Die Zukunft der reifen "Lebens-Veteranen"

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Jedes Jahr erhöht sich die Lebenserwartung - bei Männern um 109, bei Frauen um 80 Tage. Heute 60-jährige Männer können damit rechnen, 82 Jahre alt zu werden, Frauen dürfen sogar mit 85,5 Jahren spekulieren. Doch dieser Methusalem-Effekt ist teuer -und das österreichische Umlagesystem längst nicht mehr gedeckt: Jeder dritte Euro, den der österreichische Staat einnimmt, fließt schon derzeit ins Pensionssystem. Jedes Jahr wird es eine Milliarde mehr.

Das ist die schlechte Nachricht. Die gute formuliert Hubert C. Ehalt in dem von ihm herausgegebenen Sammelband "Herausforderung Alter(n)" so: "Menschen, die das Arbeitsleben verlassen und in den Ruhestand treten, haben noch einen Lebenshorizont; sie können noch machen - aktiv gestalten - , was sie sich immer gewünscht haben", schreibt er mit Rückgriff auf Arthur E. Imhofs Klassiker "Die gewonnenen Jahre".

Die Frage ist, ob sie diesen Lebenshorizont auch nutzen können -und was mit jenen hochbetagten Über-75-Jährigen ist, die häufig fremder Hilfe bedürfen und deren Anzahl sich bis 2050 verdoppeln wird. Im Buch "Herausforderung Alter(n)" legen namhafte Expertinnen und Experten den Fokus auf all diese Fragen. Der Wiener Sozialgerontologe Franz Kolland und die Präsidentin der Seniorenuniversität Bern, Ruth Meyer-Schweizer, beschreiben etwa die Ambivalenz von Alternstheorien: Der Ansatz des "aktiven Alterns" soll zwar dem Menschen ermöglichen, seine Potenziale auszuschöpfen und an der Gesellschaft teilnehmen zu können - zugleich könnte er aber auch zu Kontrolle und Überforderung führen. Ähnliches gilt für das Konzept des "erfolgreichen Alterns", das ein möglichst langes Leben bei geringer Gebrechlichkeit als Ziel definiert. Ihm haftet nicht nur das Etikett des Nützlichkeitsdenkens an, es stellt sich auch die Frage, ob der biologische Alternsprozess überhaupt beeinflusst werden kann.

"Aktives Altern" als Überforderung?

"Alle Aufforderungen, aktiv zu bleiben oder zu werden, müssten unter dem Gesichtspunkt realer Zumutbarkeit für den alt gewordenen Organismus geprüft und auf ihn abgestimmt werden", betont Alternsforscher Leopold Rosenmayr in seinem spannenden Beitrag. "Die allgemeinen Appelle, aktiv zu werden, hallen ins Leere. Von der Seele ist ja ohnehin keine Rede mehr, so sehr sie dies auch bräuchte." Was fehle, sei eine bewusste und auch liebevolle "Unterstützungskultur" für die "Veteranen des Lebens" - sowie eine "Spiritualität des Alternsprozesses", die auch die Überstiegshoffnung ins Jenseits mithineinnehme. Er selbst entwirft die Vision einer "Welt-Alternskultur", die den Abschied vom eigenen "Größenselbst" ebenso beinhaltet wie die "Ichumarbeitung" nach Freud oder den Kampf gegen den Wiederholungszwang nach Buddha. Am wichtigsten, so Rosenmayr, sei aber die "Güte zu sich selbst", die auch die Güte gegenüber anderen erleichtere: "Das kann das Alter weit und groß machen." (dh)

Herausforderung Alter(n)

Entwicklungen, Probleme, Lösungsdiskurse

Von Hubert Christian Ehalt (Hg.), Verlag Bibliothek der Provinz 2014. 261 Seiten, geb., € 20,00

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