"Die Sozialpartner haben Zukunft"

Werbung
Werbung
Werbung

Karlheinz Kopf fordert Flexibilität zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Österreich, beschreibt die Folgen der 11./12. Arbeitstunde und erklärt, wie man dem Fachkräftemangel begegnen kann.

DIE FURCHE: Angesichts der Prognosen für das kommende Jahr müssen sich Unternehmer auf ein verlangsamtes Wachstum einstellen. Wie können sie trotz weniger guter Prognosen reüssieren?

Karlheinz Kopf: Noch läuft die Konjunktur gut, aber es gibt Anzeichen einer Eintrübung. Daher sollten wir jetzt die Weichen stellen, damit unsere Betriebe wettbewerbsfähig bleiben. Das heißt, wir brauchen eine Senkung der Lohnnebenkosten und eine spürbare Entlastung der Unternehmen bei der Steuerreform. Ebenso müssen wir uns den Zukunftsthemen widmen, dazu zählt der Kampf gegen den Fachkräftemangel ebenso wie eine klare Bildungs-und Digitalisierungsstrategie.

DIE FURCHE: Die Lohnrunden zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft sollen nach den Wünschen der Arbeitgeber neu geordnet und damit übersichtlicher und planbarer gemacht werden. Was halten Sie davon und wie könnten Sie sich vorstellen, dass neue Lohnrunden aussehen?

Kopf: Angesichts der sich verändernden Arbeitswelt ist eine Anpassung der Lohnrunden nötig. Der Fachverband Metalltechnische Industrie hat dazu das Konzept des "KV 4.0" entwickelt, das auf folgenden Prinzipien beruht: Der Kollektivvertrag muss fair und transparent sein, also auf einer sachlichen Datenanalyse basieren, er muss Planbarkeit herstellen - etwa durch mehrjährige Abschlüsse, und er muss einfach und zukunftsorientiert sein, zum Beispiel indem man die Beschäftigung von über 50-Jährigen erleichtert.

DIE FURCHE: Einige Kommentatoren sehen die Sozialpartnerschaft als Auslaufmodell, hat sie noch eine Zukunft?

Kopf: Ich bin überzeugt, dass die Sozialpartnerschaft eine Zukunft hat, aber auch sie muss sich weiterentwickeln. Es geht nicht mehr um den Gegensatz Arbeitgeber/Arbeitnehmer und um gegenseitige Tauschgeschäfte. Und wir alle haben zuletzt zu wenig sachliche Lösungsvorschläge erarbeitet. Etwa bei der Arbeitszeitflexibilisierung, wo im Vorjahr aus parteipolitischen Gründen einige Teilgewerkschaften eine de-facto-Einigung auf Präsidentenebene zunichte gemacht haben. In Zukunft geht es darum, dass die Sozialpartnerschaft proaktiv daran arbeitet, die Attraktivität des Wirtschaftsund Beschäftigungsstandorts zu erhalten bzw. zu erhöhen, Antworten auf die drängenden Zukunftsfragen wie Digitalisierung oder Bildung findet und sie der Regierung vorlegt. Dann werden wir erfolgreich sein und die Sozialpartnerschaft wird zur Standort-und Zukunftspartnerschaft werden.

DIE FURCHE: Der 12-Stundentag wurde auch intensiv in den Verhandlungen thematisiert. Nun wird die 11. und 12. Stunde um vieles teurer als normale Arbeitsstunden. Glauben Sie, ist damit der Sinn der Sache erfüllt oder ist die Staffelung kontraproduktiv für Menschen, die zwölf Stunden arbeiten wollen?

Kopf: Bei der 11. und 12. Stunde hat der Arbeitnehmer Wahlfreiheit, ob er sie in Form von Zeit oder Geld abgegolten haben möchte. Und hier wählen viele den Zeitausgleich, daher werden diese Arbeitsstunden nicht automatisch teurer. Das Wichtigste am neuen Arbeitszeitgesetz ist aber die größere Flexibilität, von der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen profitieren. Es bestätigen in einer aktuellen Market-Umfrage übrigens drei Viertel der Arbeitnehmer, dass sie profitieren. Und entgegen der Negativ-Propaganda vonseiten der Gewerkschaften sind acht von zehn Arbeitnehmern mit ihren Arbeitszeiten zufrieden. Die Unternehmen wiederum streichen vor allem die jetzt größere Rechtssicherheit hervor.

