"Doping: Hauptproblem beim Leistungssport"

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Was eine zunehmende Zahl von Politikern zum Hobby erkoren hat, den Ausdauersport bis zum Marathonlauf, ist schon lange Lebensinhalt des Steirers Alois Stadlober. Der erfolgreiche Skilangläufer kennt die Probleme des modernen Sports vom Doping bis zur Kommerzialisierung, aber auch das Spannungsfeld von Sport und Politik.

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Was eine zunehmende Zahl von Politikern zum Hobby erkoren hat, den Ausdauersport bis zum Marathonlauf, ist schon lange Lebensinhalt des Steirers Alois Stadlober. Der erfolgreiche Skilangläufer kennt die Probleme des modernen Sports vom Doping bis zur Kommerzialisierung, aber auch das Spannungsfeld von Sport und Politik.

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Die Furche: Vor einem Jahr feierten Sie Ihre größten sportlichen Erfolge. Fiel der Abschied vom Spitzensport schwer?

Alois Stadlober: Nein, überhaupt nicht. Mein Ziel war immer, im Langlauf eine Medaille zu erringen, das ist gelungen, und deshalb war es nicht schwierig. Wenn ich die Kollegen im Fernsehen sehe, möchte ich nicht wieder am Start sein. Für mich ist nur wichtig, daß ich weiter regelmäßig langlaufen gehe.

Die Furche: Von Ihrem Arbeitsplatz sehen Sie direkt ins Skistadion Ramsau am Dachstein ...

Stadlober: Von der Arbeitsstätte her ist es super, denn wer kann dort arbeiten, wo er sportlich seinen größten Erfolg gefeiert hat. Ich kann auf die Ziellinie schauen, wo ich hereingelaufen bin. Das Land Steiermark ist mein Arbeitgeber, und meine Funktion ist Koordinator für den nordischen Sport in der Steiermark. Das reicht von der Zusammenarbeit zwischen dem Skiverband und den Vereinen bis zu Projekten, um mehr Jugendliche für den nordischen Sport zu begeistern. Mit dem Wintersportverein Ramsau bin ich für die Durchführung von Wettkämpfen hier zuständig.

Die Furche: Sie haben nebenbei ein Jus-Studium absolviert. Hat das Ihre Berufslaufbahn gefördert?

Stadlober: Das wäre auch ohne Abschluß eines Studiums gegangen. Als ich mit dem Jusstudium begann, habe ich nicht gewußt, daß ich so lange laufen werde. Ich werde 38 und habe mir mit Sport einen Namen gemacht, mit Jus müßte ich bei Null anfangen, denn ich habe nie juristisch etwas gearbeitet.

Die Furche: Was hat sich aus Ihrer Sicht im Spitzensport verändert, seit Sie angefangen haben? Würden Sie die Entwicklung als negativ bezeichnen?

Stadlober: Das ist der Lauf der Zeit, vielleicht wird es in zehn, 20 Jahren noch viel brutaler. Vielleicht wird man 2020 sagen, daß im Jahr 2000 eigentlich, was wissenschaftliche, medizinische Betreuung anlangt, noch fast gar nichts los war. Das gehört dazu, wenn man heute im Spitzensport mitwirken will, man kann den Fortschritt nicht aufhalten. Es ist früher schon sehr viel trainiert worden, und es wird heute noch mehr trainiert. In meinem Sport geht das Training bis Mitte April und fängt Anfang Mai wieder an. Da bleibt man beruflich stecken, man kann keine Berufsausbildung nebenbei machen.

Die Situation am Arbeitsmarkt kennt jeder. Wenn du als Sportler scheiterst, hast du sicher Probleme beim Berufseinstieg. Ich würde auf alle Fälle empfehlen, daß man nebenbei etwas macht. Ein Studium ist heute sehr schwer, bei mir war es noch leichter. Die Trainingsbelastungen sind viel härter geworden. Beides ist im Spitzensport fast nicht mehr machbar. In Salzburg wurde eine Sportakademie mit diversen Modulen und viel Rücksicht auf die Sportler geschaffen, die ist aber nicht nachgefragt worden von den Sportlern.

Wenn man sich für den Spitzensport entscheidet, ist es eine harte Entscheidung, man sieht immer nur die Leistungssportler, die es geschafft haben. Im Skilanglauf ist sicher Geld zu verdienen, aber nie die Summen wie bei den Alpinen.

Die Furche: In Skandinavien ist das wahrscheinlich anders ...

Stadlober: Dort ist es besser, aber Leute wie Björn Dählie sind auch dort Ausnahmeerscheinungen, wie bei uns der Hermann Maier bei den Alpinen. Weil weniger Geld im Spiel ist und die Kontrollen genauer sind, spielt auch im Langlauf Doping eine geringere Rolle, das ist ja heute das Hauptproblem im Leistungssport.

Die Furche: Der Normalbürger fragt sich ja schon lange, ob die heutigen Leistungen überhaupt noch mit legalen Mitteln möglich sind.

Stadlober: Das Problem ist, daß es heute Mittel gibt, die nicht nachweisbar sind. Feststellen kann man nur die Tatsache, daß einzelne medizinische Werte abnormal hoch sind. Man könnte eigentlich herandopen bis an die Grenzwerte, wie es im Radsport üblich ist. Und wenn man heute Erfolg hat, dann sagt jeder, ohne Doping kann der das nicht geschafft haben. Darum ist es wichtig, daß man alles, was man nachweisen kann, nachweist. Das Gemeine ist eben, daß es selten nachweisbar ist, ob jemand etwas nimmt. Manche sagen, dann geben wir es gleich frei, dann ist das Verlogene vorbei, dann kann jeder schlucken, was er will. Ich bin absolut gegen die Freigabe von Doping - das wäre der Tod für den Leistungssport. Die Vorbildwirkung der Sportler auf die Jugend geht verloren, dann sagt jeder, die drei Bergetappen der Tour de France schaffe ich auch, wenn ich mir gleich in der Früh 37 Tabletten hineinhaue.

