Die Zukunft ist weiblich ...

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Am 8. März ist Internationaler Frauentag (siehe Kasten S. 2). Die Fakten zeigen, daß die Benachteiligung der Frauen im Berufs- und Alltagsleben ungebrochen ist.

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Am 8. März ist Internationaler Frauentag (siehe Kasten S. 2). Die Fakten zeigen, daß die Benachteiligung der Frauen im Berufs- und Alltagsleben ungebrochen ist.

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dieFurche: Was halten Sie als Anwältin für Gleichbehandlungsfragen im Frauenministerium von solchen Frauentagen?

Ingrid Nikolay-Leitner: Sie haben natürlich immer nur Symbolcharakter. Aber der Internationale Frauentag erinnert uns doch jedes Jahr daran, was alles noch zu tun ist für die Gleichstellung der Frauen.

dieFurche: Immer wieder behaupten Trendforscher: "Die Zukunft ist weiblich!" Die Fähigkeiten der Frauen werden in der Arbeitswelt anerkannt sein, sie werden alle Chancen vorfinden und sich durchsetzen. Sehen Sie die Lage auch so rosig?

Nikolay-Leitner: Ich kann relativ wenig mit solchen Aussagen anfangen. Was soll das heißen: Die Zukunft ist weiblich? Das kann alles und nichts heißen. Mich stört bei solchen Büchern immer, daß sich da einer hinsetzt und schreibt, was er halt glaubt. Solche Aussagen kommen mir immer eher psychologisierend und oberflächlich vor. Was zählt, sind doch klare wirtschaftliche Fakten, und die sind nicht so, daß es Grund zu Optimismus gibt.

Frauen haben im Berufsleben Nachteile. Nicht deshalb, weil sie weniger berufsorientiert wären oder weniger Zeit im Berufsleben verbringen, sondern weil sie als Arbeitskräfte zweiter Klasse eingesetzt und auch so bezahlt werden. Auch wenn sie doppelt so viel arbeiten wie Männer, so sind sie doch weniger wert. Die Einkommensunterschiede sind nach wie vor groß, und sie werden größer, wie die letzten Statistiken zeigen. Und die Lücke wird sich solange nicht schließen lassen, solange die ökonomischen Bedingungen so sind, daß die Frauen die unbezahlte Arbeit auch noch miterledigen müssen. Egal, in welchem Ausmaß sie das tun. Mehr als Männer haben Frauen jedenfalls allemal zu tun - und zwar alle. Warum sollen die Trendforscher recht haben, wenn die Fakten doch ganz andere sind?

dieFurche: Womit haben die Frauen derzeit am meisten zu kämpfen?

Nikolay-Leitner: Damit, daß gesagt wird: Wenn ihr euch anstrengt, dann werdet ihr die Nachteile der Arbeitswelt schon überwinden können. Dabei weiß man doch ganz genau, wie ungerecht die Verteilung der Arbeit ist, und daß daran nicht die Frauen schuld sind.

Der nächste Punkt ist der berufliche Aufstieg: Die "gläserne Decke" ist kein Schlagwort. Die hängt in den verschiedenen Berufen unterschiedlich niedrig, aber es gibt sie überall. Frauen stehen auf der Karriereleiter einfach an. Es gibt immer noch eine ganz starke Tradition der Weitergabe von Führungspositionen unter Männern. Das sind Männerseilschaften, Männervereine, der Cartellverband. Frauen werden überhaupt nicht als Führungskräfte gesehen. sondern nur als Zuarbeiterinnen.

Die Schwierigkeiten - auch sehr hochqualifizierter Frauen - beginnen in dem Moment, wo sie versuchen, einen beruflichen Aufstieg zu machen. Die haben ja nicht so sehr das Problem der anfänglichen Einkommensungleichheit. Die Probleme zeigen sich nach zehn, 15 Jahren, wenn es dann darum geht: Wer steigt auf? Dann ist das ganz klar. Es sind nicht die Frauen. Und in vielen Bereichen ist das heute noch so, daß sie einfach keine Konkurrenz sind.

Man versucht das mit Frauenförderungsprogrammen, Quoten etc. auszugleichen, und es hat sich immer mehr herausgestellt, daß das anders gar nicht geht. Auch deshalb, weil man es den Frauen unmöglich macht, adäquate Kinderbetreuung zu haben, wenn sie nicht schon sehr gut verdienen.

Noch etwas wird zum Beispiel konsequent verschwiegen: Frauen müssen nach ein, zwei Jahren Unterbrechung - was ja wirklich nicht so lange ist - auf einem Einkommensniveau ins Berufsleben wiedereinsteigen, das unter dem liegt, mit dem sie angefangen haben. Diese Differenz holen sie nie wieder auf.

dieFurche: Haben Sie eine Vorstellung davon, wann sich das wirklich einmal ändern wird? Wird zum Beispiel ein heute geborenes Mädchen, wenn es im nächsten Jahrtausend ins Berufsleben einsteigt, auch noch die "gläserne Decke" vorfinden?

Nikolay-Leitner: Heute kommen Frauen ja nur mit sehr viel Glück und meistens nur als einzelne durch diese Decke. Für die Nachfolgerinnen ist sie dann schon wieder zu. Ob das in 20 Jahren anders sein wird? Möglicherweise. Die Entwicklung steht da noch sehr am Anfang. Wir bräuchten dazu sicher Frauennetzwerke, das Mentoring, da bräuchten wir Seilschaften von Frauen. Das heißt, es müßte mittlerweile all das entwickelt worden sein, was es bei den Männern schon so lange gibt.

dieFurche: Bedeutet es wirklich einen Fortschritt, genau das aufzubauen, was jetzt an den Männern kritisiert wird?

