"Diskriminierung ist schwer zu beweisen"

Werbung
Werbung
Werbung

Frauenministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) über den Entwurf zum Gleichbehandlungsgesetz und das niedrigere Pensionsantrittsalter für Frauen.

Die Furche: Sind Sie als Frauenministerin glücklich darüber, dass die Gleichbehandlung der Frauen gemeinsam mit dem Bereich Antidiskriminierung und Antirassismus in ein Gesetz gegossen werden soll?

Maria Rauch-Kallat: Das ist für mich in Ordnung. Es war mir nur wichtig, dass der Behindertenbereich in einem separaten Behindertengleichstellungsgesetz geregelt wird. Dieses Gesetz ist umfassender ausgelegt.

Die Furche: Auch die Situation von Migrantinnen und Migranten ist äußerst vielschichtig...

Rauch-Kallat: Das ist durchaus möglich. Wir haben allerdings einen umfassenden Antidiskriminierungsbegriff in der österreichischen Verfassung. Unabhängig vom Gesetz ist es aber wichtig, dass man Initiativen setzt. Ich habe etwa bei der Neustrukturierung meines Ministeriums mehrere Abteilungen eingespart - aber eine neue geschaffen, eine Frauenservicestelle mit einem Schwerpunkt für Migrantinnen.

Die Furche: Geht es nach der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie der EU, dann müssen Arbeitgeber beweisen, dass ein Mann für einen Job besser qualifiziert war als seine weibliche Kollegin. Nach dem Entwurf zum Gleichstellungsgesetz müssen sie das nur glaubhaft machen. Reicht Ihnen das?

Rauch-Kallat: Ja, denn es kann in vielen Bereichen schwierig sein, Diskriminierung zu beweisen. Wo es um eine Anstellung geht, wird es notwendig sein, eine Einigung zu finden oder Sanktionen zu setzen. Ein Dienstverhältnis zu begründen, wo Arbeitgeber/Arbeitgeberin und Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin nicht miteinander "können", kann kein fruchtbares Ergebnis erzielen. So wie es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unbenommen sein muss, zu kündigen, muss es dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin unbenommen sein, zu entscheiden, wen er oder sie anstellt oder nicht.

Die Furche: Der Gesetzesentwurf spricht nicht von aktiver Gleichstellung, sondern nur von Gleichbehandlung. Muss man aber nicht aktiv werden, um eine faktische Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen?

Rauch-Kallat: Natürlich. Wir verfolgen auch eine aktive Gleichstellungspolitik - unabhängig davon, ob sich dieser Begriff im Entwurf findet oder nicht.

Die Furche: Inwieweit wird die Regierung aktiv, was die Einkommenskluft betrifft? In Österreich verdienen Frauen noch immer um 40 Prozent - arbeitszeitbereinigt um 23 Prozent - weniger als Männer...

Rauch-Kallat: Man sollte zur Eröffnungsbilanz einmal sagen, dass diese Kluft das Ergebnis der 20-jährigen SPÖ-Frauenpolitik ist. Dem werden wir ein Maßnahmenbündel entgegensetzen. Als erstes werden wir uns auf den Berufseinstieg konzentrieren. Frauen wählen noch immer schlechter bezahlte Berufe als Männer. Dagegen wollen wir ihnen Mut machen, technische Studien oder Berufe zu wählen. Hier gibt es kaum geschlechtsspezifische Einkommensunterschiede. Zweitens wollen wir Männer verstärkt in die Familienarbeit miteinbeziehen und temporären Aussteigern - Männern wie Frauen - die Notwendigkeit einer Orientierung für den Wiedereinstieg deutlich machen. Der dritte Bereich sind die immer noch geringeren Aufstiegschancen von Frauen: Hier wird es ein umfassendes Mentoringprojekt geben, wo Frauen auf die persönliche Karriereplanung hingewiesen werden und wo unterstützende Maßnahmen gesetzt werden.

Die Furche: Zuletzt wurde die Diskussion um das niedrigere Frauenpensionsalter neu angefacht. Sie haben sich gegen eine verfrühte Angleichung des Pensionsalters ausgesprochen...

Rauch-Kallat: Ich bin sehrwohl für eine Angleichung des Pensionsalter von Männern und Frauen, aber in der beschlossenen Form. Es gibt für mich keinen Grund, den Beschluss aus dem Jahr 1992, nämlich das Pensionsantrittsalter bis 2033 schrittweise anzugleichen, vorzuziehen. Er war ja verbunden mit der Forderung, bestehende Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen in diesem Zeitrahmen zu eliminieren. Deshalb ist auch aktive Gleichstellungspolitik notwendig.

Die Furche: Erweist man Frauen angesichts des längeren Durchrechnungszeitraums nicht einen Bärendienst, wenn man sie früher in Pension schickt?

Rauch-Kallat: Ich habe immer klar gemacht, dass Frauenpensionen niedriger sind, wenn weniger Beitragsjahre anfallen. Die schrittweise Anhebung des Frauenpensionsalters ist aber kompatibel mit der Harmonisierung der Pensionssysteme: Diese Harmonisierung ist ja nur für die unter 35-Jährigen geplant, die genau dann in Pension gehen können, wann die Angleichung des Pensionsalters von Männern und Frauen abgeschlossen ist - nämlich im Jahr 2033. Im übrigen ist es keiner Frau verwehrt, später in Pension zu gehen, wenn sie das möchte. Erst vor kurzem ist meine Sekretärin, die mit 15 Jahren ins Arbeitsleben eingetreten und kinderlos ist, mit 62 Jahren in Pension gegangen. Auch das muss möglich sein.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung