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Max Friedrich, Vorstand der Uniklinik für Kinderpsychiatrie, über die Rollen des Kindes im Zuge einer Scheidung.

Die Furche: Wo sehen Sie im Prozess der Scheidung die größte Gefahr für das Kind? Vor der Trennung, währenddessen oder erst nachher?

Max Friedrich: Die Phase vorher ist für das Kind die schwierigste - in der Erwartungshaltung, dass das Kind sich als Ursache sieht und die Eltern mit den Kindern über das Vorhaben viel zu wenig reden und die Kinder dadurch sehr massiven Ängsten ausgesetzt sind. Während des Scheidungsverfahrens sind sehr viele existentielle Ängste vorhanden- "Was wird wirklich?". Da hört man das eine oder andere - das ist etwas sehr Unheimliches. Und nach der Scheidung ist die große Gefahr, dass das Kind in verschiedene Rollenbilder hineingedrängt wird und diese erfüllen soll - unter anderem etwa den Ersatzpartner oder Spion.

Die Furche: Wovon ist der Umgang des Kindes mit der Scheidung abhängig? Was sind da die wesentlichen Faktoren?

Friedrich: Das Gespräch, die Ehrlichkeit, dass Klartext gesprochen wird, sowie die tatsächliche Versicherung, dass wenn die Eltern sich trennen, es keine Zugangsbehinderungen gibt. Beschränkungen wird es aber geben müssen, denn halbe-halbe ist keine Lösung. Das ist so ähnlich wie der Unsinn der gemeinsamen Obsorge - wo es geht, geht's, wo es nicht geht, ist es vorher schon nicht gegangen und geht's jetzt auch nicht.

Die Furche: Sie sprechen in diesem Zusammenhang von einem "Rosenkrieg", der in vielen Fällen der Scheidung folgt und in der das Kind oft zum Waffenersatz wird. Wie kommt das Kind aus dieser Rolle wieder heraus? Friedrich: Das ist ungefähr so, als würden Sie fragen: Was macht die Kugel im Gewehrlauf, wie kommt sie wieder heraus? Im allgemeinen nur vorne, denn wenn der Rosenkrieg tobt, entlädt sich zu dieser Zeit niemand mehr. Der Lauf wird nicht mehr abgeknickt und die jeweilige Patrone nicht herausgenommen - sondern sie steckt drinnen und irgendwann wird abgedrückt. So ungefähr ist das auch mit dem Kind.

Die Furche: Scheidung hinterlässt Spuren in der Seele des Kindes. Wie sehen hier die Langzeitfolgen aus? Kann man mit einer späteren mangelnden Beziehungsfähigkeit rechnen?

Friedrich: Das kommt sehr auf die Art der Trennung an und darauf, in welchem Alter der Rosenkrieg stattgefunden hat.Dass aber eine miterlebte Scheidung Bindungsstörungen nach sich zieht, ist evident.

Die Furche: Scheidung ist in der heutigen Zeit ein nicht mehr allzu negativ besetzter Begriff. Ganz im Gegensatz zu dem "Scheidungskind"... Friedrich: Ja, weil die Volksmeinung doch sehr deutlich und klar erkennt, dass eigentlich das wesentliche Opfer nicht ist, ob man die Winterreifen tauscht oder das Hochglanzstahlgeschirr, sondern dass der Leidtragende immer das Kind ist. Im Scheidungsverfahren wird das Kind auch niemals vertreten. Höchstens von einem der Elternteile und das ist meistens ein Kampfhahn oder -henne: Und damit bleibt das Kind das Opfer.

Das Gespräch führte Verena Mann.

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