Nikolay-Leitner: Ich meine das ja nicht nur negativ. Die Förderung junger Männer durch ältere Männer ist ja nicht nur etwas Negatives. Im Gegenteil. Das Problem beginnt, wenn das zum reinen Postenschacher wird. Aber an sich ist dieses selbstverständliche Nachziehen der nächsten Generation etwas sehr Positives. Männer fördern aber keine jungen Frauen. Das ist unsere heutige Erfahrung. Sie tun es ganz selten und wenn, dann kommen auch nur wieder Ausnahmefrauen heraus.

dieFurche: Werden wenigstens jene Frauen aktiv, die es geschafft haben?

Nikolay-Leitner: Wenn nur da und dort eine Frau sitzt, ist es schwer, eine Seilschaft zu bilden. Was soll die bewirken?

Ich weiß von einzelnen Vernetzungen von Frauen. Zum Beispiel gibt es so was bei selbständigen Frauen. Dort geht es sehr stark auch um Auftragsvermittlung. Das ist ein Zweck, der Sinn hat. Die Männer haben ja auch ihre Netzwerke nicht abstrakt, sondern die haben einen konkreten Zweck. Die Förderung Junger durch Ältere ist auch nicht unbedingt negativ, im Gegenteil. Wenn aber die Hälfte der Menschen von dieser Förderung ausgeschlossen wird, dann ist es schon etwas Negatives.

Ich glaube also, daß eine hochqualifizierte Frau in 20 Jahren nicht selbstverständlich alles werden kann, auch wenn das heute schon da und dort behauptet wird. Und ich muß zugeben, das nervt mich auch an diesem Gerede meist männlicher Trendforscher am meisten. Eine Frau, die so ein Buch schreiben würde, hätte nur dann Chancen, wenn sie genau das beschreibt, was die Männer hören wollen. Nämlich: daß es den Frauen eh schon gut geht. Genau das sind auch die Bücher, die Erfolg haben. Gleichzeitig hält man die Frauen überall massiv draußen.

dieFurche: Wie sollen unsere Töchter in eine gleichberechtigte Welt hineinwachsen? Wie läßt sich das mitteilen?

Nikolay-Leitner: Es geht nicht ums Mitteilen. Das versuchen ja sehr viele Eltern. Es geht um die gesellschaftlichen Wertigkeiten! Die sind so, daß Buben einfach mehr wert sind. Wir sind alle geprägt von diesen Wertigkeiten und daher auch nicht in der Lage, den eigenen Kindern etwas anderes zu vermitteln. Reden allein nützt gar nichts. Wenn dem Kind erklärt wird, daß Vater und Mutter gleichberechtigt sind, und zur gleichen Zeit sitzt der Vater vor dem Fernseher und die Mutter bügelt, dann versteht das Kind nicht, was da gesagt wird.

dieFurche: Was halten Sie von der neuen Sprachregelung des "Innen"?

Nikolay-Leitner: Für mich ist das eher ein Ausdruck dessen, was sich in den letzten 40 Jahren getan hat. Noch vor zehn Jahren haben viele Frauen von sich in der männlichen Form gesprochen und nichts dabei gefunden. Das hat sich einfach sukzessive geändert. Frauen wollen ihr neues Bewußtsein auch ausdrücken, und sie wollen sich auch als die Hälfte der Gesellschaft definiert wissen.

Was glauben Sie, warum der Widerstand dagegen gar so groß ist? Es gibt fast nichts, wo der Widerstand so groß ist, außer die Quotenregelung und das Halbe/Halbe. Ich kenne genug Männer, die fangen zu zittern an, wenn einer dieser Punkte aufs Tablett kommt. Die greifen dann wirklich in die unterste Schublade.

Die Sprache ist kein Eintausch für reale Gleichbehandlung. Das ist Unsinn, es gehört natürlich beides dazu.

dieFurche: Ist die Zukunft weiblich?

Nikolay-Leitner: Die Zukunft ist für mich weder männlich noch weiblich. Ich glaube, daß wir eine unglaubliche Entwicklung durchgemacht und an Selbstbewußtsein gewonnen haben. Das heißt aber nicht zwangsläufig, daß deshalb auch gleich die Zukunft weiblich ist. Denn die Machtpositionen liegen immer noch so stark in männlicher Hand, daß sie das verhindern können. Die Fortschritte für die Frauen sind noch nicht so gesichert, daß es keinen Rückschritt mehr geben kann.

Das Gespräch führte Verena Resch.

Zur Person: Erfahrung als Kämpferin für Gleichberechtigung Ingrid Nikolay-Leitner wurde 1953 in Wien geboren. Sie studierte Pädagogik/Psychologie und Jus an der Universität Wien, arbeitete dort im Bereich Bildungspolitik der Österreichischen Hochschülerschaft. Danach war sie unter anderem tätig im Staatssekretariat für allgemeine Frauenfragen in den Bereichen Bildungs- und Ausbildungsfragen und Zusammenarbeit mit Fraueninitiativen und -organisationen. Seit 1991 ist sie Anwältin für Gleichbehandlungsfragen bei der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten im Bundeskanzleramt.

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