Die selbstlose Spende als großes Geschäft

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Seit Jänner sind in Österreich Eizellenspenden zulässig, allerdings mit Einschränkungen. Reproduktionsinstitute beklagen diese Restriktionen - und behelfen sich mit kreativen Lösungen, um die heiß begehrten Keimzellen zu gewinnen. Eine Recherche.

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Seit Jänner sind in Österreich Eizellenspenden zulässig, allerdings mit Einschränkungen. Reproduktionsinstitute beklagen diese Restriktionen - und behelfen sich mit kreativen Lösungen, um die heiß begehrten Keimzellen zu gewinnen. Eine Recherche.

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Spenderin Nummer 18608 ist 24 Jahre alt, 173 Zentimeter groß und 58 Kilo schwer, sie hat ein College absolviert und häkelt gern. Auf Fotos zeigt sie ihre großen Augen, ihr üppiges Dekolleté - und eine große Tätowierung auf dem Arm. Manche mag das irritieren, aber es gibt ja Alternativen: Rund 400 junge Frauen sind derzeit bei der "World Egg Bank" mit Sitz in Phoenix/Arizona registriert. Werden sie ausgewählt, wird ihre kostbare "Spende" tiefgefroren an Reproduktionsinstitute in aller Welt verschickt. Was motiviert junge Frauen, sich einer belastenden Hormonstimulierung zu unterziehen und ihre Eizellen Unbekannten zu überlassen? Spenderin 18608 formuliert es so: "Finanzielle Sicherheit zu haben - und Menschen zu helfen, ein schönes Baby zu bekommen, das sie ohne Eizellenspende nicht bekommen könnten."

18.000 Dollar für sechs Zellen

Tatsächlich haben besonders Frauen ab 40 mit Eizellenspende deutlich höhere Erfolgschancen bei einer künstlichen Befruchtung. Doch das hat seinen Preis: 16.500 Dollar kosten bei der "World Egg Bank" sechs kryokonservierte Eizellen für einen Behandlungszyklus. Dazu kommen internationale Versandkosten von 1.600 Dollar.

"Das ist sehr teuer", ist sich der Wiener Reproduktionsmediziner Wilfried Feichtinger bewusst, der einen Vertrag mit dem Unternehmen abgeschlossen, aber noch keine Befruchtungen vorgenommen hat. "Der Vorteil besteht darin, dass man sich die Spenderin aussuchen kann und dass alles gesetzeskonform ist." Spenderinnen für Österreich seien also nicht anonym. Auch Leonhard Loimer, der in Wien, Wels und Linz "Kinderwunschkliniken" betreibt, hat einen Vertrag. Es gebe eben "einen irren Bedarf an Eizellen, und das neue Gesetz macht es uns sehr schwer, Österreicherinnen zu gewinnen": Täglich führe er drei bis vier Erstgespräche, doch auf acht Interessentinnen komme derzeit nur eine Spenderin.

Die Novelle des Fortpflanzungsmedizingesetzes hat Eizellenspenden zwar überraschend erlaubt, sieht aber Grenzen vor: Vermittlung und Werbung sind ebenso verboten wie "entgeltliche Rechtsgeschäfte" bei der "Überlassung" von Ei- und Samenzellen; nur Aufwandsentschädigungen über "nachgewiesene Barauslagen" sind erlaubt. Auch anonyme Spenden -wie sie etwa in Tschechien möglich sind - sind verboten.

All das soll Frauen vor Ausbeutung schützen und das Recht der Kinder auf Kenntnis ihrer Herkunft wahren. Es erschwert aber die Arbeit der Fortpflanzungsmediziner. Dementsprechend wächst der Frust: Das neue Gesetz komme "einem Verbot der Eizellspende gleich", ärgert sich Heinz Strohmer vom Kinderwunschzentrum im Wiener Privatspital "Goldenes Kreuz". Auch Peter Husslein, Leiter der Universitätsfrauenklinik am AKH, beklagt den "unehrlichen Zugang": "Ich unterstelle, dass einige Leute das Gesetz absichtlich so formuliert haben, das es nicht funktioniert", meint er zur FURCHE. Angesichts des "wahnsinnigen Leidensdrucks" mancher Patientinnen wünsche er sich eine anonyme Lösung mit "ordentlicher Aufwandsentschädigung" nach tschechischem Vorbild.