Die Furche: Halten Sie Sabotage für möglich? Der ertappte deutsche Langstreckenläufer Dieter Baumann hat behauptet, man müsse ihm ein Mittel in die Zahnpasta gemischt haben.

Stadlober: Das könnte vorkommen, aber natürlich ist das auch immer die erste Ausrede, daß ihm das irgendjemand gegeben hat. Bei Wettkämpfen paßt man sicher auf, wo man was trinkt. Und ich habe auch im Training nie meine Trinkflasche herumstehen lassen. Auch bei Infekten muß man bei den Medikamenten sehr vorsichtig sein. Man fürchtet bei Dopingkontrollen immer, es könnte etwas passieren, auch wenn man ein reines Gewissen hat.

Die Furche: Ist Spitzensport nicht auch ein ständiger harter Kampf, um von den Sponsoren weiter unterstützt zu werden?

Stadlober: Das ist überall so, das ist rein auf Leistung bezogen. Gerade im Skilanglauf muß man sich Jahr für Jahr seine Prämien und Fixa erlaufen. Sport ist beinhart, eine gute Schule fürs Leben. In der Schule ist man der Verlierer, wenn man eine Fünf hat, im Sport ist man der Verlierer, wenn man nicht unter die ersten Drei kommt. Mit unseren Medaillen im Vorjahr haben wir auch die Latte höher gelegt. Es weiß jeder, wenn nichts läuft, daß die Unterstützung gestrichen wird. Die Presse ist weg, die Leute sind weg.

Die Furche: Glauben Sie, daß die aktuelle politische Lage Auswirkungen auf den Sport hat? Daß die Sportbeziehungen leiden?

Stadlober: Aus dem Nationalteam habe ich gehört, daß die Leute, wenn sie Österreich-Anzüge tragen, im Ausland schon angesprochen werden. Manche glauben wirklich, es gäbe bei uns Unruhen und wir seien ein rassistisches und ausländerfeindliches Land. Aber unter den Sportlern gibt es da überhaupt nichts. Wir waren jetzt als größere Gruppe beim Wasalauf in Schweden und sind sehr freundlich empfangen worden.

Die Furche: Sollten mehr Sportler, wie jüngst Patrick Ortlieb für die FPÖ, in die Politik gehen?

Stadlober: Die Politiker stehen gerne mit Medaillengewinnern da, aber für den Sport machen sie in meinen Augen zu wenig. Mir kommt vor, es ist sehr auf Stimmenfang aus. Das klare Bekenntnis zum Sport ist wahnsinnig wichtig. Meine Gattin ist in der Politik, seit einem Jahr ist sie Landtagsabgeordnete der ÖVP in Salzburg. Man hat sie für den Sport geholt, sie hat aber auch Schwierigkeiten, für den Sport etwas umzusetzen. Da die SPÖ das Sportressort hat, ist es schwierig, Aktionen zu setzen, man hat das Budget nicht, muß immer schauen, daß man von den anderen Abteilungen etwas bekommt. Es ist sinnlos, Sportler in die Politik zu holen, wenn man sie nicht auch arbeiten läßt.

Die Furche: Sportler sind zwar dazu erzogen, sich brav an Spielregeln zu halten, aber mit den Regeln in der Politik kommen sie oft nicht zurande. Als eine Persönlichkeit aus dem Sport, die wirklich politisch Karriere gemacht hat, fällt einem meist nur die niederösterreichische Landeshauptmann-Stellvertreterin Liese Prokop ein.

Stadlober: Sie ist eine der wenigen, die es geschafft haben, sich politisch durchzusetzen. Der Sportler muß selbständig denken und selbständig handeln. In der Politik hat man auf so viele Gruppierungen in der eigenen Partei aufzupassen, das ist das, was der Sportler nicht schafft. Wenn ich das Training, das Programm durchziehe, dann mache ich das mit mir selber. In die Politik geht man genau so hinein, möchte einiges ändern und dann sieht man, was für ein bürokratischer Aufwand vorhanden ist, durch welche Gremien man durch muß, wieviele dagegen sind, und letzten Endes vertut man es. Das ist der Grund, warum viele Sportler in der Politik es nicht schaffen.

Die Furche: Haben Sie noch sportliche Ziele?

Stadlober: Nur hobbymäßig. Beim Wien-Marathon im Mai möchte ich unter zweieinhalb Stunden kommen.

Das Gespräch führte Heiner Boberski.

ZUR PERSON Gold und Silber in Ramsau Alois "Luigi" Stadlober, 1962 in Judenburg geboren, 1980 Maturant am Abteigymnasium in Seckau, hat sich das Lebensmotto "Mit einem Ziel vor Augen und einer positiven Einstellung durch das Leben gehen" gewählt. Jahrelang war er das Aushängeschild des Skilanglaufes in Österreich, die größten Erfolge gelangen ihm 1999 bei der Nordischen Ski-WM in Ramsau am Dachstein, wo er im 10-km-Rennen die Silbermedaille und mit der 4x10km-Staffel Gold gewann. Stadlober, seit 1993 Doktor iuris, verheiratet mit der früheren Slalom-Weltcupsiegerin Roswitha Steiner, wohnt in Radstadt und arbeitet in Ramsau für den nordischen Skisport. Sein gemeinsam mit dem Sportjournalisten Egon Theiner verfaßtes Buch "Langer Atem" (Styria Verlag, Graz 1999) schildert den Lebensweg dieses vorbildlichen Athleten.

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