"Die Sparpolitik zeitigt sehr negative Folgen"

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Kunibert Raffer, Wirtschaftswissenschafter an der Uni Wien, über die Hintergründe der Wirtschaftsflaute.

die furche: Rezession: Ja oder Nein - wie bewerten Sie die derzeitige Wirtschaftslage?

Kunibert Raffer: Das Problem liegt in der Definition des Begriffs Rezession: Ist hierfür nur ein Rückgang der Wachstumsrate notwendig, oder braucht es dazu eine negative Wirtschaftsentwicklung. Zweiteres ist zweifellos eine Rezession, und diese Situation gibt es derzeit schon in einigen Staaten. In anderen Ländern sieht es noch nicht so schlimm aus, aber die Gefahr einer weltweiten Rezession - auch im strikten Sinn - ist gegeben.

die furche: Konkret, wie sieht Ihre Prognose für Österreich aus?

Raffer: In Österreich ist zu befürchten, dass die derzeitige Budgetsparpolitik sehr negative Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung haben wird, beziehungsweise schon gehabt hat. Unter dem selbst auferlegten Zwang, das Nulldefizit sehr schnell zu erreichen, wurden Investitionen in allen Bereichen stark gekürzt. Das war in anderen EU-Ländern nicht der Fall und die USA haben überhaupt - besonders nach dem 11. September - ganz massive Spritzen in die Wirtschaft geschossen.

die furche: Trifft hier der Vorwurf gegenüber der Regierung zu, sie betreibe einen Nulldefizit-Fetischismus?

Raffer: Wenn das jemand so formuliert, würde ich nicht widersprechen.

die furche: Sehen Sie in der momentanen Krise eine eher normale Schwächephase, oder befinden wir uns generell am Übergang in ein deprimierendes Wachstumsmuster?

Raffer: Zweifellos ist es so, dass sich die Wirtschaftsprobleme einer führenden Nation, nämlich Japan, sich schon über Jahre hinziehen. Es gibt daher sicherlich Gründe, anzunehmen, dass es zu einem langen und ausgeprägten Problemzeitraum für die Wirtschaft kommen könnte. Letztendlich kann sich das aber auch wieder sehr schnell ändern.

Eines ist aber sicher: Durch das Festhalten am Stabilitätspakt in ganz Europa, werden Wachstumsspritzen - wie sie früher üblich waren und auch sehr erfolgreich angewandt wurden - einfach nicht mehr möglich sein. Und eine antizyklische Konjunkturpolitik wird - unter dem Diktat von Maastricht - wenn überhaupt, nur mehr in sehr beschränktem Ausmaß erfolgen können.

die furche: Der vorhin angesprochene Fetischismus findet sich demnach auch auf EU-Ebene?

Raffer: Richtig, aufgrund der Übereinkommen innerhalb der Union, die Maximaldefizite zu beschränken wird dieser Trend EU-weit verstärkt. Wobei allerdings diese Politik von manchen Ländern mehr, von manchen weniger stark betrieben wird.

die furche: Wichtiger als formale Kriterien sind die direkten wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen einer Rezession. Was befürchten Sie diesbezüglich?

Raffer: So wie die Indikatoren sich jetzt darstellen, muss man mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit rechnen. Wobei sich die Arbeitslosigkeit je nach statistischer Erfassung ja recht unterschiedlich darstellt. Hier gibt es also politische Messarten, und die derzeit veröffentlichten Zahlen geben sicherlich ein geschöntes Bild. Das ändert aber nichts am tatsächlichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen.

die furche: Die Regierung setzt jetzt auf "budgetschonende Konjunkturankurbelung". Wird das genügen?

Raffer: Egal, welche ideologische Position man bezieht, kann ich mir nicht vorstellen, wie das budgetschonend gehen soll. Vertreten Sie die extrem liberale Position, man müsse Steuern senken, damit der Konsum der Leute anspringt, kostet das dem Finanzminister Geld durch entfallene Einnahmen. Umgekehrt, wenn Sie der keynesianische Position anhängen - der Staat selbst müsse Geld investieren, damit der Wirtschaftsmotor wieder angeworfen wird - kostet das auch Geld. Darum ist mir unverständlich, wie quantitativ wirklich merkbare Politikmechanismen ohne entsprechende Folgen für das Budget durchgesetzt werden können.

die furche: Konkret wird an eine befristete Wiedereinführung des Investitionsfreibetrags gedacht. Eine gute Idee?

Raffer: Die Frage ist, ob Unternehmer in der jetzigen Lage überhaupt investieren würden, wollen sie doch das, was sie produzieren, auch verkaufen. Und wenn die Unternehmer nicht zu Unrecht annehmen, dass die Konjunktur eher schlecht werden wird, dann ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass groß investiert wird.

Die Gespräche

führte Wolfgang Machreich.

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