Einstweilen behelfen sich die Betreiber hiesiger IVF-Zentren mit kreativen Lösungen, um zu Eizellen zu kommen: Michael Schenk, Leiter des "Kinderwunsch-Instituts" in Dobl bei Graz, hat etwa "Verträge mit unterschiedlichen Egg Banks, die unter EU-Direktive arbeiten", geschlossen. Sein Institut, das selbst als Eizellenbank zertifiziert ist, zahlt Spenderinnen eine Aufwandsentschädigung von 90 Euro pro Besuch samt Kilometergeld. Für Beschwerden durch Eizellabsaugung und Narkose werden je nach Stärke weitere 110 bis 330 Euro pro 24 Stunden vergütet.

"Das ist keine Bezahlung, aber es läppert sich zusammen", kommentiert Wilfried Feichtinger die Methode seines Kollegen. Er selbst nimmt derzeit nur "Verwandtenspenden" (etwa von jüngeren Schwestern) an. Neben der teuren "World Egg Bank" sei auch "Egg Sharing" eine Option: IVF-Patientinnen unter 30 Jahren überlassen dabei die Hälfte ihrer Eizellen dem behandelnden Institut und ersparen sich dadurch den Selbstbehalt bei ihrer Behandlung. (Der IVF-Fonds zahlt höchstens 70 Prozent der Gesamtkosten, Anm.)

Für Michael Schenk, aber auch für Leonhard Loimer gehört "Egg Sharing" längst zum Portfolio. Zusätzlich kommen auch junge Frauen aus der Ukraine oder Tschechien an Loimers Institute, um Eizellen zu spenden; im Gegenzug werden vorgelegte Hotel- und Restaurantrechnungen vergütet. Warum sie das tun? "Die verbringen hier einen wunderschönen Urlaub", erklärt der Mediziner. Komme es zu Problemen, was "bisher noch nie der Fall gewesen" sei, könnten sie jederzeit anrufen, so Loimer. Künftig will er auch mit einer ukrainischen Eizellenbank, die nach EU-Richtlinien arbeitet, kooperieren: "Wir würden sechs Eizellen um 2000 Euro bekommen -und von den Spenderinnen die Namen und alles wissen", freut sich Loimer. Die Eizellen bestellen müssen jedoch die Paare selbst: Es herrscht ja Vermittlungsverbot.

"Dass dieses Verbot eine Grauzone ist, war uns schon bei Erlass des Gesetzes klar", kommentiert Christiane Wendehorst, Zivilrechtlerin und Mitglied der Bioethikkommission, diese Entwicklung. Auch Verträge mit ausländischen Eizellenbanken, die ihren Spenderinnen teils üppige Aufwandsentschädigungen zahlen, seien legal. "Die Frage ist, wo die Überlassung der Eizelle stattfindet", so Wendehorst: "Geschieht das im Ausland, berührt das nicht österreichisches Gesetz." Mit Auslandskontakten könne man eben im Fortpflanzungsrecht "fast alles machen."

"Furchtbares" Egg Sharing

Noch herausfordernder sind die psychologischen Aspekte: "Eine Eizellenspende ist ja keine bloße Gewebespende, hier entsteht Beziehung", weiß Karin Tordy, klinische Psychologin und Psychotherapeutin auf der Geburtshilfe-Abteilung des Wiener AKH. Bis heute gebe es für Spenderinnen "keine vorbereitenden Gespräche und keine Anlaufstelle, wenn es ihnen im Nachhinein nicht gut geht". Auch Empfängerpaare würden die (freiwillige!) psychologische Beratung kaum in Anspruch nehmen. "Dabei wäre es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, dass ein Kind nach Eizellenspende fremde Anteile mitbringt -wie bei einer Adoption". Für "furchtbar" hält die Psychologin das "Egg Sharing": "Da werden Frauen zu etwas verführt, ohne die Folgen ausreichend bedacht zu haben." Auch Verwandtenspenden hält sie (wie Peter Husslein) für "unverantwortlich", weil sie das familiäre Gefüge in nicht abschätzbarem Maß belasten würden. Und die "World Egg Bank"?"Da kann ich mich gar nicht mehr hineindenken", so Tordy. "Das Wichtigste ist, dass die Spende nicht anonym ist, weil das gegen Kinderrechte verstößt."

In Pilsen ist diese Anonymität jedoch Routine. In der tschechischen Dependance des Bregenzer Reproduktionsmediziners Herbert Zech werden jährlich 600 künstliche Befruchtungen nach anonymer Eizellenspende durchgeführt. Über die Höhe der Aufwandsentschädigung schweigt man sich aus - wie auch im fernen Phoenix: Wieviel Spenderin 18608 für ihre selbstlose Gabe erhält, bleibt ihr Geheimnis.

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