DIE FURCHE: Wie soll man mit Arbeitnehmern umgehen, die die 12-Stundenregelung ihren Mitarbeitern aufzwingen wollen? Und welche Möglichkeiten gibt es, die Mitarbeiter vor der Kündigung zu schützen?

Kopf: Wir bekennen uns als Wirtschaftskammer voll und ganz zum Arbeitnehmerschutz. Dennoch muss man die Kirche im Dorf lassen: Es gab einzelne Problemfälle. Diesen stehen rund 3,8 Millionen Beschäftigte gegenüber, bei denen es keine Probleme gibt. Dadurch, dass die Freiwilligkeit im Gesetz verankert ist, ist ja ein besonderer Schutz für Arbeitnehmer vorgesehen. Bei Ablehnung der 11. und 12. Arbeitsstunde gibt es zudem ein Benachteiligungsverbot sowie einen Kündigungsschutz.

DIE FURCHE: Wie würden Sie die Bilanz der Regierung ein Jahr nach der Wahl ziehen, für Ihren Bereich und gesamtgesellschaftlich?

Kopf: Man wünscht sich immer mehr, aber in Summe hat die Regierung sehr gute Arbeit geleistet. Von der Arbeitszeitflexibilisierung über die Sozialversicherungsreform bis hin zu beschleunigten UVP-Verfahren wurde vieles erreicht, das dem Wirtschaftsstandort und damit der Allgemeinheit zugutekommt.

DIE FURCHE: Die größten Probleme des Arbeitsmarktes liegen unbestritten beim Mangel an Fachkräften. Wie kann man diesen Mangel beheben?

Kopf: Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenpaket. Das beginnt bei der Qualifizierung, geht über die überregionale Vermittlung von Arbeitskräften und reicht bis zur verstärkten Beschäftigung älterer Arbeitnehmer. Auf diese Bereiche wollen wir uns konzentrieren und sind unter anderem dabei, die Lehrausbildung weiterzuentwickeln, um sie für junge Leute attraktiver zu machen. Aber natürlich wird es zusätzlich auch qualifizierte Zuwanderung brauchen.

DIE FURCHE: Viele Unternehmer haben gerade den Mangel an Fachkräften ins Treffen geführt, um die Anstellung und Ausbildung von Asylwerbern voranzutreiben. Der entsprechende Erlass aus dem Jahr 2012 ist nun gefallen. Aber in der ÖVP gibt es Gegenstimmen, zuletzt auch die der zuständigen Tiroler Landesrätin. Wo stehen Sie, oder besser, sehen Sie noch eine Möglichkeit für Kompromisse?

Kopf: Die Entscheidung von Bundesminister Kickl gegen eine rechtliche Sonderstellung für Asylwerber ist bedauerlich, aber wir nehmen sie zur Kenntnis. Und klare Unterscheidung von Arbeits-und Asylmigration ist notwendig. Wir setzen uns jedoch weiterhin dafür ein, dass zumindest für jene, die bereits in Lehre sind, eine pragmatische und menschliche Lösung gefunden wird. Stichwort: humanitäres Bleiberecht, Stichwort: Rot-Weiß-Rot-Card. Und wir brauchen auch diverse Fördermaßnahmen, um vor allem auch für die tausenden jungen Asylberechtigten eine berufliche Ausbildung sicherzustellen.

DIE FURCHE: Die FPÖ wird immer wieder wegen ihrer Russlandnähe kritisiert. Sie macht auch aus ihrer Kritik an den Sanktionen keinen Hehl. Auch die Position von Christoph Leitl war sehr kritisch. Wie sehen Sie das mit Ihrer doch reichen politischen Erfahrung?

Kopf: Sanktionen sind eine politische Entscheidung. Die Wirtschaft funktioniert nach anderen Maßstäben. Die österreichischen und die russischen Unternehmen verbinden langjährige, gute Beziehungen. Die heimische - und auch europäische - Wirtschaft ist daher Brückenbauer zwischen Europa und Russland, gerade in schwierigen Zeiten.

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung