Die Zahl 183:14 ist nicht das Problem

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Die Politik schlittert in eine Debatte über die passende Anzahl an Politikern. Es ist das falsche Thema. Das richtige liegt in Repräsentanz und Relevanz.

W enn es noch eines weiteren Beweises für berechtigte Kritik am Nationalrat bedurft hätte, zur Mitte der Woche lag sie vor: Weil das Programm der Plenartagung, wie die stets um Sachlichkeit bemühte Austria Presse Agentur schrieb, #ausnehmend dünn ist#, würden sich die Parteien am Mittwoch #umso mehr bemühen, mit Sonderaktionen für Aufsehen zu sorgen#. Trefflicher lassen sich Anlass und Begründung von Kritik an dieser gesetzgebenden Körperschaft nicht herstellen als eben durch diese selbst. Die dieser Tage unvermutet losgelöste Debatte über die Anzahl an Mandataren und Regierungsmitgliedern ist zudem gestützt von einer korrekten Studie # verfehlt aber das Thema.

Kleinere Parlamente?

Ausgangspunkt waren der Vorschlag von Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ), die Landtage zu verkleinern, und jener von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ), den Bundesrat aufzuwerten. Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) war dann auch dafür, Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) hingegen für eine Verkleinerung des Nationalrates. Dafür sprachen sich vier Landtagspräsidenten der ÖVP, gegen die Verminderung ihrer 36 Mitglieder zählenden Landtage aus. Die Menge der Wortmeldungen belegt bestenfalls die Neigung der Handelnden, sich mit einem Nebenthema zu befassen. Das Hauptthema, nämlich Struktur und Aufgaben gesetzgebender Körperschaften, blieb bisher ausgespart. Doch genau darum, also um deren Repräsentanz und Relevanz, sollte es gehen.

Der Nationalrat entspricht in seiner Zusammensetzung keineswegs jener der Bevölkerung, die er abbilden soll. Der Anteil an Frauen ist niedriger, jener an Älteren höher als in Bevölkerung. Beruflich dominieren Angehörige des öffentlichen Dienstes und der politiknahen Bereiche. Das Schlagwort vom #Beamtenparlament# hat seine Gültigkeit, wie Günther Schefbeck in Politik in Österreich schreibt.

Eine Gesellschaft, die pluralistischer, fragmentierter und segmentierter wird, findet in den politischen Institutionen keine Entsprechung mehr. Diese liegt eher in Nicht-Regierungs- und in Non-profit-Organisationen. Eine Verminderung der Anzahl von 183 Abgeordneten zum Nationalrat würde nicht nur die Repräsentanz der Berufsgruppen, sondern auch jene kleiner politischer Gruppierungen erheblich erschweren.

Kleine Fraktionen hätten kaum ausreichend Mitglieder, um die Hunderten Sitzungen von Ausschüssen, Unterausschüssen und Untersuchungsausschüssen zu besetzen # und diese Sitzungen durch Studium der Akten und Protokolle substanziell vorzubereiten. Gegen eine Verminderung der Anzahl der Abgeordneten im Nationalrat und in den Landtagen spricht aus der Sicht der Parteien auch deren Einnahmenstruktur: Die Parteien erhalten von den Abgeordneten Klubabgaben sowie # unterschiedlich # Beiträge zu Bundes-, Landes- und Bezirksorganisationen. Bei Wahlkämpfen wird schon ein Monatsbezug aus dem politischen Mandat eingefordert. Weniger Mandatare hieße weniger Einahmen # schwerlich anzunehmen, dass genau das die Parteiführungen wünschen.

International vergleichende Studien lassen ebenfalls eine Verkleinerung dieser Körperschaften keineswegs plausibel erscheinen, womit die föderalistische Struktur angesprochen ist. In den USA würde niemand trotz des Größenunterschiedes der Bundesstaaten # Kalifornien: 35 Millionen Einwohner, Wyoming 0,5 Millionen # deren Existenz oder Kompetenzen in Frage stellen, argumentierte der früher steirische Bundesrat Herwig Hösele schon vor Jahren. Die Schweiz etwa habe bei einer kleinteiligeren föderalistischen Struktur eine geringere Dichte an Regulierungen, das zentralistische Frankreich hingegen einen der #aufgeblähtesten bürokratischen Apparate#.

Abgeordnete für die Kontrolle

In seiner aktuellen Studie #Wie viele Minister braucht ein Land?# vergleicht der frühere Klubdirektor der ÖVP und jetzige Präsident des Instituts für Parlamentarismus, Werner Zögernitz, in der EU die Anzahl der Abgeordneten und der Minister. Im EU-Durchschnitt entfalle ein Abgeordneter auf 51.000 Personen, in Österreich läge diese Kennziffer mit 45.000 niedriger und damit besser. Quantitative Repräsentanz ist also gewährleistet. Allerdings würden im EU-Durchschnitt exakt 15,5 Abgeordnete einen Minister kontrollieren, in Österreich kämen hingegen nur 13,1 Abgeordnete auf einen der 14 voll gezählten Minister (EU-Schnitt: 16,5). Damit fällt den hiesigen Parlamentariern die Funktion, die Regierung zu kontrollieren, schwerer als etwa jenen in Großbritannien, wo 28,3 Abgeordnete einem Minister gegenüberstehen.

Eine objektive und allgemeingültige Beurteilung einer idealen Regierungsgröße sei kaum möglich, schreibt Zögernitz. Sei sie zu klein, kämen Themen unter die Räder. Sei sie zu groß, würden sich interne Machtzirkel bilden.

Die Anzahl von 183 Abgeordneten und 14 Ministern ist also nicht das Problem. Das liegt wohl eher in der #ausnehmend dünnen# Tagesordnung des Nationalrates.

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