929 und 1932 sanken die Importe tatsächlich um zwei Drittel. Aber auch die Gesamtproduktion der US-Wirtschaft sank um 50 Prozent.

Der "Smoot-Hawley-Tariff Act", so der Name des gescheiterten US-Zollexperiments, folgte in seiner Strategie dem Merkantilismus - jenem System, das die absolutistischen Staaten Europas zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert prägte. Frankreich, England und Spanien stritten damals um die Weltmacht, indem sie die eigenen Märkte abschotteten und Handelsorganisationen und Privilegien für die eigene Kaufmannsoberschicht schufen. Die Gewinne der Handels- und Kolonialpolitik flossen in kostspielige Kriege und eine überbordende Verwaltung. Die Monopole leisteten ein Übriges, um den Gewinn an der Bevölkerung vorbei zu manövrieren. Die war nur dazu angehalten, den Herrscher als einen nach Thomas Hobbes "auserkorenen Allmächtigen" anzuerkennen und sich seiner Gewalt und Güte anzuvertrauen.

Die postglobale Gesellschaft erlebt heute eine neue Form des Absolutismus und des Merkantilismus. Am stärksten ist er in Russland ausgeprägt, wo der Staat absolutistisch und in der Hand einer Hobbes'schen Clique um Wladimir Putin steht. Dabei gleichen die Oligarchen in ihrer Stellung gegenüber dem Herrscher den französischen Adeligen zur Zeit Ludwigs XIV. Sie sind vollständig von der Gnade des Apparates Putins abhängig und keinem Gesetz unterworfen, als dem Willen des Herrschers. Ohne den Staat, so die Botschaft in diesem System, gibt es nichts. Und der Staat ist Putin, ein Präsident, der sich sein Selbstbewusstsein aus der Aufrüstung seiner Armee holt: Seit dem Jahr 2000 hat sich das Militärbudget Russlands mehr als verdreifacht.

Militärische Expansion

Wir sehen ähnliche Phänomene in dem sich zur Weltmacht Nummer Eins aufschwingenden China. Auch hier explodieren die Militärausgaben, auch hier leitet eine undurchsichtige Machtstruktur vom Herzen des kommunistischen Apparates aus eine nationalistische Politik, die sich in den Konflikten mit Japan und den USA um die Senkaku-Inseln in der japanischen See ganz offen abzeichnet. Zusätzlich erlebt die ehemalige Globalisierung die Rückkehr eines Neo-Kolonialismus, den China ganz offen bei seinem Ringen um Boden und Rohstoffe in Afrika vorführt. Doch auch die USA und Russland stehen dem um nichts nach, wenngleich sie ihre Kolonien nur nach militärisch-strategischen Gesichtspunkten gewählt haben: Syrien, Irak, Afghanistan, Ukraine.

Auf der Handelsebene sind die großen Handelsgesellschaften, die Ostindien-Kompagnie der Briten, die Mississippi-Gesellschaft der Franzosen, die Niederländische Westindien-Kompagnie längst Geschichte. Aber die Abhängigkeit der Staaten von diesen Gesellschaften gleicht frappant der Abhängigkeit westlicher Staaten von den Interessen multinationaler Konzerne wie Nestlé, Coca-Cola, Disney, General Electric, Apple.

Die umgekehrte Eroberung

Wie wird sich Europa in dieser Gemengelage zurechtfinden? Es muss sich langsam im Klaren sein, dass die Verhältnisse sich historisch gedreht haben. Zur Zeit des Absolutismus waren die Europäer die handelnden Großmächte, die die Welt unter sich aufteilten. Nun droht, zunächst politisch das Gegenteil: Die Eroberung Europas durch die neuen Absolutisten. Was ihnen gelingt, gelingt ihnen vor allem durch ihre willigen Helfer innerhalb der EU -und hier vor allem an den radikalen Rändern des politischen Spektrums.

Der US-Wahlkampf und die Desavouierung der Demokraten mit russischer Unterstützung können als erfolgreicher Feldversuch des neuen Absolutismus gelten. Das demokratische Europa scheint sich dem Sog kaum entziehen zu können. Vor allem, weil just seine größten Werte - Meinungsfreiheit und Toleranz - von den Absolutisten und ihren Verbündeten in der EU (Pegida, Front National und FPÖ) als Waffen erfolgreich gegen das System gekehrt wurden.

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