"Dieser Föderalismus führt zu toten Kindern“

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Georg Dimitz vom Österreichischen Berufsverband der SozialarbeiterInnen ist "zornig“ über das geplante Kinder- und Jugendhilfegesetz. Warum, erklärt er der FURCHE im Interview.

Die Furche: Wie beurteilen Sie den Gesetzesentwurf, der am 19. Februar den Ministerrat passieren soll?

Georg Dimitz: Das ist ein Mini-Mini-Schritt in die richtige Richtung. Leider wird der Fortschritt - nämlich das Vier-Augen-Prinzip - durch das Wort "erforderlichenfalls“ bzw. die Einschränkung auf "sehr komplexe Fälle“ in den Erläuterungen gleich wieder relativiert. Als würde man von vornherein wissen, wann ein Fall komplex ist! Noch zorniger macht mich, dass unsere Forderung nach einem unabhängigen Bundes-Kinder- und Jugendhilfebeauftragten, der alle zwei Jahre dem Parlament einen Bundesländer-Bericht abliefert, gar nicht aufgegriffen wurde. Als Hohn steht in den Erläuterungen, dass die Evaluierung dieses Gesetzes erst 2018 stattfindet!

Die Furche: Sie fordern bundesweit 500 zusätzliche Sozialarbeiter-Stellen in der Jugendwohlfahrt. Wie kommen Sie auf diese Zahl?

Dimitz: Dabei berufe ich mich auf die Volksanwaltschaft, die von einer Verdoppelung der derzeitigen Planstellen spricht - wobei es genaue Zahlen ebensowenig gibt wie eine einheitliche Jugendwohlfahrtsstatistik oder Dokumentation. Auch künftig wird das nur unverbindlich festgelegt. Im Sinne des Kinderschutzes müsste man die legislative Kompetenz der Bundesländer endlich abschaffen. Dieser destruktive Föderalismus führt zu toten Kindern!

Die Furche: Könnte es ein Bundesländerhopping wie im Fall Luca in Zukunft noch geben?

Dimitz: Es wird erschwert - aber durch die fehlende, einheitliche Dokumentation nicht genügend! Das Gesetz bleibt überall im Unbestimmten stehen. Nach so langer Zeit ist das ein Skandal!

Die Furche: Wie attraktiv ist der Sozialarbeiterjob in der Jugendwohlfahrt insgesamt - angefangen vom Gehalt bis zur Unterstützung durch Supervision?

Dimitz: Das Thema Supervision wird zwar im neuen Gesetz genannt - aber nicht, wer sie bezahlt. Doch Supervision findet nur dann flächendeckend statt, wenn sie vom Dienstgeber in der Dienstzeit bezahlt wird. Punkto Gehalt gibt es in manchen Bundesländern wie Wien relativ vernünftige Regelungen mit Sozialarbeitszulage, die dann in die Nähe von Akademikergehältern kommen. Ein Skandal ist sicher das Burgenland, wo es keine anständige Außendienstregelung gibt. Darum findet man dort auch schwer Mitarbeiter.

Die Furche: Wie oft werden Sozialarbeiter angeklagt?

Dimitz: Belangt werden sie häufig, doch zu einer Verurteilung ist es erst ein Mal in Oberösterreich gekommen. Im Fall Luca kam es ja in zweiter Instanz zum Freispruch. Was nach wie vor fehlt, ist eine berufsgesetzliche Bestimmung, was state of the art ist. Insofern gibt es keine Rechtssicherheit für Leute, die in diesem Bereich arbeiten. (dh)

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